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Am Schweizer Aktienmarkt wurde in den letzten Tagen einmal mehr Geschichte geschrieben. Der Swiss Market Index (SMI) kletterte in der Spitze mal eben schnell bis auf knapp 12'626 Punkte und erreichte damit ein neues Rekordhoch. Die bisherige Bestmarke liegt bei 12'573 Zählern und geht auf Mitte August zurück.
Eigentlich ein Grund zur Freude – wären da nicht die für diese Jahreszeit ungewöhnlich dünnen Handelsumsätze. Am Montag hatten bei den Genussscheinen von Roche und den Aktien von Nestlé selbst bis zum Eintritt der amerikanischen Marktakteure um 15.30 Uhr Titel für jeweils weniger als 100 Millionen Franken die Hand gewechselt. Bei Novartis, dem dritten Schwergewicht im Bunde, lagen die Umsätze bis zu diesem Zeitpunkt sogar nicht einmal bei 85 Millionen Franken. Umsätze, wie sie ansonsten nur in der Altjahreswoche zu beobachten sind.
Dass die Umsätze heute Freitag nicht ganz so mager daherkommen, lässt sich übrigens mit dem kleinen Derivatverfall erklären. Eine alte Faustregel besagt, dass von dünnen Handelsaktivitäten begleitete Börsenrekorde mit Vorsicht zu geniessen sind.
Wenden wir uns nun aber einzelnen Aktien zu. Gleich zu Wochenbeginn berichtete ich von drei Kaufempfehlungen mit den dazugehörenden Kurszielen, die extremer kaum sein könnten. Eine davon betraf die Aktien des Börsenüberfliegers Sika und stammte aus der Feder des HSBC-Analysten John Fraser-Andrews. Er erhöhte sein Kursziel schon unmittelbar vor Bekanntwerden der 5,5 Milliarden Franken schweren Übernahme des ehemaligen BASF-Bauchemiegeschäfts auf 600 (zuvor 400) Franken. Und das, obwohl der Analyst bei seinen Gewinnerwartungen für Sika den Rotstift ansetzte.
Diese Aktienkaufempfehlungen stechen an der Schweizer Börse ziemlich heraus |
Geradezu verzaubert ist seine Berufskollegin Ashley Wallace hingegen von Richemont. Die Luxusgüteranalystin der Bank of America veranschlagt neuerdings ein Kursziel von 200 (zuvor 145) Franken für den diesjährigen SMI-Gewinner. Selbst dass die Aktien fast 80 Prozent mehr kosten als noch im Januar, scheinen sie nicht von ihrer Kaufempfehlung abzuhalten.
Auf die nächstjährigen Schätzungen der Analystin abgestützt errechnet sich momentan ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 21. Sie greift allerdings in die Trickkiste und klammert neben Yoox-Net-a-Porter (YNAP) auch die an Farfetch und Dufry gehaltenen Aktienpakete sowie die liquiden Mittel aus ihrem Bewertungsmodell aus. So lässt sich sogar nur ein KGV von 17 ermitteln.
Die Aktien von Richemont (rot) lassen den SMI (grün) seit Wochen weit hinter sich zurück (Quelle: www.cash.ch)
Dass der Appetit auch an der Börse meist erst beim Essen kommt, beweist Analyst Rogerio Fujimori. Früher für die UBS und heute für Stifel tätig, stuft er die Aktien von Richemont quasi zu Höchstkursen von "Hold" auf "Buy" herauf. Und um seiner neugewonnenen Zuversicht – er bezeichnet den Luxusgüterkonzern als "Kernanlage" – den nötigen Nachdruck zu verleihen, erhöht Fujimori das Kursziel auf 165 (zuvor 122) Franken. Mit wirklich neuen Erkenntnissen wartet der Stifel-Analyst jedoch nicht auf.
"Stay with the winners", so lautet das Erfolgsrezept der Stunde. Da überrascht nicht, dass die Kluft zwischen den hiesigen Börsenüberfliegern und dem völlig uninteressanten Rest grösser und grösser wird.
Gestern Donnerstag lud Holcim zum diesjährigen Investorentag. Doch schon die frühmorgens an die Medien versandten Vorabinformationen liessen erahnen, dass der Weltmarktführer aus dem steuergünstigen Zug den Teilnehmenden eher Schmalkost auftischen dürfte.
Wer mit ambitionierten neuen Mittelfristzielen oder konkreten Aussagen zur künftigen Ausschüttungspolitik gerechnet hatte, wurde ebenso enttäuscht, wie derjenige der sich Anhaltspunkte in Bezug auf einen möglichen Vergleich mit dem amerikanischen Justizministerium in Sachen Syrien-Affäre erhofft hatte.
Einzig bei der künftigen Barmittelgenerierung und der Rendite auf dem eingesetzten Kapital legt Holcim die Hochsprunglatte höher. Ausserdem will man grüner werden – welches Unternehmen will das in diesen Tagen schon nicht...?!
Der unterkühlten Börsenreaktion zufolge hatte wohl nicht nur ich mir einiges mehr vom Investorentag erhofft. Kaufenswert bleiben die Aktien bei Kursen unter 50 Franken dennoch. Das sieht man wohl auch beim bekannten Substanzinvestor Dodge & Cox so. Erstmals seit Jahren haben die Amerikaner ihren Stimmenanteil am Baustoffhersteller wieder auf über 3 Prozent ausgebaut.
Verlierer der Woche sind die Aktionärinnen und Aktionäre von Molecular Partners. Als das Biotechnologieunternehmen aus Schliern im April letzten Jahres ein Anti-Covid-19-Therapieprogramm ins Leben rief, ging der Aktienkurs durch die Decke. Ähnliches, als der Weltöffentlichkeit nach langen Monaten mit Novartis endlich ein finanzkräftiger Partner für das Programm präsentiert werden konnte. In Erwartung eines wahren Geldregens wurden bis in den Februar dieses Jahres hinein in der Spitze Kurse von fast 29 Franken bezahlt.
Anstatt des erhofften Geldregens folgte am vergangenen Dienstag dann aber eine kalte Dusche: In einer weiteren Medienmitteilung räumte man ein, dass der Covid-19-Wirkstoff Ensovibep die gesteckten Studienziele bei hospitalisierten Patienten nicht erreicht habe. Noch offen ist der Ausgang der Studie für nicht-hospitalisierte Patienten. Verlässliche Ergebnisse werden erst für Anfang nächsten Jahres erwartet.
Der Kurs der Molecular-Partners-Aktien hat sich in den letzten zwei Wochen halbiert (Quelle: www.cash.ch)
Am Dienstag ging es für die Aktien – von stark anschwellenden Handelsvolumina begleitet - zeitweise um gut 40 Prozent nach unten.
Der für Research Partners tätige Analyst Paul Verbraeken sah sich innerhalb von nur einer Woche gleich zweimal gezwungen, den dicken Rotstift anzusetzen. Erst kürzte er das Kursziel auf 14,85 (zuvor 16,90) Franken um den Erfolgen von Pfizer mit einer Pille gegen Covid-19 Rechnung zu tragen, dann auf 10 Franken, um auch noch die enttäuschenden Studienergebnisse zu Ensovibep in sein Bewertungsmodell einfliessen zu lassen. Seinem "Halten" lautenden Anlageurteil bleibt er indes treu.
Ich bin neugierig, ob und wann sich seine Berufskollegin Zoe Karamanoli von der Royal Bank of Canada zu Wort meldet. Sie pries die Aktien von Molecular Partners selbst in den ersten November-Tagen noch mit "Outperform" und einem Kursziel von 26 Franken zum Kauf an.
Für den Lacher der Woche sorgt die FDA. Sie sieht sich mit einer Offenlegungsklage von Medizinern konfrontiert. Nun ersucht die amerikanische Gesundheitsbehörde den zuständigen Richter, dass sie die der Zulassung des Covid-19-Impfstoffs von Branchenprimus Pfizer zugrundeliegenden Studieninformationen erst im Jahr 2076 öffentlich machen muss. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt...
Nächste Woche wird sich zeigen, ob die Aktienmärkte in Sachen fünfter Pandemiewelle so entspannt bleiben wie in den letzten Tagen. Mehr zum Thema nächsten Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.
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