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Von wegen ruhige und besinnliche Adventszeit. Das Geschehen am Schweizer Aktienmarkt war in den letzten Tagen alles andere als ruhig – und besinnlich schon gar nicht. Vielmehr trafen gleich bei mehreren der hiesigen Unternehmen Hiobsbotschaften ein.

Bis Ende Dezember sind es ja noch ein paar wenige Wochen. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass einige Unternehmen ihre diesjährigen Finanzziele wohl nicht mehr erreichen werden. Neben dem Spezialitätenchemiekonzern Clariant sahen sich auch der Motorradhersteller Pierer Mobility und der Spitalkommunikationsspezialist Ascom dazu gezwungen, ihre Ziele quasi in letzter Minute nach unten anzupassen.

Während die Aktien von Clariant mit einem blauen Auge davonkamen, hatten jene von Pierer Mobility und Ascom zweistellige Kursverluste zu beklagen. Der Anbieter von Kommunikationslösungen für Spitäler gab ausserdem bekannt, dass der Finanzchef Dominik Maurer das Unternehmen nach nur wenigen Jahren auf eigenen Wunsch verlässt.

Bei dieser Fülle an Gewinnwarnungen stellt sich mir doch die Frage: Wer wird in den kommenden Wochen noch alles warnen? Auch mit Blick auf den starken Franken schliesse ich nicht aus, dass sich noch bis weit in den Januar hinein Firmen zu Wort melden und die Erwartungen an sie zu dämpfen versuchen. Die eine oder andere unschöne (Festtags-)Überraschung steht uns da wohl noch ins Haus.

Kurseinbruch bei den Ascom-Aktien in den letzten Tagen (Quelle: www.cash.ch)

Doch auch beim Schliesstechnikanbieter Dormakaba gerieten die Kurse ins Rutschen, nachdem der Firmenchef Jim-Heng Lee überraschend gehen musste. Für ihn übernimmt Till Reuter. Beobachtern zufolge trägt diese Rochade die Handschrift des neuen Grossaktionärs SEO. Neben fünf Prozent an U-blox hält das Beteiligungsvehikel von Thomas Schmidheiny auch acht Prozent an Dormakaba.

Die für Jefferies tätigen Analysten zögerten nicht lange und watschten die Aktien des Schliesstechnikanbieters am Mittwoch von "Buy" auf "Hold" ab. Gleichzeitig reduzierten sie ihr Kursziel auf 500 (zuvor 550) Franken. Obwohl sich der künftige Firmenchef bei seinem früheren Arbeitgeber KUKA einen Namen als erfolgreicher Turnaround-Manager gemacht hat, sehen die Analysten im erzwungenen Rücktritt des bisherigen Firmenchefs einen empfindlichen Rückschlag für das Unternehmen. Sie stossen sich vor allem daran, dass Reuter keine Erfahrung im Geschäft mit Zugangssystemen mit sich bringt.

Die Börse scheint es – wie die Kursverluste der letzten Tage zeigen – ähnlich zu sehen. Vielleicht waren vier Chefwechsel innerhalb von vier Jahren aber auch nur der eine zu viel, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Gestern Donnerstag berichtete ich davon, dass der norwegische Staatsfonds beim diesjährigen SMI-Verlierer Lonza wacker Aktien zugekauft hat. Die Valoren des Pharmazulieferers aus Basel sind momentan vergleichsweise günstig zu haben. Mit einem Minus von 26 Prozent finden sie sich ganz am Tabellenende wieder. Von den Jahreshöchstkursen aus betrachtet, beträgt das Minus sogar fast 50 Prozent.

Zeitnah ging nun eine Offenlegungsmeldung bei der SIX Swiss Exchange ein, wonach die Skandinavier ihr UBS-Paket ausgedünnt haben. Als Verkäufer von Aktien mussten sich sie sich nur deshalb zu erkennen geben, weil der Stimmenanteil dadurch unter den meldepflichtigen Schwellenwert von fünf Prozent zurückfiel. Dieser hatte der norwegische Staatsfonds erst Ende Juli nach oben durchschritten.

Mit einem Plus von knapp 44 Prozent, den Dividendenabgang von Mitte April nicht mit aufgerechnet, führt die grösste Schweizer Bank die diesjährige SMI-Gewinnerliste mittlerweile wieder an. In den letzten Tagen war es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der Grossbank und der Risikokapitalspezialistin Partners Group.

Es scheint, als wäre der norwegische Staatsfonds in diesen Tagen antizyklisch unterwegs: Verkaufen die Skandinavier tatsächlich von den diesjährigen Gewinner-Aktien, um sich mit dem Erlös Verlierer-Aktien anzulachen? Wir werden es vermutlich nie erfahren.

Apropos UBS: Analyst Alastair Ryan von der Bank of America stufte die Valoren der Grossbank mit einem Kursziel von 28 (zuvor 30) Franken von "Buy" auf "Neutral" herunter. Die Kaufempfehlung geht auf die Zeit unmittelbar nach der Zwangsheirat mit der Credit Suisse zurück. Damals war der bekannte Bankenanalyst Feuer und Flamme.

Doch das war einmal. Neuerdings geht er von einem langwierigen 2024 sowie von hohen Integrationskosten aus. Darauf abgestützt streicht Ryan seine Gewinnschätzungen um bis zu 32 Prozent zusammen. Auch bei der Wiederaufnahme des Aktienrückkaufprogramms rechnet er mit einer eher gemächlichen Gangart. Nach Überzeugung sieht das nicht länger aus.

Ob der Analyst mit seiner vorsichtigeren Einschätzung richtig liegt, zeigt sich vermutlich erst, wenn die UBS im kommenden Frühjahr ihr Jahresergebnis vorlegt. Denn dann will sich die Grossbank bekanntlich auch zur künftigen Ausschüttungspolitik äussern.

Kursentwicklung der Aktien von AMS Osram seit Jahresbeginn (Quelle: www.cash.ch)

Endlich mal gute Kunde für die Aktionärinnen und Aktionäre von AMS Osram: Die Kapitalerhöhung ist unter Dach und Fach, die Bilanz des Sensorenherstellers erfolgreich saniert. Am Gelingen der Aktienplatzierung gab es eigentlich nie auch nur den leisesten Zweifel. Letztendlich entschied sich Firmenchef Aldo Kamper nämlich für den sicheren Weg einer Festübernahme durch ein Bankenkonsortium. Letzteres hätte die Aktien aus nicht ausgeübten Bezugsrechten dann auf eigene Rechnung übernommen – und zu einem späteren Zeitpunkt bei neuen Investoren untergebracht.

Ich kommentierte die Bilanzsanierung kürzlich wie folgt:

...und...

Dass nahezu alle Bezugsrechte ausgeübt wurden, ist paradoxerweise nicht zuletzt den Leerverkäufern zu verdanken. Wie Erhebungen des Beratungsdienstes S&P Global Market Intelligence zeigen, schmolzen die Wetten gegen AMS Osram zuletzt auf weniger als neun Prozent aller ausstehenden Aktien. Zum Vergleich: Vor wenigen Wochen wurden in der Spitze mit fast 30 Prozent aller Aktien auf rückläufige Kurse spekuliert. Der Mist scheint aus Sicht der Leerverkäufer – zumindest fürs Erste – wohl geführt.

Nun wagen sich auch die ersten Analysten aus der Deckung. Der für die Zürcher Kantonalbank tätige Harald Eggeling streicht sein Kursziel zwar auf 2,70 (zuvor 5) Franken zusammen, stuft die Valoren des Sensorenherstellers jedoch von "Marktgewichten" auf "Übergewichten" herauf. Nach der schmerzhaften Refinanzierung richte sich der Blick nun nach vorne, wie Eggeling schreibt. In Erwartungen kostenseitiger Fortschritte und eines geringeren Investitionsbedarfs rechnet er mit deutlichen Ergebnisverbesserungen. Seine operativen Gewinnschätzungen für die nächsten zwei Jahre behält der Analyst indes unverändert bei.

Nicht zum ersten Mal versucht sich die Zürcher Kantonalbank an den Aktien von AMS Osram. Frühere Kaufempfehlungen standen unter keinem guten Stern. Aber wer weiss – vielleicht wird jetzt ja wirklich alles besser...?!

Ab dem heutigen Freitag beginnt an der New Yorker Börse auf den Jahreswechsel und die anlaufende Jahresberichterstattung hin die vorübergehende Aussetzung der Aktienrückkaufprogramme. Ab Montag könnte der Leitbörse folglich ein entscheidender Kurstreiber wegfallen. Mit welchen Folgen, wissen wir vermutlich schon nächsten Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

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