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Als ich bei meinen Schweizer Aktienfavoriten für 2022 vor knapp drei Wochen eine weitere Zwischenbilanz zog, berichtete ich davon, dass die Profis bei Aktien sträflich unterinvestiert seien. Ich berief mich dabei auf mehrere und voneinander unabhängige Quellen und schrieb:
Seither hat der Swiss Market Index (SMI) gleich nochmals 400 Punkte wettgemacht. Damit steht das Börsenbarometer in einem komfortablen Abstand von gut 1000 Punkten zu seinen diesjährigen Tiefstständen vom Oktober.
Wer nun glaubt, dass die Profis – ich spreche hier insbesondere von den Vermögensverwaltern und Fondsmanagern – in den letzten Wochen Aktien zugekauft haben, der irrt. Die Situation unterscheide sich nicht grossartig von jener von Anfang November, wie aus für gewöhnlich gut informierten Kreisen verlautet.
Abflüsse in Milliardenhöhe: Amerikaner flüchten überhastet aus europäischen Aktien |
Wie die jüngste Umfrage der Bank of America bei Fondsmanagern und Vermögensverwaltern zeigt, haben die Profis ihre Liquiditätsquote sogar noch einmal leicht angehoben. Mittlerweile beträgt sie hohe 6,2 Prozent, was die amerikanische Investmentbank als ein Kaufsignal für Aktien erachtet. Kommt hinzu, dass Aktienfonds letzte Woche unter dem Strich fast 23 Milliarden Dollar zugeflossen sind, wie Erhebungen der Beratungsfirma Lipper zeigen. Dieses Geld will angelegt werden.
Auf übertriebene Vorsicht deutet auch das viel beachtete Put-Call-Verhältnis hin. Auffällig üppige Käufe in den Put-Optionen drückten dieses an der New Yorker Börse auf 1,46. Extremwerte wie der jetzige gelten für gewöhnlich als zuverlässiger Gegenindikator. Mit anderen Worten: Genauso wie die hohe Liquiditätsquote in den Umfragen der Bank of America spricht auch das gedrückte Put-Call-Verhältnis nochmals für steigende Aktienkurse.
Die Monate November und Dezember zählen statistisch zu den besten Börsenmonaten des Jahres (Quelle: Barclays)
Und je höher die Aktienkurse jetzt noch steigen, desto ungemütlicher wird es für alle chronisch unterinvestierten Fondsmanager und Vermögensverwalter. Nicht eben wenige unter ihnen wurden in den letzten Wochen von der Börsenerholung "contre pied" erwischt. Dass die Monate November und Dezember statistisch betrachtet zu den stärksten Börsenmonaten des ganzen Jahres zählen, trägt auch nicht gerade dazu bei, dass die Nervosität bei den Profis weniger wird.
Was auch immer uns bis Ende Dezember an den Aktienmärkten noch erwartet – als ein guter Börsenjahrgang wird das Jahr 2022 wohl nicht mehr in die Geschichte eingehen.
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Anders als andere Banken hat die britische Barclays ihre Börsenprognosen für 2023 noch nicht kommuniziert. Dass die Strategen bei europäischen Nahrungsmittelaktien von "Neutral" auf "Overweight" gehen, lässt allerdings bereits erahnen, in welche Richtung es bei der Grossbank im Hinblick auf das kommende Jahr gehen könnte.
Denn obwohl die Strategen einräumen, dass Valoren wie jene von Nestlé und Co vergleichsweise stolz bewertet sind, räumen sie diesen in den Aktienportefeuilles ihrer Kundschaft neuerdings ein überdurchschnittlich grosses Gewicht ein. Die defensiven Charaktereigenschaften stehen dabei ganz klar im Vordergrund. Und auch wenn es die Experten nicht explizit schreiben, so lassen sie keine Zweifel offen, dass sie in den nächsten Monaten mit nichts geringerem als einem stagflationären Wirtschaftsumfeld rechnen.
Kursentwicklung der Nestlé-Aktien seit Jahresbeginn (Quelle: www.cash.ch)
Dass die Konsumentinnen und Konsumenten schon heute vermehrt auf tiefermargige, da günstige Produkte ausweichen, nimmt man bei Barclays billigend in Kauf. Die Strategen tragen dieser Entwicklung insofern Rechnung, als dass sie auf Aktien von breit abgestützten Nahrungsmittelherstellern wie eben jene von Nestlé setzen. Letztere werden übrigens wie bis anhin mit "Overweight" und einem Kursziel von 135 Franken angepriesen.
Ich bin nun neugierig, ob sich meine Vermutungen in Sachen Branchenpräferenzen bestätigen werden, wenn die britische Grossbank nächstens mit ihren Prognosen für das kommende Börsenjahr aufwartet.
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1 Kommentar
Müsste es nicht eher heissen "das hohe Put/Call-Verhältnis" und nicht "das gedrückte"?