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So spekulationsgetrieben wie in den letzten fünf Handelstagen war das Schweizer Börsengeschehen schon eine ganze Weile nicht mehr. Ob das nun auf eine Überhitzung schliessen lässt oder nicht, wird sich zeigen müssen.

Langjährige Leserinnen und Leser meiner Kolumne wissen: Für mich sind Gerüchte das Salz und Pfeffer, die dem täglichen Börsengericht überhaupt erst den richtigen Pepp geben. Doch genauso wie in der Küche, macht zu viel Würze das Gericht ungeniessbar.

Zu Wochenbeginn drehte das Gerüchtekarussell bei Aryzta, nachdem der Backwarenhersteller der Schweizer Börse SIX den Kauf von Aktien im Gegenwert von fast 11 Millionen Franken durch einen nicht namentlich genannten Verwaltungsrat gemeldet hatte.

Schnell war klar, dass es sich beim ominösen Käufer eigentlich fast nur um Heiner Kamps handeln kann. Ihm flossen im Jahr 2002 aus dem Verkauf seines Backwarengeschäfts mit über 100 Filialen an die italienische Barilla schätzungsweise einst mehr als 60 Millionen Euro zu.

Ich kommentierte den Titelkauf wie folgt:

...und...

Das würde auch erklären, weshalb die Aktien von Aryzta die Kursgewinne der ersten Wochenhälfte wieder abgeben mussten.

Die Freude der Aryzta-Aktionäre über das Kursfeuerwerk hielt nicht lange (Quelle: www.cash.ch)

Noch grössere Wellen warf zur Wochenmitte ein Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg, wonach sich das japanische Investmentvehikel Softbank mit nicht weniger als 5 Milliarden Dollar beim Pharma-Urgestein Roche eingekauft habe. Die Autoren des Berichts beriefen sich dabei auf gut informierte Kreise.

Die Financial Times spann den Faden gestern Donnerstag weiter und verriet, dass Akshay Naheta die treibende Kraft hinter der Beteiligungsnahme gewesen sei. Der früher für die Deutsche Bank tätige Naheta gilt als Architekt der milliardenschweren Derivatwetten auf die Aktien amerikanischer Tech-Giganten wie Apple, Microsoft oder Amazon.com, mit denen Softbank im letzten Herbst als übermächtiger "Börsen-Wal" in die internationalen Schlagzeilen geriet.

Ich will nicht behaupten, dass sich die Beteiligungsnahme schon vor Monaten angekündigt hatte. Wer meine diesjährige Berichterstattung rund um Roche etwas enger mitverfolgte, der weiss, dass ich Anfang März erstmals von ungewöhnlichen Handelsaktivitäten berichtete. Anfang April und Ende Mai machte ich dann den ungewöhnlich hohen "Écart" zwischen den Inhaberaktien und den Genussscheinen zum Thema. Für mich war spätestens da klar, dass sich jemand bei Roche einnistet.

Gestern Donnerstag hielt ich Folgendes fest:

...und...

Bei einem Kurs von knapp 400 Franken für die Inhaberaktien frage ich mich, wie lange der Rivale Novartis in seiner Rolle als Ankeraktionär der Versuchung noch widerstehen kann, sich vom Roche-Paket oder zumindest Teilen davon zu trennen? Aus der wenig ruhmreichen Ära Daniel Vasellas sitzt Novartis noch immer auf 53,3 Millionen Inhaberaktien. Langsam setzt sich an der Börse die Erkenntnis durch, dass dieses Aktienpaket seit Jahresbeginn um fast 30 Prozent an Wert dazugewonnen hat, was ebenfalls Spekulationen hochkochen lässt.

Ein Vorschlag in Güte: Weshalb schütten die Basler ihren Aktionärinnen und Aktionären die besagten Aktien nicht einfach in Form einer Sachdividende aus? So könnten diese dann selber entscheiden, ob sie daran festhalten oder diese veräussern – ein Rezept, mit dem sich schliesslich auch schon bei Alcon zusätzliche Aktionärswerte schaffen liessen.

Bei Vifor Pharma wird mittlerweile auf satte ausserordentliche Wertberichtungen auf der milliardenschweren Übernahme der amerikanischen Relypsa spekuliert. Stein des Anstosses: Der wichtigste Wirkstoff von Relypsa, der Kaliumbinder Veltassa, verkaufte sich auch in der ersten Hälfte dieses Jahres eher schlecht als recht. Mit 55 Millionen Franken verfehlte der Umsatzbeitrag von Veltassa die bei 118 Millionen Franken liegenden Analystenerwartungen einmal mehr ziemlich deutlich.

Aktienkursentwicklung bei Vifor Pharma rund um die Ergebnisveröffentlichung herum (Quelle: www.cash.ch)

Zeitweise wurden die Aktien des Pharmaherstellers aus St. Gallen gestern Donnerstag dann auch mit Kursverlusten von bis zu fünf Prozent abgewatscht. Nicht ganz grundlos, wie ich finde.

Zur Erinnerung: Darf man Gerüchten Glauben schenken, dann buhlen Finanzinvestoren schon eine ganze Weile um Vifor Pharma. Angesichts der Kombination aus einem gedrückten Aktienkurs und einer grundsoliden Bilanz mit Nettobarmitteln in Höhe von 87 Millionen Franken kann man das den Interessenten nicht verübeln.

Mut beweist Sibylle Bischofberger bei Sonova. Die für Vontobel tätige Medizinaltechnikanalystin stuft die Aktien des Hörgeräteherstellers aus Stäfa mit einem Kursziel von 430 (zuvor 340) Franken von "Hold" auf "Buy" herauf – und katapultiert die Papiere damit in neue Kurssphären.

Bischofberger sieht in der innovativen Technologieplattform Paradise auf Jahre hinaus einen Wachstumstreiber. Auch für die erst kürzlich übernommenen Geschäftsaktivitäten findet sie lobende Worte. Und selbst das nicht unumstrittene Geschäft mit Hörimplantaten wähnt die Analystin vor einem Wachstumsschub.

Eine späte Erkenntnis, wenn man bedenkt, dass Bischofberger die Papiere von Sonova noch bis Mitte Januar dieses Jahres bloss mit "Reduce" und einem Kursziel von gerade mal 193 Franken einstufte.

Neugierig wie ich bin, habe ich mich mal eben schnell schlau gemacht: Die Verkaufsempfehlung geht auf Ende Juni 2019 zurück, als Kurse von 225 Franken und weniger bezahlt wurden.

An dieser Stelle möchte ich noch auf den Euro zu sprechen kommen. Die Europäische Einheitswährung schmierte diese Woche gegenüber dem Franken regelrecht ab. Von Dienstag auf Mittwoch kostete ein Euro im asiatischen Handel zeitweise keine 1,0720 Franken mehr. Das ist so wenig wie noch nie in diesem Jahr, was auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Handelsräumen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) nicht entgangen sein dürfte, als diese am Mittwochmorgen an den Arbeitsplatz zurückkehrten.

Wer oder was hinter der seit Wochen zu beobachtenden Frankenstärke steckt, ist nicht bekannt. "Safe-Haven"-Zuflüsse sind es jedenfalls nicht. Für solche ist die Situation an den Finanzmärkten schlichtweg zu entspannt. Ähnliches liesse sich über die geopolitische Lage sagen.

Geht es nach Chris Turner von der niederländischen ING, dann wird die SNB momentan denn auch von den Devisenmarktakteuren auf die Probe gestellt. Wo liegt ihre Schmerzgrenze? Und ab wann schreitet sie ein?

Turner schliesst nicht aus, dass der SNB diesmal die Hände gebunden sind und sieht die Währungshüter eher bei einem Euro-Kurs von 1,05 als bei 1,07 Franken intervenieren. Darf man ihm Glauben schenken, dann könnte die SNB sogar erst bei einem Euro-Kurs von 1,03 Franken eine Linie in den Sand zeichnen. Wie der Ökonom festhält, liesse der handelsgewichtete Franken dies durchaus zu.

Da schon seit Wochen wieder viel ausländisches Geld an den Schweizer Aktienmarkt fliesst, könnte ich mir gut vorstellen, dass die Frankenstärke nicht zuletzt auch eine Folge davon ist. Noch scheint der erstarkte Franken gerade bei den hiesigen Aktienmarktakteuren allerdings kein Thema zu sein. Das überrascht mich, schlägt sich ein erstarkter Franken bei den exportorientierten Unternehmen auf Dauer doch negativ in der Umsatz- und Gewinnentwicklung nieder. Es ist, als ob sich der Hund beim Franken damit in den Schwanz beisst.

Ob sich die SNB letztendlich provozieren und zu Fremdwährungskäufen verleiten lässt, wissen wir vielleicht schon nächsten Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

 

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