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Nachdem die amerikanische Leitbörse ihrem Ruf in den letzten Jahren alle Ehre machte, hat sich das Blatt unlängst zugunsten der europäischen Aktienmärkte gewendet. Seit die Europäische Zentralbank (EZB) die Wertpapierkäufe auf Staatsanleihen ausgeweitet hat, scheinen grosse angelsächsische Marktakteure den alten Kontinent wieder für sich entdeckt zu haben.
Während die Börse in New York als Folge des starken Dollars und der weiterhin schwierigen Witterungsbedingungen mit angezogener Handbremse fährt, lässt die EZB in unseren Breitengraden die Sonne scheinen. Die Währungshüter beweisen eindrucksvoll, wie sich politische Angst in geldpolitische Macht verwandeln lässt.
Ans Säbelrasseln im Osten der Ukraine und an die verbalen Aussetzer der neuen und noch unerfahrenen Regierung in Athen scheint man sich gewöhnt zu haben.
Von der Liquiditätsschwemme der EZB erfasst schoss der Deutsche Aktienindex innerhalb weniger Wochen um mehr als 25 Prozent nach oben. Nicht ohne Grund, gehören die exportstarken Grossunternehmen unseres nördlichen Nachbars doch zu den offensichtlichen Gewinnern der mit der Politik des billigen Geldes einhergehenden Euroschwäche. Dem steht der viel beachtete EuroStoxx 50 Index mit einem satten Plus von gut 20 Prozent in nichts nach.
Das billige Geld der EZB zieht im grossen Stil solches aus anderen Weltregionen an. Auf Basis von Statistiken aus dem Hause Merrill Lynch hatten in amerikanische Aktien investierende Fonds seit Jahresbeginn Rücknahmen im Ausmass von nicht weniger als 47 Milliarden Dollar zu beklagen. Davon flossen stolze 36 Milliarden Dollar in Fonds mit einem Schwergewicht in europäischen Aktien.
Vermutlich erfassen diese Statistiken nur die Spitze des Eisbergs. Denn die Umfrage der amerikanischen Grossbank bei grossen Fondsmanagern und Vermögensverwaltern zeigt: Noch nie zuvor zeigten sich die Umfrageteilnehmer auch nur annähernd so zuversichtlich, was die zukünftige Entwicklung an den europäischen Aktienmärkten anbetrifft.
Die Angst vor einer Deflation wenn nicht gar einer Rezession ist wie verflogen. Eine überwältigende Mehrheit rechnet über die kommenden 12 Monate mit einer wirtschaftlichen Belebung sowie mit einem zweistelligen Wachstum bei den Unternehmensgewinnen. Von der Geldpolitik der EZB angestachelt, setzen netto 60 Prozent der Befragten ihren Schwerpunkt auf Aktien aus Europa.
Diesen Trend will man auch bei Kepler Cheuvreux nicht verschlafen: In seinem neusten Kommentar stuft der für das Cross Asset Research tätige Stratege den amerikanischen Aktienmarkt von "Overweight" auf "Neutral" zurück. Im Gegenzug rät der Experte der eigenen Anlagekundschaft zu einem Zukauf japanischer Aktien.
Weiterhin zuversichtlich gibt man sich bei Kepler Cheuvreux in Bezug auf die europäischen Aktienmärkte. Über die nächsten sechs Monate traut man diesen über das bisherige Plus von 15 Prozent hinaus einen Anstieg um weitere 10 Prozent zu.
Rückblickend betrachtet seien die Auswirkungen der Politik des billigen Geldes der EZB auf die Finanzanlagen eindeutig unterschätzt worden, so der Stratege. Davon ausgehend verspricht er sich im weiteren Jahresverlauf positive Überraschungen, sowohl was die Wirtschaftsentwicklung als auch die Teuerung anbetrifft.
Aus Schweizer Sicht darf die aufsehenerregende Empfehlung des Experten für europäische Aktien allerdings nicht überbewertet werden. Denn erst vor wenigen Wochen stufte er unseren Swiss Performance Index (SPI) gleich um zwei Stufen von "Overweight" auf "Underweight" herunter. Auch von den hierzulande prominent vertretenen Aktien der Nahrungsmittel- und Pharmahersteller will man bei Kepler Cheuvreux derzeit nichts wissen. Zu unspektakulär und langweilig sind sie in Anbetracht der Liquiditätsschwemme der EZB.
Der Zustrom angelsächsischer Milliarden heizt auch dem Schweizer Aktienmarkt ein. Anfang Woche stieg der SPI vorübergehend auf ein neues Rekordhoch. Und das obschon Umsatz und Gewinn bei den hiesigen Grossunternehmen im Schlussquartal nur gerade um knapp 2 Prozent über dem Stand vom Vorjahr lagen. Die ernüchternde Unternehmensberichterstattung der vergangenen Monate scheint allerdings niemanden so richtig zu interessieren.
In der Folge hat sich der Schweizer Aktienmarkt weiter von der Geschäftsentwicklung unserer Unternehmen abgekoppelt. Auf Basis der nächstjährigen Konsensschätzungen errechnet sich ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von knapp 18, was selbst für unseren als teuer verschrienen Heimmarkt eher stolz ist. Noch extremer präsentiert sich die Situation beim Verhältnis der Börsenkapitalisierung zum Buchwert, welches mittlerweile bei knapp 3 und damit auf einem Rekordhoch liegt.
Mir ist klar, dass man als Anleger derzeit schlichtweg nicht an Aktien vorbeikommt. Trends dauern an den Märkten meist sehr viel länger als gedacht. Darüber hinaus ist die letzte Phase einer Hausse jeweils die einträglichste, vorausgesetzt man erwischt rechtzeitig den Ausstieg. Dennoch hat die EZB in den vergangenen Wochen und Monaten einiges an Vorschusslorbeeren erhalten. Bleibt deshalb aus Anlegersicht zu hoffen, dass die damit verbundenen Erwartungen in Bezug auf eine Belebung der Wirtschaft und der Unternehmensgewinne nicht enttäuscht werden.
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