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Die neue Woche dürfte am Schweizer Aktienmarkt beginnen, wie die alte endet: Mit starken Kurs- und Stimmungsschwankungen. Überschattet wird das hiesige Handelsgeschehen vom Zinsentscheid der amerikanischen Notenbank vom Mittwochabend unserer Zeit.

Die Frage lautet nämlich nicht ob Notenbankchef "Jay" Powell und seine Entourage die Leitzinsen erhöhen werden, sondern vielmehr ob um 75 oder sogar 100 Basispunkte. Ich selber tendiere zu einem Zinsschritt von 75 Basispunkten, auch wenn dort die Konsumentenpreise im August weiter gegen oben entglitten sind.

Zwar stiegen die Konsumentenpreise im Vergleich zum Vormonat zwar nur um 0,1 Prozent. Im Jahresvergleich errechnet sich allerdings ein sattes Plus von 8,3 Prozenten. Ökonomen waren von einem leichten Rückgang der Jahresteuerung auf 8,1 Prozent ausgegangen.

Zugegeben: Dass zwei Zehntelprozente Unterschied gegenüber den Erwartungen gleich ein kleines Börsenbeben auslösen, erscheint auch mir übertrieben. Die Kombination aus nahendem grossem Derivatverfall und schlechten Nachrichten erwies sich rückblickend allerdings als eine ziemlich toxische Mischung. Allerdings lässt der Anstieg der Kernrate um 0,6 Prozent gegenüber dem Vormonat durchaus aufhorchen. Da die Kernrate die stark schwankenden Energie- und Nahrungsmittelpreise ausklammert, kann man nicht länger nur den Energiepreisen die Schuld in die Schuhe schieben.

In den Vereinigten Staaten sind die Konsumentenpreise nunmehr schon seit 27 Monaten in Folge im Steigen begriffen. Neugierig wie ich bin, habe ich mal nachgerechnet: Zwischen August 2020 und August dieses Jahres haben dortige Konsumentinnen und Konsumenten nicht weniger als 14 Prozente an Kaufkraft eingebüsst. Und ich möchte nicht wissen, wie dieses Ergebnis ohne die Dollarstärke mit ihrer teuerungsdämpfenden Folgen aussehen würde.

Bei solchen Zahlen erstaunt es nicht, wenn die Ökonomen der Credit Suisse die amerikanische Notenbank die Leitzinsen bis Ende Jahr in die Region von 4 bis 4,25 (zuvor 3,5 bis 3,75) Prozenten erhöhen sehen. In der Spitze rechnen sie im Laufe des nächsten Jahres sogar mit Leitzinsen in Höhe von bis zu 4,5 (zuvor 4) Prozenten. Interessant ist, dass man bei der Schweizer Grossbank selbst vor dem Hintergrund solcher Zinsprognosen partout nicht an eine wirtschaftliche Rezession glauben will.

Im Hinblick auf den Zinsentscheid vom nächsten Mittwoch steht auch dem Schweizer Aktienmarkt eine bewegte Woche bevor. Ich wäre jedenfalls nicht überrascht, wenn sich die Nervosität ab Donnerstag wieder etwas legen würde – getreu dem angelsächsischen Motto "sell the Rumors, buy the Facts".

Genau zwei Wochen ist es nun her, dass ich von "neuen Jahrestiefstkursen wohin man auch schaut" berichtete. Ich hielt in diesem Zusammenhang wie folgt fest:

Setzte sich die Liste zu diesem Zeitpunkt aus 10 Aktien zusammen, hat sich deren Anzahl mit jenen von Adecco, Also, AMS Osram, Arbonia, Bachem, Barry Callebaut, Bossard, Bystronic, Crealogix, Dätwyler, Dormakaba, Emmi, Ems-Chemie, Forbo, Geberit, Givaudan, Gurit, Hochdorf, Inficon, Interroll, Kardex, Klingelnberg, Lonza, Montana Aerospace, Medmix, Rieter, Schindler, SFS Group, Sika, Sonova, Straumann, Schweiter, V-Zug und Zur Rose mal eben schnell verdreifacht.

Credit Suisse setzt zwei bei cash-Lesern beliebte Schweizer Aktien auf die Abschussliste


Den erfolgsverwöhnten Aktionärinnen und Aktionären von Dätwyler bietet sich in diesen Tagen ein ungewohntes Bild. Bei Kursen von 400 Franken und mehr schien es für die Valoren des Unternehmens aus Altdorf kein Bremsen mehr zu geben. Jetzt, bei Kursen unter 170 Franken beissen kaum noch Käufer an.

Mitunter ein Grund dürfte die neuste Kaffee-Offensive der Migros sein. Die Angst ist gross, dass der "orange Riese" den anderen Kapselanbietern mit seinen Kaffeekugeln wertvolle Marktanteile abluchst. Was der legendäre Talkshow-Moderator Jimmy Fallon amüsant finden mag, dürfte Dätwyler als Nespresso-Zulieferer so gar nicht zum Lachen zumute sein. Merkwürdigerweise kamen Aluflexpack – auch das ein Nespresso-Zulieferer – an der Börse mit einem leichtblauen Auge davon. Vielleicht liegt das ja am breiter abgestützten Kundenstamm.

Kommen wir auf die UBS zu sprechen. Die grösste Schweizer Bank stellt den Aktionärinnen und Aktionären fürs laufende Jahr eine um 10 Prozent höhere Dividende in Aussicht. Ausserdem dürfte das Aktienrückkaufprogramm üppiger als ursprünglich geplant ausfallen.

Davon können die leidgeplagten Anteilseigner der Erzrivalin Credit Suisse bloss träumen. Nach den milliardenschweren Verlusten aus dem Archegos-Debakel und der unrühmlichen Rolle der Grossbank in der Affäre um den australischen Financier Lex Greensill müssen sie sich auf Jahre hinaus mit deutlich magereren Dividenden zufriedengeben.

Kursentwicklung der UBS-Aktien (rot) im 12-Monats-Vergleich mit jenen der Credit Suisse (grün) (Quelle: www.cash.ch)

Es macht schon fast ein bisschen den Anschein, als wollte die UBS den Aktionärinnen und Aktionären der Credit Suisse mit der Dividendenerhöhung bloss den Mund wässrig machen. Die Aktienkursentwicklung der beiden Schweizer Grossbanken spricht Bände - und das nunmehr schon seit Jahren.

Für eine geradezu spektakuläre Kehrtwende sorgt heute Freitag die Citigroup bei Idorsia. In einer 20 Seiten starken Unternehmensstudie stuft der Pharmaanalyst Peter Verdult die Aktien des Baselbieter Pharmaunternehmens von "Buy" auf "Sell" herunter. Gleichzeitig streicht er das Kursziel auf 13 (zuvor 33) Franken zusammen.

Er zeigt sich vom Verkaufsstart für das Schlafmittel Quviviq enttäuscht und sieht sich dazu gezwungen, seine Umsatzschätzungen für das Medikament empfindlich zu kürzen. Darauf abgestützt sieht der Analyst das Unternehmen die Gewinnschwelle frühestens 2026 erreichen.

Kursentwicklung der Idorsia-Aktien seit April 2020 (Quelle: www.cash.ch)

Für Gesprächsstoff sorgt insbesondere das Worst-Case-Szenario der amerikanischen Investmentbank, errechnet sich darauf abgestützt doch gerade einmal ein fairer Aktienkurs von 1,70 Franken. Mich würde brennend interessieren, was das Gründer-Ehepaar Martine und Jean-Paul Clozel wohl von solchen Berechnungen hält.

Ich habe mich noch kurz schlau gemacht, auf wann die Kaufempfehlung der Citigroup zurückgeht – nämlich auf Mitte April 2020, als für die Valoren von Idorsia noch Kurse von 25 Franken und mehr bezahlt wurden. Das macht jeglichen weiteren Kommentar überflüssig.

Nach den Strapazen der letzten Tage wünsche ich allen meinen Leserinnen und Lesern ein erholsames Wochenende. Nächsten Freitag erscheint die letzte Börsenwoche im Schnelldurchlauf vor meinen Herbstferien.

 

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