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Mit dem überraschenden Entscheid, den Euro-Mindestkurs aufzugeben, hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) dem heimischen Aktienmarkt einen ziemlichen Dämpfer versetzt. Und das nicht ohne Grund, denn der wieder erstarkte Franken bläst unseren exportabhängigen Unternehmen im internationalen Wettbewerb eiskalt ins Gesicht.

Allerdings kann sich die Entwicklung des Schweizer Aktienmarktes im europäischen Vergleich noch immer sehen lassen. In den vergangenen sechs Jahren konnte der Swiss Performance Index (SPI) jährlich um 23 Prozent zulegen, der viel beachtete EuroStoxx 50 Index hingegen nur gerade um 14 Prozent.

Für Rückenwind sorgten vor allem die Indexschwergewichte Nestlé, Roche und Novartis. Sie konnten sich unter Berücksichtigung der Dividendenausschüttungen nahezu im Kurs verdreifachen und sind beim SPI für rund die Hälfte der Gesamtkapitalisierung verantwortlich.

Die defensiven Attribute dieser drei Unternehmen, wie die weitestgehend von der Wirtschaft unabhängige Geschäftsentwicklung oder die grosszügige und beständige Dividendenpolitik, trafen in den letzten Jahren den Nerv der Zeit.

Damit ist nun allerdings Schluss: Als einer der ersten Aktienstrategen stuft jener von Kepler Cheuvreux sowohl den europäischen Pharmasektor als auch den Nahrungsmittelsektor von "Overweight" auf "Neutral" herunter. Im Gegenzug hebt er den Geschäftsdienstleistungssektor sowie den Bau- und Baumaterialsektor von "Neutral" auf "Overweight" an.

Die Schlüsselbotschaft des für das Cross Asset Research tätigen Experten an seine Anlagekunden: Da die grosskapitalisierten Qualitätsaktien immer mehr an ihre Bewertungsgrenzen stossen, drängen sich Gewinnmitnahmen im Segment der Pharma- und Nahrungsmittelaktien geradezu auf.

Den europäischen Aktienmärkten sei im Januar der Befreiungsschlag aus ihrer Lethargie gelungen. Damit gehöre die im internationalen Vergleich chronisch unterdurchschnittliche Entwicklung der Vergangenheit an, was dem Experten zufolge aggressivere Branchenpräferenzen rechtfertigt.

Die Umstufungen aus dem Hause Kepler Cheuvreux sollten hierzulande den Aktien von Holcim helfen. Diese werden mit einem Kursziel von 76 Franken als eine der Schlüsselkaufempfehlungen im Bau- und Baumaterialsektor gehandelt. Mit Verkaufsdruck ist hingegen bei den drei defensiven Indexschwergewichten Nestlé, Roche und Novartis zu rechnen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil andere Berufskollegen dem Beispiel des Aktienstrategen folgen und ihre Branchenpräferenzen ebenfalls überdenken könnten.

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Der am vergangenen Donnerstag von ABB veröffentlichte Zahlenkranz ist alles andere als ein Ruhmesblatt. Auch im vierten Quartal des Geschäftsjahres 2014 verfehlte der in Zürich beheimatete Industriekonzern die Markterwartungen deutlich.

Während die Reaktionen aus dem Analystenlager unterschiedlicher nicht sein könnten, spricht die seither beobachtete Aktienkurserholung eine eigene Sprache. Ich erkläre mir diese damit, dass sich viele Marktakteure schon im Vorfeld der Ergebnisveröffentlichung auf eine Enttäuschung eingestellt hatten.

Interessant ist ein Kommentar aus dem Hause J.P. Morgan. Darin schreibt der Verfasser über ein Treffen mit Finanzchef Eric Elzvik. Der Experte hält eine vorsichtige Haltung nicht mehr länger für angebracht. Auf Basis des diesjährigen Verhältnisses zwischen dem Unternehmenswert und dem erwarteten operativen Gewinn (EBIT) weise ABB derzeit einen Bewertungsabschlag zum europäischen Investitionsgütersektor von rund 10 Prozent auf.

Allerdings werden die Aktien weiterhin nur mit „Neutral“ und einem Kursziel von 19,50 Franken eingestuft. Das Gespräch mit dem Finanzchef scheint die Vorbehalte des Experten nicht völlig ausgeräumt zu haben. Letzterer befürchtet strukturellen Druck im Strominfrastrukturgeschäft sowie Folgen der geringeren Investitionsbereitschaft in der Öl- und Gasindustrie, die im Automationsgeschäft für bis zu 25 Prozent des Umsatzes verantwortlich sei. Darüber hinaus könnten auch die im Zusammenhang mit den "Petro-Dollars" erwarteten Investitionen fehlen, so der Verfasser des Kommentars.

Ich bin überrascht, dass die Entscheidungsträger von ABB an ihren ambitiös hohen Mittelfristzielen festhalten. Wie mir berichtet wird, liegt diesen ein durchschnittlicher Ölpreis von 100 Dollar je Fass zugrunde. Davon sind wir mittlerweile weit entfernt.

Obschon diese Ziele erst im September kommuniziert wurden, wäre es ehrlicher gewesen, sie an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Vermutlich sieht sich das Unternehmen früher oder später doch noch zum Zurückkrebsen gezwungen. Meines Erachtens drängen sich Anlegern die Aktien von ABB weiterhin nicht auf.
 

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