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Die neue Handelswoche begann am Schweizer Aktienmarkt, wie die alte endete: Mit ziemlich mageren Umsätzen bei den drei SMI-Schwergewichten Nestlé, Roche und Novartis. Das gilt insbesondere für die Aktien von Novartis. Bei ihr streiken nicht mehr länger nur die Käufer, sondern mittlerweile auch die Verkäufer.
Noch ist unklar, was genau Firmenchef "Vas" Narasimhan mit den knapp 21 Milliarden Dollar im Schilde führt, die seinem Arbeitgeber aus dem Verkauf des Roche-Pakets zufliessen. Und sollte das Sorgenkind Sandoz tatsächlich an ein Bieterkonsortium um die Biontech-Aktionäre Andreas und Thomas Strüngmann und den Finanzinvestor EQT gehen, könnte die Kriegsschatulle Narasimhans mal eben auf das Doppelte anschwellen.
Mein Redaktionskollege Henning Hölder ging diese Woche der Frage nach, wohin die Milliarden bei Novartis fliessen sollen, wenn es nach unseren geschätzten Leserinnen und Lesern geht.
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Die Frage nach dem Wohin könnte sich übrigens schon am kommenden Donnerstag beantworten, wenn Novartis zum diesjährigen Investorentag lädt. Während es für Neuigkeiten rund um die Zukunft von Sandoz vermutlich noch zu früh ist, könnte der Pharmakonzern doch wenigstens über die Verwendung des milliardenschweren Erlöses aus dem Verkauf des Roche-Pakets informieren. Dann wird sich zeigen, ob auch die Aktionärinnen und Aktionäre in den Genuss eines Zustupfs aus der Kriegsschatulle kommen.
Da die Inhaberaktien dem Platzrivalen vor wenigen Wochen mit einem satten Abschlag von 13 Prozent gegenüber dem Schlusskurs vom Vortag angedient wurden, gehe ich mal davon aus, dass der Novartis-Chef schon damals konkrete Pläne für den Verkaufserlös hatte.
Die Nachrichtenlage rund um die Pandemie setzt am Freitag auch den Aktien von Novartis zu (Quelle: www.cash.ch)
Vielleicht nimmt das Mauerblümchen-Dasein von Novartis an der Börse am kommenden Donnerstag ja dann endlich ein Ende. Meine Befürchtung bleibt allerdings, dass Narasimhan in einen (Firmen-)Kaufrausch verfällt, vergleichbar mit jenem kurz nach seinem Amtsantritt im Februar 2018.
Gerieten am vergangenen Freitag pandemiebedingt die Valoren von Valora, Dufry und Flughafen Zürich unter die Räder, hatten diese Woche einige der in diesem Jahr gut gelaufenen Wachstumswerte wie etwa jene von Medacta, Kühne+Nagel, Comet oder Tecan schmerzhafte Kursverluste zu beklagen.
Schuld sind die zuletzt gestiegenen Dollar-Zinsen, gelten diese doch als "Gift" für Wachstumswerte. Die Rechnung ist einfach gemacht: Je höher der Zinssatz, mit der künftige Erträge auf den heutigen Tag abdiskontiert werden, desto tiefer ihr Wert heute.
Zuletzt rentierten zehnjährige amerikanische Staatsanleihen in der Spitze fast wieder 1,70 Prozent. Das liegt gefährlich nahe am Zwischenhoch von Ende März bei 1,75 Prozent. In den ersten Januar-Tagen lag die Rendite noch bei unter einem Prozent. Unnötig zu erwähnen, dass viele der mächtigen Grossinvestoren in Dollar und somit mit den dortigen Zinsen kalkulieren.
Der weltweite Teuerungsschub könnte die amerikanische Notenbank früher zum Handeln zwingen, als der Börse lieb ist. Steigende Rohmaterial- und Lohnkosten sowie die ruinös hohen Energiepreise sorgen auch in der Politik zusehends für Nervosität. Erst vor wenigen Tagen sah sich die amerikanische Regierung zum Handeln veranlasst. Stolz gab der demokratische Präsident Joe Biden anlässlich einer orchestrierten Aktion bekannt, über die nächsten Monate gut 50 Millionen Fass Rohöl aus der strategischen Ölreserve freigeben zu wollen – und sorgte damit ungewollt für den "Lacher der Woche". Im Wissen, dass alleine die Vereinigten Staaten täglich 20 Millionen Fass Rohöl verbrauchen, sind die 50 Millionen Fass ein Tropfen auf den heissen Stein. Und genauso reagierten die Rohstoffmärkte auch auf die Neuigkeiten: Die Rohölnotierungen stiegen.
Ausserdem würde mich interessieren, wie viele der besagten 50 Millionen Fass Rohöl in den kommenden Monaten nach China und Indien verscherbelt werden...
Kommen wir aber wieder aufs Thema Wachstumsaktien zu sprechen. Wie schnell hochgejubelte Aktien an der Börse in Ungnade fallen können, zeigt sich an Evolva. Ich schrieb in den vergangenen Tagen gleich bei zwei sich mir bietenden Gelegenheiten über den gestrauchelten Börsenüberflieger. Kosteten die Papiere im Hochsommer 2007 40 Franken und mehr, sind sie mit weniger als 13 Rappen nur noch ein Schatten ihrer selbst.
Doch auch die Entwicklung der Aktien von Zur Rose sollte den hiesigen Marktakteuren eine Lehre sein. Bis Mitte Februar von angelsächsischen Analysten mit teils ziemlich schreierischen Kaufempfehlungen innerhalb weniger Wochen von 300 auf 500 Franken und mehr hochgejubelt, notieren die Papiere der Versandapotheke mittlerweile wieder in der Nähe von 300 Franken. Und das, obwohl das elektronische Medikamentenrezept in Deutschland rechtzeitig kommt.
Auch Überflieger Logitech hat alleine seit Juni knapp 40 Prozent an Börsenwert eingebüsst. Die Aktien notieren nur unwesentlich über ihren Jahrestiefstkursen. Gestern Donnerstag wusste UBS-Analyst Jörn Iffert nach Abklärungen in den Absatzkanälen der Lausanner nicht nur Schmeichelhaftes zu berichten. Das für gewöhnlich umsatzträchtige Weihnachtsquartal könnte von Licht und Schatten geprägt sein. Das Geschäft mit Gaming- und PC-Zubehör brummt, während sich andere Produktkategorien schleppender verkaufen als auch schon.
Meine Befürchtung: Anderen Börsenüberfliegern aus der Schweiz könnte es ähnlich ergehen. Diesem Titelsegment steht in den kommenden Wochen eine Belastungsprobe bevor, sollten die Vorzeichen weiterhin auf "Stagflation" stehen. Was mir auffällt: Seit wenigen Wochen werden tiefere Kurse bei hiesigen Wachstumsaktien nicht mehr länger zum Zukauf von Titeln, sondern höhere Kurse zur Reduktion bestehender Positionen genutzt. Bahnt sich hier ein schleichendes Umdenken an?
Zumindest die Analysten sind in ihrer Euphorie aber kaum zu bremsen – unter ihnen der für Vontobel tätige Mark Diethelm. Für Beobachter überraschend, stufte er diese Woche nahe dem Rekordhoch die Aktien von ABB von "Hold" auf "Buy" herauf. Er sieht im schweizerisch-schwedischen Industriekonzern einen Gewinner des Dekarbonisierungstrends. Darauf abgestützt erhöht der Analyst seine langjährigen Wachstums- und Margenerwartungen, was neuerdings zu einem Kursziel von 40 (zuvor 33) Franken führt. Auch an der Börse gilt: Der Appetit kommt meist erst beim Essen.
Die Freude über die Kursgewinne bei den ABB-Aktien hielt nicht lange (Quelle: www.cash.ch)
Zu den Verlierern der letzten Tage zählen die Aktien der Schweizer Grossbanken. So schmierte das diesjährige SMI-Schlusslicht Credit Suisse heute Freitag im frühen Handel mal eben schnell auf 8,68 Franken ab und erreichte damit ein neues trauriges Jahrestief. Immer mit an Bord: Der neue Verwaltungsratspräsident mit seinen zuletzt angelachten Titeln.
Arg erwischte es auch die Valoren von Julius Bär. Der Zwischenbericht für die ersten zehn Monate fiel an der Börse durch, hatte man sich rückblickend doch sowohl in Bezug auf die verwalteten Vermögen als auch auf die Bruttomarge einiges mehr erhofft. Da half auch der Hinweis nicht, dass die Kundenaktivitäten im bisherigen November wieder angezogen hätten.
Aus dem angelsächsischen Raum trafen nach der Veröffentlichung des Zwischenberichts gleich zwei hochkarätige Abstufungen ein: Analystin Izabel Dobreva von Morgan Stanley watschte die Aktien von Julius Bär mit einem Kursziel von 70 (zuvor 75) Franken von "Overweight" auf "Equal-weight" ab, während ihr Berufskollege Hubert Lam von der Bank of America von "Buy" auf "Neutral" ging. Letzterer errechnet neuerdings noch ein Kursziel von 65 (zuvor 69) Franken.
Für Julius Bär gilt im Branchen-Kontext: Unter Blinden ist der Einäugige König...
Der Schweizer Aktienmarkt scheint die im frühen Handel beobachtete Verkaufswelle fürs Erste absorbiert, wenn auch noch nicht ganz verdaut zu haben. Ich bin neugierig, ob sich die Wogen im weiteren Tagesverlauf glätten. Und fast noch wichtiger: Wie die Weltbörsen in die kommende Woche starten werden.
Ich wünsche meinen Leserinnen und Lesern nach den Strapazen von heute Freitag ein gemächliches und erholsames Wochenende.
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