"It's the end of a decade, in another ten years time" - ein Jahrzehnt endet, wie es die schwedische Band ABBA in ihrem Hit "Happy New Year" von 1980 besang. Auch jetzt, mit dem Ausklingen des Jahres 2019, endet wieder eine Dekade. Was am Aktienmarkt am meisten auffiel:
1. Es war ein Jahrzehnt der Extreme
Am Anfang der Chronik 2010 bis 2019 standen die Auswirkungen der Finanzkrise. In zu Ende gehenden Jahrzehnt ereignete sich der Beinahe-Kollaps des Euros, ein Kurswechsel in der Geldpolitik aller wichtigen Notenbanken mit dem Absinken der Zinsen auf Null und unter Null, sowie einschneidende politische Veränderungen wie das Brexit-Votum oder die Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten. Der Aufstieg Chinas setzte sich fort, und die Digitalisierung erreicht mehr und mehr Teile des Alltags.
2. An Aktien führt wenig vorbei
Bei alledem aber liefen Aktien gut. Die Tiefzinsen haben die Investoren in Risikoassets getrieben - und tun es immer noch. Der SMI hat 61,2 Performance gezeigt, in anderen Ländern war der Anstieg noch grösser: Der Dow Jones etwa kommt auf ein Plus von 172 Prozent.
Der SMI in den vergangenen 10 Jahren (Grafik: Bloomberg).
3. Nur wenige Aktien verdoppeln ihren Wert
Auch am Schweizer Markt haben viele Titel davon profitiert. Während der SMI 61,2 Prozent zulegen konnte, erhöhten einige der darin enthaltenen Unternehmen ihren Börsenwert noch deutlich stärker. Aktionäre von Givaudan, Swiss Re, Richemont und Nestlé haben ihren Einsatz mehr als verdoppelt.
Top- und Flop-Aktien, die schon 2010 im SMI waren
Aktie | Gesamtertrag seit 1.1.2010 | Aktie | Gesamtertrag/Verlust seit 1.1.2010 |
Givaudan | +261,5 Prozent | Swisscom | +31,2 Prozent |
Swiss Re | +118,6 Prozent | ABB | +18 Prozent |
Richemont | +116,6 Prozent | Adecco | +8 Prozent |
Nestlé | +107 Prozent | Swatch | +2,9 Prozent |
SGS | +93,9 Prozent | ||
Novartis | +83,7 Prozent | UBS | -24 Prozent |
Zurich | +75,8 Prozent | LafargeHolcim | -30,8 Prozent |
Roche | +73,8 Prozent | Credit Suisse | -71,4 Prozent |
Daten: Bloomberg
Mit einem mageren Kursgewinn müssen sich jene zufriedengeben, die bei Adecco oder Swatch investiert sind. Diese beiden konjunktursensitiven Titel sind wieder etwa dort, wo sie vor zehn Jahren waren: So kann es Aktien ergehen, die dem Schicksal der Weltwirtschaft ausgeliefert sind. Allerdings muss man sich bei der Quasi-Nullperformance von Swatch schon fragen, weshalb Konkurrent Richemont im gleichen Zeitraum 117 Prozent zugelegt hat.
4. Grossbanken bleiben ein schlechtes Langfrist-Investment
Das Nachsehen haben Langfristinvestoren bei LafargeHolcim und den Grossbanken: Wer theoretisch Anfang 2010 eine Credit Suisse-Aktie gekauft hat und sie heute noch besitzt, muss einen Verlust von 71 Prozent hinnehmen. Die UBS hatte vor zehn Jahren knapp ihren Kollaps überstanden und richtete sich danach neu aus. Die CS ging zwar glimpflicher durch die Finanzkrise, verschlief aber lange wichtige Reformen. Das Fazit: Mit beiden Aktien ist man nicht reicher geworden - im Gegenteil.
5. Operativer Erfolg zahlt sich aus
Die besten Jahrzehnt-Performer sind indessen Sika, Lonza und Swiss Life, die in den vergangenen zehn Jahren allerdings nicht durchgehend im Leitindex waren. Sika kam erst 2017 in den SMI, während Swiss Life und Lonza 2010 zwar dem SMI angehörten, zwischenzeitlich aber durch andere, zu diesem Zeitpunkt liquidere Aktien ersetzt wurden.
Bei ihnen spielt geschäftlicher Erfolg eine zentrale Rolle bei der Kursentwicklung: Sika ist ein hoch erfolgreicher Baustoffhersteller mit starker Marktstellung, Lonza punktet im Bereich Life-Sciences und Swiss Life steigert seit Jahren mit einer erfolgreichen Neuausrichtung der Lebensversicherungspalette ihre Gewinne.
Performance übriger heutiger SMI-Mitglieder
Aktie | Gesamtertrag seit 1.1.2010 (in %) | Aktie | Gesamtertrag seit 1.1.2010 (in %) |
Sika | +568,9 Prozent | Geberit | +197,11 |
Lonza | +416,3 Prozent | Alcon* | - |
Swiss Life | +274,6 Prozent |
*kotiert seit 9.4.2019. Daten: Bloomberg
6. Der SPI ist im Grunde genommen der interessantere Markt
Am breiten Markt liess sich noch viel mehr Rendite erzielen als mit den Blue Chips. Die Aussschläge nach oben und nach unten sind bei SPI-Titeln viel deutlicher als bei jenen, dic auch im SMI enthalten sind. Die neun besten Aktien des Jahrzehnts steigen um das vier- bis achtfache.
Top- und Flop-Aktien im Schweizer Markt insgesamt
Aktie | Gesamtertrag seit 1.1.2010 | Aktie | Verlust seit 1.1.2010 |
AMS | +812,4 Prozent | Relief Therapeutics* | -100 Prozent |
Comet | +711,3 Prozent | Kuros Biosciences** | -99,7 Prozent |
Interroll | +608 Prozent | Lumx Group*** | -99,1 Prozent |
Partners Group | +563,9 Prozent | Arundel**** | -98,3 Prozent |
Bossard | +540,9 Prozent | Leclanché | -96,2 Prozent |
Emmi | +535,8 Prozent | Meyer Burger | -93,9 Prozent |
Inficon | +521,7 Prozent | Schmolz+Bickenbach | -91,4 Prozent |
Belimo | +484,4 Prozent | Perfect Holding | -91,4 Prozent |
Temenos | +464,1 Prozent | Züblin | -91 Prozent |
*ehemals Mondobiotech/Therametrics / **ehemals Cytos / ***ehemals Gottex / **** ehemals USI Group
7. AMS ist top, war einmal noch viel mehr wert
Absoluter Spitzenreiter ist der Sensorhersteller AMS, der 2010 noch als Austria Microsystems firmierte. Der Kurs des österreichischen Unternehmens mit Schweizer Kotierung hat sich unter dem Strich um 812 Prozent gesteigert. Das einst kleine Unternehmen mit Sitz im Unterpremstätten im Bundesland Steiermark ist für Anleger so interessant, dass es inzwischen im erweiterten Blue-Chip-Index SLI Eingang gefunden hat.
Beim volatilen Charakter des AMS-Kurses muss aber auch gesagt werden, dass viele Anleger diesen Titel nicht langfristig halten, sondern zum spekulieren einsetzen. Und: AMS befindet sich derzeit längst nicht auf einem Allzeithoch. Dieses war im März 2018. Damals, von 2010 aus gesehen, hatte sich der Kurs um das 25-fache erhöht.
8. Solide Industrieaktien sind toll
Unter den besten Aktien des Jahrzehnts reihen sich aber auch industriell ausgerichtete Unternehmen wie Comet, Interroll, Bossard, Inficon oder Belimo ein. Diese profitierten vom jahrelangen Zustrom von Kapital in solide finanzierte Schweizer Small und Mid Caps, vor allem auch von internationalen Grossinvestoren.
Mit der Privatmarkt-Anlagegesellschaft Partners Group findet sich eine Finanzaktie unter den Topperformern. Eine jahrelange Erfolggeschichte ist auch die Entwicklung beim Bankensoftwareentwickler Temenos. Dass die Aktie mehr als vier Mal so viel wert ist als vor zehn Jahren, entspricht der sehr erfolgreichen Geschäftsentwicklung.
9. Eine Firma kann fast 100 Prozent Wert verlieren
Auf der anderen Seite hat es das Biotechunternehmen Relief Therapeutics geschafft, seinen vor zehn Jahren bestehenden Börsenwert auf fast Null sinken zu lassen.
Der Aktienpreis bewegt sich in den Niederungen von Zehntels-Rappen. Das Unternehmen, das vor seinen diversen Metamorphosen Mondobiotech und dann Therametrics hiess, hat derzeit weder einen Unternehmens- noch einen Finanzchef. Die Forschungsinhalte für ein Mittel, das gegen eine spezifische Erkrankung der Lunge eingesetzt wird, sollen offenbar verkauft werden.
10. Viktor Vekselberg hat ein Faible für «Penny Stocks»
Aber noch eines fällt auf: Unter den schlechtesten Aktien des Jahrzehnts finden sich auch Schmolz+Bickenbach sowie Züblin. Bei beiden Unternehmen wurde der russischstämmige Grossfinancier Viktor Vekselberg zum dominierenden Aktionär. Über dessen Engagement bei so genannten Penny Stocks - also Aktien, die weniger als ein Rappen wert sind - ist über die Jahre viel geschrieben worden. Bei Schmolz+Bickenbach wird er nach einem heftigen Aktionärszwist dieses Jahr allerdings Einfluss verlieren.