Gut 100 km Luftlinie von der Bundesbankzentrale in Frankfurt entfernt liegt ein versteckter Bunker, der jahrzehntelang zu den bestgehüteten Geheimnissen Deutschlands gehörte. In dem 1962 errichteten Bauwerk in Cochem wurden D-Mark-Banknoten als Ersatzwährung gelagert — für den Fall, dass die Gegner im Kalten Krieg den Markt mit gefälschten Geldscheinen überschwemmen würden, um eine Hyperinflation auszulösen.

Glücklicherweise wurde die Notstandswährung nicht benötigt und 1988 vernichtet. Die Besorgnis der Deutschen über die Sicherheit ihres Geldes hält jedoch an. Etwas mehr als ein Jahr vor der Entscheidung über die Einführung einer digitalen Version des Euro kann sich rund die Hälfte der Einwohner nicht vorstellen, das virtuelle Geld zu benutzen.

Der Schutz der Privatsphäre ist die grösste Sorge, wobei die Deutschen unter den grösseren Mitgliedern der Eurozone in dieser Hinsicht am skeptischsten sind. Die anhaltende Vorliebe für Bargeld spiegelt sich in der Aussage von Bundesbankpräsident Joachim Nagel wider, Scheine und Münzen seien «heilig.»

Ein Ausflug in diesem Monat zum Bunker im Weinort an der Mosel bestätigte diese Einstellung. Eine Gruppe Rentner, die erst vor kurzem von der Existenz der Anlage erfuhren, stand der Möglichkeit eines digitalen Euro eher ablehnend gegenüber.

Eine ehemalige Bankangestellte sagte, Karten- und Online-Zahlungen vermittelten ihr bereits jetzt das Gefühl, keine Kontrolle über ihre Ausgaben zu haben. Andere meinten, eine digitale Währung könnte Deutschland in eine gefährliche Abhängigkeit von der Technologie bringen.

Hans Heinrich Klöppel, der 2010 bei der Deutschen Post in den Ruhestand ging und die Exkursion mitorganisierte, bezahlt die meiste Zeit lieber mit Bargeld, „aus Gewohnheit, glaube ich«. Bezeichnenderweise wollte ausser Klöppel niemand seinen Namen preisgeben.

Die Europäische Zentralbank, die den digitalen Euro entwickelt und Ende 2025 eine endgültige Entscheidung über seine Einführung treffen wird, ist sich der Ängste bewusst, die mit ihm verbunden sind.

Aus Gründen des Datenschutzes und der Sicherheit plant sie, Techniken wie Datenverschlüsselung und Hashing einzusetzen, um eine direkte Zuordnung von Transaktionen zu bestimmten Nutzern zu verhindern. Ausserdem soll die Währung über eine Karte — und nicht nur über Mobiltelefone — für die Offline-Nutzung verfügbar sein. Sie wird sich auch darum bemühen, weniger digital versierte Bürgerinnen und Bürger und marginalisierte Bevölkerungsgruppen zu erreichen.

“Wir stellen uns den digitalen Euro als eine digitale Form des Bargelds vor, die für alle digitalen Zahlungen verwendet werden kann und die neben dem physischen Bargeld existiert und niemanden zurücklässt», sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde im Oktober auf X, als die Vorbereitungsphase des Projekts eingeleitet wurde.

Sie muss nicht nur die Deutschen überzeugen, deren Kartenzahlungen stetig zunehmen. Länder wie Österreich, die Slowakei und Malta sind sogar noch begeisterter von Bargeld, während andere Euro-Länder in der Nachbarschaft wie die Niederlande es fast vollständig zugunsten digitaler Lösungen meiden.

Darüber hinaus sind jüngere Deutsche weniger empfindlich, wenn es um ihre Privatsphäre geht. Eine Studie ergab, dass 10% der 18- bis 24-Jährigen es ablehnen würden, persönliche Daten online zur Verfügung zu stellen — auch um die Servicequalität zu verbessern — im Vergleich zu einem Drittel der über 65-Jährigen.

Bundesbankpäsident Nagel ist optimistisch, dass selbst seine älteren Landsleute noch von den Vorteilen eines digitalen Euros überzeugt werden können.

«Die ältere Generation hole ich damit ab, dass ich ihnen sage, dass das Bargeld nicht verschwinden wird», sagte er im Juli auf dem G20-Gipfel in Rio de Janeiro. «Meine Mutter, die 92 ist, hole ich damit nicht mehr ab, das ist eine andere Generation, aber die ältere Generation, zu der ich dann auch bald gehöre, wenn ich in bald über 60 bin. Die sind heute so digitalaffin, die muss ich da ehrlich gesagt nicht mehr so richtig abholen. Die verstehen, was da passiert.»

Im Cochemer Bunker, in dem einst bis zu 15 Milliarden Deutsche Ersatz-Mark gelagert wurden, teilte Exkursionsleiter Klöppel die Zweifel seiner Mitbesucher am digitalen Euro, deutete aber auch Lernbereitschaft an.

«Du kannst dich davor nicht verschliessen», sagte er. «Du musst dich solchen Entwicklungen anpassen.»

(Bloomberg)