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Der Leerverkäufer ist in diesen Tagen eine einsame Spezies – auch wenn der tiefe Fall des einstigen deutschen Börsenüberfliegers Wirecard eigentlich etwas ganz anderes vermuten liesse. Am Schweizer Aktienmarkt wird mittlerweile sogar offen Jagd auf Leerverkäufer gemacht, wie sich am Beispiel von Meyer Burger eindrücklich zeigt. Aggressive Deckungskäufe liessen die Kurse beim Solarzulieferer aus dem bernischen Gwatt mal eben schnell durch die Decke gehen.

Am gestrigen Dienstag kommentierte ich dieses Kursfeuerwerk mit folgenden Worten:

Es sind Nachrichten wie diese, die zähnefletschende Bestien zu handzahmen Schosshündchen werden lassen. Allerdings muss sich bei Meyer Burger erst noch zeigen, ob an den Spekulationen auch wirklich etwas Wahres ist. Eine gesunde Portion Schadenfreude sei mir an dieser Stelle allerdings schon mal gegönnt, geht es bei orchestrierten Angriffen der Leerverkäufer auf ein Unternehmen doch nicht selten um dessen Existenz – und damit auch um jene der gesamten Belegschaft.

Dass die Leerverkäufer auf dem  Rückzug sind, lassen auch die jüngsten Erhebungen der New York Stock Exchange (NYSE) erahnen. Regelmässige Leserinnen und Leser meiner Kolumne wissen: Für mich sind diese alle zwei Wochen erscheinenden Statistiken zu einer Pflichtlektüre geworden. Schliesslich lassen sie auch wichtige Rückschlüsse von den Wetten der Leerverkäufer gegen die in New York gehandelten Aktien von Unternehmen aus dem Swiss Market Index (SMI) auf die hierzulande vorherrschenden Machtverhältnisse zu.

Von der wohl auffälligsten Entwicklung gibt es beim Pharma- und Diagnostikkonzern Roche zu berichten. Liefen in New York bis vor wenigen Wochen noch Wetten im Umfang von vier Millionen American Deposit Receipts (ADRs) oder mehr gegen die Basler, waren es zuletzt keine 400'000 Titel mehr.

Kursentwicklung der in der Schweiz gehandelten Genussscheine von Roche über die letzten zwölf Monate (Quelle: www.cash.ch).

Amerikanische Leerverkäufer bringen nicht länger den Mut auf, um gegen Roche zu spekulieren. Denn gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Pharma- und Diagnostikkonzern in etwas weniger als einem Monat mit einem überzeugenden Halbjahresergebnis nachlegt. Und bekanntlich scheut das gebrannte Kind das Feuer.

Ebenfalls stark rückläufig waren zuletzt die Wetten gegen ABB. Der neue Firmenchef Björn Rosengren dürfte ganze Arbeit geleistet haben, als er sich kürzlich der Öffentlichkeit stellte. Als abschreckend könnte sich aus Sicht der Leerverkäufer erweisen, dass Rosengren sämtliche Geschäftsbereiche auf Herz und Nieren prüfen will. Aktivitäten, die unter dem Dach eines Rivalen besser aufgehoben sind, sollen verkauft werden. Hinzu kommt das milliardenschwere Aktienrückkaufprogramm, welches schon in wenigen Wochen anlaufen und ab dann noch einmal für höhere Kurse sorgen könnte.

Gegen ein Unternehmen aus dem SMI haben amerikanische Leerverkäufer ihre Wetten zuletzt kräftig ausgebaut. Die Ausnahme bestätigt schliesslich die Regel. In New York waren zuletzt gut 73'000 Titel des Pharmazulieferers Lonza leerverkauft. Das ist auf den ersten Blick zwar nicht viel, entspricht aber dennoch einer Verachtfachung – und das innerhalb von gerade einmal zwei Wochen.

Die Aktien von Lonza hatten zuletzt wieder Auftrieb (Quelle: www.cash.ch)

Mich überrascht diese Skepsis nicht. Nur wenige Wochen, nachdem das Unternehmen aus Basel eine Zusammenarbeit mit der amerikanischen Moderna auf dem Gebiet der Entwicklung und Herstellung eines Covid19-Impfstoffs bekanntgab, ist sein Börsenwert um vier Milliarden Franken gestiegen. Das wiederum steht in einem völligen Missverhältnis zu den jährlich 10 Millionen Franken, welche die Herstellung eines solchen Impfstoffs der UBS zufolge in die Kassen spülen könnte.

An dieser Stelle möchte ich einmal mehr die Schweizer Börse SIX rügen. Anders als die New York Stock Exchange hält sie es nämlich nicht für nötig, öffentlich zugängliche Leerverkaufsstatistiken zu führen. Findige Beratungsfirmen wie IHS Markit springen in die Bresche und lassen sich fürstlich für eigene Statistiken bezahlen. Das Nachsehen haben die nicht ganz so finanzkräftigen Marktakteure. Sie können sich solche Informationen gar nicht erst leisten. Das macht den hiesigen Aktienmarkt schon fast zur Zweiklassen-Gesellschaft. Fragt man sich doch: Will man das als Börsenbetreiberin?

 

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