Allein seit dem 25. August ist der gewissermassen als Welt-Standard geltende US-Index S&P 500 um fast 7 Prozent zurückgegangen. Vor knapp zwei Wochen sagte der amerikanische Notenbankchef Jerome Powell in Jackson Hole, er werde die Zinsen wohl entschieden anheben. Für Anlegerinnen und Anleger in Aktien sind die Zeiten nicht einfacher geworden. Die Märkte sind konfus, eine klare Richtung gibt es nicht. Und wie die Reaktion auf die Jackson-Hole-Rede Powells zeigt, ist der Markt sehr nervös, wenn nicht gar ansatzweise hysterisch.
Ein Tipp, in Obligationen mit kurzer Laufzeit zu investieren, stammt vom Marktguru Mohamed El-Erian. Der Kolumnist, frühere Chef der Fondgesellschaft Pimco und heutige Berater des Versicherungsgesellschaft Allianz sieht dies als einen der wenigen gangbaren Wege angesichts "verdrehter" Märkte, wie er vergangene Woche während einer Finanzkonferenz in Italien sagte ("distorted markets" im englischen Original). Nun stecken aber neben den Aktien auch die Anleihen in einem Bärenmarkt. Die Rendite von US-Staatsanleihen mit 3 Monaten Laufzeit geben derzeit 2,86 Prozent Rendite. Das ist weniger als die Inflation in der Schweiz von 3,5 Prozent, geschweige denn der Inflation in den USA oder der Eurozone mit 8,5 respektive 9,1 Prozent.
El-Erians Anleihen-Tipp entspringt wohl eher der Ratlosigkeit eines Anlageprofis. Nicht-Anlegen ist aber keine Option. Möglichkeiten gibt es immer. Eine Übersicht mit Anlagethemen mit unterschiedlichem Risiko- und Schwierigkeitsgrad.
Kassenobligationen oder Bargeld?
Der andere Rat neben Kurzläufer-Bonds von El-Erian ist, Barmittel zu halten. Gar nicht investiert sein meinte er damit wohl nicht. Aber sehr Vorsichtige haben allenfalls Barmittel-Quoten erhöht. Das Risiko dabei ist, dass die Inflation Cash-Mittel entwertet.
Es gibt aber einen, noch schwachen, Lichtblick: Die Zeiten der Negativzinsen scheinen langsam ihrem Ende entgegenzugehen. Die schweizerische und die Eurozonen-Zentralbank verlassen die Minuszone bei den Leitzinsen. Wirklich kräftig Zinsen auf dem Bankkonto wird es noch nicht geben, aber Bargeld zu halten wird wenigstens bald nichts mehr mit einem Strafzins belegt.
Höchste Verzinsungen bei Kassenobligationen nach Laufzeiten
2 Jahre | 3 Jahre | 5 Jahre |
Cembra: 0,8 Prozent | Cembra: 1,25 Prozent | Cembra: 2 Prozent |
Nidwaldner Kantonal- bank: 0,8 Prozent | Acrevis: 1 Prozent | Acrevis: 1,15 Prozent |
Bank WIR: 0,7 Prozent (Termingeldkonto) | Regiobank: 0,9 Prozent | Baloise Bank SoBa: 1,1 Prozent |
Glarner Kantonal- bank: 0,65 Prozent | Bank WIR: 0,8 Prozent (Termingeldkonto) | Regiobank: 1,05 Prozent |
Raiffeisen: 0,6 Prozent (Termingeldkonto) | Obwaldner Kantonal- bank: 0,9 Prozent | CEA: 1 Prozent |
Anlagesumme: 20'000 Franken / Quelle: moneyland.ch
Deutlich angestiegen sind bereits die Zinsen von Kassenobligationen in der Schweiz. Für fünf bis zehn Jahre Laufzeit bezahlt die Cembra Money Bank, die im Vergleich die höchsten Zinsen offeriert, bereits wieder 2 Prozent. Vor einem Jahr lag der Satz bei 0,5 Prozent. Bei einem Betrag von 20'000 Franken beträgt der Unterschied der jährlichen Zinszahlung damit 300 Franken. Sollte der SNB-Zinssatz aber schnell und deutlich angehoben werden - was keineswegs sicher ist - könnten Bankkonto-Zinsen über eine mehrjährige Frist mehr Zins abwerfen als Kassenoblis.
Rettungsanker schlechthin: Dividenden-Aktien
In schwierigen Börsenzeiten steigt die Nachfrage nach defensiven Aktien in der Regel (mehr dazu von cash.ch hier). Vergolden kann man sich als Anlegerin oder Anleger ein defensives Investment mit einer hohen Dividendenrendite.
Dividenden bieten bereits einen gewissen Schutz gegen die Inflation. Werden die Dividendenzahlungen Jahr für Jahr unverzüglich in neue Aktien gesteckt, verstärkt sich zudem die Rendite der Anlage - im besten Fall massiv.
Top-Dividendenzahler in der Schweiz, Europa und den USA (Auswahl)
Schweiz | Europa | USA |
Swiss Re: 7,5 Prozent | Credit Agricole (F): 11,6 Prozent | AT&T: 6,5 Prozent |
Leonteq: 5,6 Prozent | Endesa (E): 8,4 Prozent | Verizon: 6,3 Prozent |
Mobilezone: 5,4 Prozent | Generali (I): 7,3 Prozent | IBM: 5,2 Prozent |
Bellevue: 5,3 Prozent | BASF (D): 7 Prozent | Gilead: 4,6 Prozent |
Helvetia: 5,2 Prozent | ING (NL): 6,7 Prozent | Kraft Heinz: 4,3 Prozent |
Daten: Bloomberg/eigene Recherchen.
Grund ist ein Zinseszins-Effekt, oder ein "Schneeballsystem" im positiven Sinne. Ertrag generiert neuen Ertrag. Gemäss der Vermögensverwaltung Schroders haben bei 25 Jahre Anlegen der Kapitalzuwachs inklusive Dividende für 323 Prozent Rendite gesorgt. Bei wieder angelegten Dividenden sind es hingegen 640 Prozent. Aus 1000 Franken ursprünglich angelegtem Kapital - Schroders nimmt den MSCI World Index als Basis - werden statt 3230 mit reinvestierten Dividenden 6400 Franken - natürlich, wenn man Gebühren ausklammert.
Average-Cost-Effekt: Gestaffeltes Anlegen ist krisenfest
Die Idee, Börsenkrisen zu umschiffen, liegt dem gestaffelten Anlegen zugrunde. Statt einmal zu investieren, wird regelmässig, am besten stur zu gewissen Zeitpunkten angelegt. Beispielsweise einmal im Monat, immer denselben Betrag, in ein diversifiziertes Portfolio kostengünstiger Exchange Traded Funds (ETF).
Damit nimmt man am Wert steigender Börsen teil, vermeidet aber die Folgen übermässiger Schwankungen. Bei tiefen Kursen werden mehr Wertpapiere gekauft, bei hohen Kursen weniger. Die Folge ist ein Durchschnittskosten-Effekt. Dies bringt langfristig weniger Rendite als ein spektakulär kursgesteigertes Einzelinvestment, aber im Falle mittel- und langfristig steigender Kurse trotzdem Wertsteigerung.
In dieser Strategie ist es zunächst egal, ob die Börsen in der Krise stecken oder gut laufen. Ein Moment tiefer Kurse wie jetzt ist sogar ein guter Zeitpunkt, um mit einem Wertschriftensparplan anzufangen: Die Preise sind gerade tief. Viele Banken, Finanzdienstleister, Fintechs oder Robo Advisor bieten gestaffeltes Anlegen an. Wer dies zudem steuergünstig machen will, kann dafür auch das Säule-3a-Wertschriftensparen wählen.
Contrarian-Investments - Und weshalb eigentlich nicht Gold?
Das kaufen, was alle ablehnen. Gegen den Strom schwimmen. Das ist das Rezept von Contrarians. In von der Börse "missverstandene" und abgestrafte Titel zu investieren ist keineswegs ein Va-Banque-Spiel. Contrarian-Fonds etwa unternehmen umfangreiches Research, um verborgene Stärken von Unternehmen zu finden. So ein Fond ist zum Beispiel der "Janus Henderson Contrarian" mit hauptsächlich US-Aktien, der dieses Jahr allerdings mit einer Minusperformance von 22 Prozent noch schlechter gelaufen ist als der Gesamtmarkt S&P 500 mit 18 Prozent Kursrückgang.
Typische Contrarian-Investments wären im Moment zum Beispiel die dieses Jahr schwer getroffenen Tech-Titel Tesla, Amazon, Nvidia oder im Schweizer Markt Logitech. Doch diese reagieren so empfindlich auf den Zinskurs der Notenbanken, so dass Prognosen zu stellen schwierig ist, all der gehäuften "Buy"-Empfehlungen zum Trotz. In der Schweiz könnte man Swatch oder Stadler Rail nehmen, doch dazu sind die konjunkturellen und geopolitischen Unsicherheiten im Moment einfach zu gross. Logischerweise haben auch Bitcoin und Co die Contrarian-Weihen: Die Fans der Kryptowährungen warten nur so auf einen Rebound, aber wann kommt dieser?
Ein Mauerblümchen-Dasein führt - und damit Contrarian-würdig ist - derzeit auch das Gold. Die Powell-Rede in Jackson Hole hat dem Goldpreis erneut zugesetzt. Steigende Zinsen setzen das keinen Zins abwerfende Gold unter Druck und der zu den übrigen wichtigen Währungen starke Dollar macht das Edelmetall weltweit teurer. Im März dieses Jahres noch über 2000 Dollar wert, notiert die Feinunze mit 1709 Dollar derzeit so tief wie im März 2021.
Gold-Bullen haben es im Moment in der Tat schwer. 1680 Dollar sind laut Marktanalyst Craig Erlam von Oanda ein Schlüssel-Level: Fällt der Kurs so tief, könnte es weiter bergab gehen. Wenn nicht, könnte sich auch wieder Optimismus breitmachen am Goldmarkt. Dem Goldpreis helfen würden einerseits schlechtere Wachstumszahlen oder Inflationsraten, die tiefer ausfallen als erwartet.
Short gehen: Die Erwartung fallender Kurse
Leerverkäufe ist zunächst etwas für die Profis - und dass diese sich immer wieder die Finger verbrennen, zeigt, wie riskant dieses Geschäft ist. Doch shorten, also auf fallende Kurse setzen, ist auch für Privatanleger möglich.
Dafür eignen sich beispielsweise Short-ETF. Im Gegensatz zu den long ausgerichteten ETF, die gerne für den langfristigen Vermögensaufbau eingesetzt werden, sind Short-ETF primär Spekulationsmittel für kurzfristige Trades. Auch mit Put-Optionen lässt sich trefflich auf fallende Kurse setzen. Schliesslich bedienen sich einige auch Mini-Futures für Shorts. Im Prinzip wettet man immer mit einem Emittenten, ob Kurse steigen oder fallen. Liegt man richtig, gibt es viel zu verdienen. Liegt man falsch, ist man den Einsatz los.
Für Short-Geschäfte braucht es eine starke Überzeugung, wie sich ein so genannte Basiswert entwickeln wird. Allein eine trübe Börsenstimmung wie jetzt garantiert aber noch keinen Gewinn mit einem Short-Vehikel.