Der cash Insider berichtet im Insider Briefing jeweils vorbörslich von brandaktuellen Beobachtungen rund um das Schweizer Marktgeschehen und ist unter @cashInsider auch auf Twitter aktiv.
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Dank positiven Vorgaben aus New York konnte der Schweizer Aktienmarkt in den vergangenen Tagen weiter Boden gutmachen. Und das, obschon das Protokoll der letzten Sitzung der amerikanischen Notenbank nicht nur für Wasser auf die Mühlen der Optimisten, sondern eben auch für solches auf die Mühlen der Pessimisten sorgte.
Zwar zeichnet sich ab, dass die Leitzinsen nach drei Erhöhungen um jeweils 75 Basispunkte anlässlich des Dezember-Treffens "nur" noch um 50 Basispunkte angehoben werden. In den darauffolgenden Monaten könnte die amerikanische Notenbank dann eine gemächlichere Gangart einlegen.
Das mag wie Musik in den Ohren der Aktienmarktakteure klingen. Allerdings wollen die Notenbank-Gouverneure die "inakzeptabel hohe Teuerung" mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen und dabei - falls nötig - auch wirtschaftliche Kollateralschäden in Kauf nehmen. Oder anders gesagt: Es ist auch im neuen Jahr mit weiteren Leitzinserhöhungen zu rechnen.
Abflüsse in Milliardenhöhe: Amerikaner flüchten überhastet aus europäischen Aktien |
Nachdem über mehrere Wochen hinweg Gelder in Milliardenhöhe abgezogen worden waren, flossen Aktienfonds vergangene Woche unter dem Strich gut 16 Milliarden Dollar zu. Das zumindest zeigen Erhebungen der Beratungsfirma Lipper. In New York gehandelte Fonds auf europäische Aktien hatten jedoch einmal mehr einen Nettoabfluss in Höhe von 1,9 Milliarden Dollar zu beklagen. Es fliessen nunmehr schon seit 41 langen Wochen Gelder aus diesen Fonds ab. Mittlerweile belaufen sich die Abflüsse auf mehr als 100 Milliarden Dollar. So etwas gab es seit Beginn der Erhebungen noch nie.
Ich schrieb in diesem Zusammenhang kürzlich:
...und...
Wenden wir uns nun aber dem hiesigen Börsengeschehen zu. Die mediale Bühne gehörte hierzulande diese Woche einmal mehr ganz der Credit Suisse – wobei die Inszenierung schon beinahe einer Tragikomödie gleichkam. Denn noch bevor die Aktionärinnen und Aktionäre am Mittwoch über die mit vier Milliarden Franken dotierte Kapitalerhöhung befinden konnten, informierte die kleinere der beiden Schweizer Grossbanken darüber, dass sie auch das Schlussquartal mit einem Milliardenverlust abschliessen werde. Von bis zu 1,5 Milliarden Franken vor Steuern ist die Rede.
Auf die Gefahr hin, dass viele meiner Leserinnen und Leser des Themas mittlerweile überdrüssig sind, möchte auch ich es mir nicht nehmen lassen, nachstehend eine Einschätzung abzugeben. Schliesslich sind die Aktien der Credit Suisse mit einem Minus von gut 60 Prozent seit Januar eines meiner Sorgenkinder bei den Schweizer Aktienfavoriten für 2022. Das verpflichtet.
Fünfter Quartalsverlust in Folge: Kurs der Credit-Suisse-Aktie fällt unter Bezugspreis für Grossinvestoren |
Es ist weniger der erneute Milliardenverlust, der mich stutzig macht, als vielmehr der schmerzhafte Abfluss von Kundengeldern. Eigenen Angaben zufolge gingen der Grossbank bis zum 11. November unter dem Strich mehr als 80 Milliarden Franken verloren, davon gut 60 Milliarden Franken im erklärten Kerngeschäft, dem Wealth Management.
Ich könnte mir – jetzt da die Aktionärinnen und Aktionäre der Kapitalerhöhung mit überwältigender Mehrheit zugestimmt haben – gut vorstellen, dass der Abfluss von Kundengeldern nach und nach weniger wird. Der für Vontobel tätige Analyst Andreas Venditti liegt richtig, wenn er schreibt, dass die Credit Suisse das Vertrauen ihrer Kapitalgeber und Kunden so schnell wie möglich wieder herstellen müsse, das aber leichter gesagt als getan sei.
Man braucht keinen Master-Abschluss in Banking and Finance in der Tasche zu haben, um erahnen zu können, dass der Rückgang bei den Kundengeldern von heute der Rückgang bei den Erträgen von morgen ist. Gut möglich deshalb, dass Firmenchef Ulrich Körner den Gürtel bei den Kosten künftig nochmals enger schnallen muss.
Kurszerfall bei den Credit-Suisse-Aktien seit Jahresbeginn (Quelle: www.cash.ch)
Ab Montag werden die Aktien der Grossbank übrigens ex Bezugsrecht gehandelt – mit einem entsprechenden Kursabschlag gegenüber Freitag. Beim frühmorgendlichen Blick auf das Börsentableau deshalb vor Schreck bitte nicht gleich den Kaffee verschütten...
Für einen Aufschrei sorgte vor wenigen Tagen die Société Générale. In einer Studie zu den europäischen Rückversicherern kündigte sie der Swiss Re die Liebe. Einerseits stuften die Autoren die Aktien von "Buy" auf "Hold" herunter, andererseits kürzten sie aber auch ihr 12-Monats-Kursziel auf 85,40 (zuvor 87) Franken.
Hellhörig macht vor allem aber die Begründung für diese Anpassungen, nehmen die Analysten eigenen Angaben zufolge doch eine vorsichtigere Haltung in Bezug auf die Reservepolitik der Swiss Re ein. Trotz einer Stärkung der Reserven habe der Rückversicherer im Vergleich mit anderen Anbietern wie etwa der Munich Re noch immer Handlungsbedarf, wenn man den Studienautoren Glauben schenken will. Ausserdem befürchten sie, dass sich der Teuerungsschub negativ im Tagesgeschäft bemerkbar machen könnte. Die dividendenstarken Aktien steckten alle diese Worte überraschend gut weg.
Gestern Donnerstag nahm Analyst Dani König von Mirabaud Securities die Erstabdeckung der Aktien von Edisun Power mit "Buy" und einem Kursziel von 168 Franken auf – und zündete aufgrund des engen Marktes in diesen Valoren doch prompt ein kleineres Kursfeuerwerk.
König zufolge kam der einzige börsenkotierte Solarstromanbieter Ende letzten Jahres zu rückblickend vorteilhaften Konditionen an Solarprojekte seines Ankeraktionärs Smartenergy. Darauf abgestützt rechnet er bis Ende 2026 mit einem operativen Gewinnwachstum (EBITDA) von 27 Prozent. Mit 336 Franken je Aktie liefert das Discounted-Cash-Flow-Modell des Analysten gar einen fairen Wert, der weit über dem eigentlichen Kursziel liegt.
Kursentwicklung der Aktien von Edisun Power über die letzten vier Wochen (Quelle: www.cash.ch)
Regelmässige Leserinnen und Leser meiner Kolumne wissen, dass ich Kaufempfehlungen für schlecht handelbare Aktien meist ziemlich kritisch gegenüberstehe. Im vorliegenden Beispiel will ich aber eine Ausnahme machen, erfolgt die Erstabdeckung von Edisun Power doch im Auftrag des Unternehmens selbst, wie aus dem Disclaimer hervorgeht. Im Fachjargon spricht man auch von "Paid Research".
Dennoch gilt, was ich einst schon über Montana Aerospace und Co schrieb: Anlegerinnen und Anlegern sollten bei schlecht handelbaren Aktien stets im Hinterkopf behalten, dass der enge Markt ein zweischneidiges Schwert sein kann.
Ob die Aktien von Edisun Power an ihre Gewinne anknüpfen und zu den bisherigen Jahreshöchstkursen vom Frühling vorstossen können, wissen wir eventuell schon nächsten Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.
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1 Kommentar
Für mich ist klar warum Europäische Aktien bei den Amis mit ihrem zur Zeit
starken Dollar nicht punkten können. Die sehr flatterhafte Währung Euro und der fehlende Wille der EZB die Zinsen der Inflation gerecht anzupassen, vom Krieg in der Ukraine ganz zu schweigen, ist einfach zu viel Gift für US Investoren.