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Der heutige Donnerstag hat es faustdick hinter den Ohren. Ich zähle bei uns am Schweizer Aktienmarkt nicht weniger als 16 Unternehmen, welche mit ihren Quartals- oder Halbjahresergebnissen aufwarten – von "B" wie Bachem bis "V" wie Vontobel. Es sind Tage wie diese, die uns Wirtschaftsjournalisten und Börsenkolumnisten mal eben schnell in Schnappatmung versetzen. Ich kann mich jedenfalls in meiner mehr als dreissigjährigen Zeit an der Börse nicht an einen auch nur annähernd so mit Zahlen vollbepackten Tag wie den heutigen erinnern.
Dennoch habe ich mir die Zeit genommen, mich etwas eingehender mit den Zahlenkränzen zu beschäftigen. Da wäre einmal jener von Nestlé. Dem Weltmarktführer aus Vevey war es in der ersten Jahreshälfte möglich, die Absatzpreise um durchschnittlich knapp 10 Prozent zu steigern. Das alleine ist schon ziemlich beachtlich.
Doch der eigentliche Lichtblick – so ist man sich in Analystenkreisen einig – sind die zuletzt erzielten Margenverbesserungen. In Folge dessen übertrifft der operative Halbjahresgewinn mit 7,9 Milliarden Franken selbst die kühnsten Erwartungen.
Mein persönlicher Lichtblick ist übrigens einmal mehr das flotte Wachstum im zukunftsträchtigen Onlinevertrieb. Nestlé steigerte den Umsatz über diesen Absatzkanal im Jahresvergleich um gut 13 Prozent. Mittlerweile steuert der Onlinevertrieb fast 17 Prozent zum Gruppenumsatz bei. Das macht Nestlé zwar nicht gleich zur nächsten Amazon. Beeindruckend sind diese Wachstumsraten aber alleweil.
Kursentwicklung der Nestlé-Aktien seit Jahresbeginn (Quelle: www.cash.ch)
Vermutlich ist die rückläufige Mengenentwicklung schuld an der eher etwas unterkühlte Reaktion der Börse. Wie der bekannte Nahrungsmittelanalyst Jon Cox von Kepler Cheuvreux schreibt, scheint die Börse der Volumenentwicklung bei Nestlé und Co vermehrt wieder Beachtung zu schenken. Cox zeigt sich allerdings nicht sonderlich besorgt und preist das SMI-Schwergewicht wie bis anhin mit einem Kursziel von 135 Franken zum Kauf an. Auch sein Berufskollege Elmar Sieber von der Basler Kantonalbank bleibt zuversichtlich und stuft die Valoren weiterhin mit "Übergewichten" ein. Er kürzt sein Kursziel auf 125 (zuvor 127) Franken, um dem zunehmenden Wettbewerbsdruck bei Nespresso Rechnung zu tragen – einem weiteren möglichen Grund für das ausbleibende Kursfeuerwerk.
Aufatmen dürfen die Anteilseignerinnen und Anteilseigner von Roche. Dass der Halbjahresumsatz mit 29,8 Milliarden Franken etwas hinter den von Analysten erwarteten 30 Milliarden Franken zurückliegt, ist vor allem eine Folge des starken Frankens. Um den währungsseitigen Gegenwind bereinigt wäre der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozent gestiegen. Auch dass der operative Kerngewinn mit 10,9 Milliarden Franken etwas höher als gedacht ausfällt, zeigt, dass die Hausaufgaben am Hauptsitz in Basel gemacht wurden.
Erfreulich entwickelt sich auch das erst kürzlich auf den Markt gebrachte Augenmedikament Vabysmo, steuerte dieses im zweiten Quartal doch 525 Millionen Franken zum Gruppenumsatz bei. Doch wo Licht ist, da ist bekanntlich auch Schatten: So verkaufte sich mit Lucentis ein anderes Augenmittel etwas weniger gut als erhofft. Das eine Medikament scheint das andere zu kannibalisieren.
Dennoch ist der vorliegende Zahlenkranz arm an Überraschungen. Die von den amerikanischen Leerverkäufern erhoffte Enttäuschung bleibt aus.
Mit einem überzeugenden Halbjahresergebnis wartet Holcim auf. Unter dem langjährigen Firmenchef Jan Jenisch mausert sich der Baustoffhersteller immer mehr zum Musterschüler. Nicht nur beim Umsatz, auch beim wiederkehrenden Betriebsgewinn übertrifft das Unternehmen einmal mehr selbst die kühnsten Erwartungen.
Wer sich eine weitere Erhöhung der diesjährigen Vorgaben erhofft hatte, wird jedoch enttäuscht. Diesbezüglich bleibt alles beim Alten. Das wiederum dürfte auch damit zu tun haben, dass bereits die jetzigen Vorgaben eine Belebung in der zweiten Jahreshälfte voraussetzen.
Das Kursplus von fast drei Prozent ist übrigens auf ermutigende Aussagen der Firmenverantwortlichen in Bezug auf grosse Infrastrukturaufträge in Nordamerika zurückzuführen. Mit einem Abschwung in den eigenen Absatzmärkten rechne man nicht, wie es seitens des Unternehmens weiter heisst.
Applaus gibt es auch für den Halbleiterausrüster Inficon. Die Aktien führen die Liste der Tagesgewinner an der Schweizer Börse mit zweistelligen Kursgewinnen an. Das überrascht beim Blick auf die Geschäftsentwicklung im zweiten Quartal nicht.
Kursentwicklung der Aktien von Inficon im Tagesverlauf (Quelle: www.cash.ch)
Mit einem Umsatz von 171 Millionen Dollar und einem operativen Gewinn in Höhe von 33,3 Millionen Dollar übertrifft das Unternehmen die bei 155,1 Millionen Dollar beziehungsweise 28,4 Millionen Dollar liegenden Analystenerwartungen ziemlich deutlich.
Neuerdings geht man bei Inficon von einem Jahresumsatz zwischen 610 und 640 Millionen Dollar (zuvor 570 bis 610 Millionen Dollar) aus. An den Margenvorgaben ändert sich hingegen nichts. Trotzdem werden viele Analysten ihre Gewinnschätzungen erhöhen müssen.
Auf eine deutlich verhaltenere erste Jahreshälfte blickt die VAT Group zurück. Mit gut 29 Prozent liegt die operative Gewinnmarge weit unter dem Zielkorridor von 32 bis 37 Prozent zurück. Neuerdings geht der Vakuumventilhersteller aus dem Rheintal denn auch für das Gesamtjahr von einer operativen Gewinnmarge aus, die leicht darunter liegt.
Für das laufende Quartal strebt das Unternehmen einen Umsatz zwischen 190 und 220 Millionen Franken an. Analysten hatten durchschnittlich mit einem Quartalsumsatz in Höhe von 243 Millionen Franken gerechnet, wie UBS-Analyst Joern Iffert schreibt. Er preist die Aktien mit einem 12-Monats-Kursziel von 375 Franken zum Kauf an.
Dass die Valoren in den Genuss von Kursgewinnen kommen, lässt sich einerseits mit der Ernennung von Urs Gantner zum künftigen Firmenchef und andererseits mit der Erkenntnis erklären, dass die Auftragsentwicklung die Talsohle durchschritten haben dürfte.
Trotz einer deutlich besser als erwarteten ersten Jahreshälfte geben die Aktien der Bank Vontobel ihre vorbörslichen Kursgewinne von bis zu 2 Prozent wieder preis. Das überrascht insofern, als dass der Gruppengewinn mit 127,6 Millionen Franken die bei 118,5 Millionen Franken liegenden Analystenschätzungen klar übertrifft.
Nicht so gut kommt der anhaltende Abfluss von Kundenvermögen im Asset Management der Zürcher Bank an. Auf Gruppenebene resultiert deshalb sogar ein Neugeldabfluss in Höhe von 900 Millionen Franken. Sprich: Die Bank Vontobel kann kaum Nutzen aus dem Kollaps der Credit Suisse ziehen.
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