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Schon seit Wochen bietet sich den erfolgsverwöhnten Aktionärinnen und Aktionären des Pharmazulieferers Bachem, des Dentalimplantateherstellers Straumann, des Laborausrüsters Tecan oder des Aromen- und Duftstoffspezialisten Givaudan ein ungewohntes Bild: Die Kursentwicklung zeigt nicht wie gehabt nach oben, sondern steil nach unten. So steil, dass sich auf der Liste der diesjährigen Börsenschlusslichter dieses "Wer-ist-Wer" der Überflieger vergangener Tage die Ehre gibt.

Ein Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt, dass die Kursrekorde bei einigen dieser Aktien sogar noch etwas weiter zurückliegen. Kosteten die Valoren von Bachem Mitte Oktober in der Spitze bis zu 855 Franken, waren es zuletzt keine 530 Franken mehr. Auf dem Weg dahin war es dem Pharmazulieferer mal eben noch schnell möglich, seinen Finanzierungsappetit mit der Ausgabe 750'000 neuer Aktien zu 778 Franken das Stück zu stillen. Das Nachsehen hat, wer damals erwartungsvoll zulangte.

Bei den Valoren von Tecan muss man in den September zurückgehen, als die Euphorie rund um die kurz zuvor bekannt gewordene Übernahme von Paramit die Kurse auf etwas mehr als 600 Franken steigen liess. Kaum ein Analyst, der die teure Übernahme damals nicht wohlwollend beurteilte.

Eine gesunde Portion Schadenfreude dürfte insbesondere beim Vermögensverwalter Invesco mitschwingen, nutzten die Amerikaner nur wenige Monate später doch ein erneutes Aufbäumen des Aktienkurses, um sich nahe des Rekordhochs aus dem Aktionariat des Laborausrüsters zurückzuziehen.

Kursentwicklung der Aktien von Bachem (grün), Straumann (rot) und Tecan (gelb) über die letzten fünf Jahre (Quelle: www.cash.ch)

Genau in diese Zeit fällt übrigens die Bestmarke der Valoren von Straumann bei etwas mehr als 2100 Franken. Gestern Dienstag legte der Weltmarktführer aus Basel seinen Zahlenkranz für das vergangene Geschäftsjahr vor. Und dieser kann sich sehen lassen: Der Umsatz stieg um beachtliche 42 Prozent und lag erstmals in der Firmengeschichte bei etwas mehr als 2 Milliarden Franken. Unter dem Strich blieben rund 400 Millionen Franken beim Unternehmen hängen – dreimal mehr als im Jahr zuvor. Beides hatten die Analysten allerdings auf dem Radar.

Im laufenden Jahr könnte es beim Dentalimplantatehersteller hingegen etwas gemächlicher zu und her gehen. Das organische Umsatzwachstum dürfte sich in den tiefen zweistelligen Prozentbereich verlangsamen. Dass bloss mit einer operativen Kernmarge (EBIT) von rund 26 Prozent zu rechnen ist, sorgte am gestrigen Dienstag zumindest im frühen Handel für enttäuschte Gesichter. Im weiteren Handelsverlauf setzte sich dann aber die Erkenntnis durch, dass Straumann wie schon so oft absichtlich tiefstapeln könnte.

Anders als bei den drei erstgenannten Aktien schrieben jene von Givaudan am ersten Handelstag des neuen Jahres bei 4870 Franken noch neue Kursrekorde. Mittlerweile ist den Aktionärinnen und Aktionären wohl nicht mehr zum Feiern zu mute, sind die Valoren des Aromen- und Duftstoffherstellers doch deutlich günstiger zu haben. Das Mitte Januar veröffentlichte Jahresergebnis war beileibe kein Ruhmesblatt. Und auch die zukunftsgerichteten Aussagen der Genfer deuten anhaltenden Margendruck an.

Die genannten Wachstumsaktien – und mit ihnen viele weitere mehr – wurden in den vergangenen Wochen und Monaten etwas sehr harsch abgestraft. Mitunter ein Grund waren die zuletzt stark gestiegenen Zinsen.

Man muss jedoch kein alteingesessener Börsenfuchs sein, um erahnen zu können, dass sich die in der zweiten Hälfte letzten Jahres bezahlten Kurse kaum noch rechtfertigen liessen. Kurs-Gewinn-Verhältnisse von 80 oder mehr waren da schon fast an der Tagesordnung.

Ich könnte mir gut vorstellen, dass die hiesigen Wachstumsaktien in den nächsten Wochen und Monaten durchaus zu einer Erholung ansetzen könnten, sofern es die Zinsentwicklung denn zulässt.

Wie mir berichtet wird, sehen diejenigen Marktakteure, die den Höhenflug der Nebenwerte in den letzten Jahren verpasst haben, in der jetzigen Kursschwäche eine günstige Kaufgelegenheit. Angeblich fliessen nicht eben wenigen Schweizer Nebenwertefonds so zig Millionen an neuen Kundengeldern zu. Das wiederum scheint meine Beobachtung von letzter Woche bestätigen zu wollen, als ich davon berichtete, dass mit der Fondstochter der UBS und mit Swisscanto gleich zwei prominente Schweizer Fondsgesellschaften im grossen Stil Nebenwerte zukaufen.

Beteiligungsmeldungen am Laufmeter: Zwei bekannte Fonds langen im grossen Stil bei Schweizer Nebenwerten zu

Die Bewährungsprobe – oder besser gesagt die Stunde der Wahrheit – folgt nach dieser Erholung. Verhält es sich wie bei früheren Exzessen, werden wir die Höchstkurse aus der zweiten Hälfte letzten Jahres wohl für lange Zeit nicht mehr wiedersehen.

Ich habe die verschiedenen Phasen nachstehend am Beispiel des Aufstiegs und Falls der Aktien des Börsenüberfliegers Zur Rose von 2021 dokumentiert. Womöglich gehen wir bei den meisten der hiesigen Wachstumsaktien von der zweiten (2) in die dritte (3) Phase über. Sowieso sollten der steile Aufstieg und der darauffolgende tiefe Fall dieser Aktien den Wachstumsinvestoren eine Warnung sein. Auch der Lausanner Unterhaltungselektronikhersteller Logitech zeigt, wie nahe Erfolg und Misserfolg bei gefeierten Wachstumsaktien manchmal beieinanderliegen.

Die Anatomie eines Börsenexzesses, illustriert am Beispiel der Zur-Rose-Aktien: 1.) Exponentieller und gegen Ende von Euphorie begleiteter Kursanstieg 2.) Distributionsphase mit anschliessendem Rücksetzer 3.) Schnäppchenjäger und diejenigen, die den ersten Anstieg verpasst haben, kaufen sich  ein 4.) Kapitulation, bis irgendwann die Talsohle erreicht ist (Quelle: www.cash.ch)

An dieser Stelle möchte ich noch kurz ein paar Worte zur Zinsentwicklung verlieren. Seit Donnerstag wissen wir, dass die amerikanischen Konsumentenpreise im Januar um 7,5 Prozent über dem Vorjahresmonat lagen. Auch die Kernrate – sie klammert die stark schwankenden Energie- und Nahrungsmittelpreise aus - stieg um beachtliche 6 Prozent. Ökonomen hatten mit einer etwas zahmeren Teuerungsentwicklung gerechnet.

Dass die Rendite zehnjähriger amerikanischer Staatsanleihen nach einem Vorstoss auf über 2 Prozent am Freitag wieder ins Rutschen geriet, lässt sich mit Safe-Haven-Käufen erklären, losgetreten von Berichten rund um eine bevorstehende Invasion der Ukraine durch Russland.

Allerdings ändert das nichts daran, dass die Wahrscheinlichkeit einer Leitzinserhöhung um 50 Basispunkte durch die amerikanische Notenbank an ihrem Treffen vom kommenden März zuletzt auf mehr als 50 Prozent gestiegen ist. Selbst Rufe nach einem "Emergency Hike" und damit einem ausserplanmässigen Zinsschritt werden laut.

Steigende Zinsen sind bekanntlich Gift für Wachstumsaktien vom Schlag von Straumann und Co. Die Rechnung ist denkbar einfach: Je höher die Zinsen, desto geringer der auf den heutigen Tag abdiskontierte Wert künftiger Gewinne.

Regelmässige Leserinnen und Leser meiner Kolumne wissen, dass ich von den Produzentenpreisen Rückschlüsse auf die künftige Entwicklung der Konsumentenpreise ziehe. Dies aus dem einfachen Grund, dass es Unternehmen nur mit zeitlicher Verzögerung möglich ist, steigende Herstellkosten über Preiserhöhungen weiterzugeben. Die seit gestern Dienstag bekannten amerikanischen Produzentenpreisindizes lassen vermuten, dass der Teuerungsdruck noch nicht ausgestanden ist. Die alles entscheidende Frage für hiesige Wachstumsaktien lautet nun: Wie reagiert die amerikanische Notenbank darauf...?

 

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