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Die letzten Tage hielten uns Wirtschaftsjournalisten und Börsenkolumnisten einmal mehr ganz schön in Atem. Während sich aus dem Swiss Market Index (SMI) nur noch einige wenige Nachzügler wie etwa der Sanitärtechnikspezialist Geberit oder die einstige Novartis-Tochter Alcon zu Wort meldeten, hagelte es bei den Unternehmen aus der zweiten und dritten Reihe regelrecht Abschlüsse – und die wollten allesamt kommentiert werden.
Ich muss meinen Redaktionskollegen an dieser Stelle ein grosses Kränzchen winden. Trotz geballter Informationsflut waren unsere Leserinnen und Leser stets auf dem neusten Stand. Es ist schon ziemlich beeindruckend, wie sie diese Herkulesaufgabe stemmten. Ein nicht weniger grosses Lob gilt auch den Redaktorinnen und Redaktoren bei AWP.
So üppig die Nachrichtenlage, so dünn waren hierzulande einmal mehr die Handelsumsätze. Nur am Dienstag zogen diese mal eben kurz an, nachdem erneut enttäuschende Wirtschaftsnachrichten aus China bei uns eingegangen waren.
Mit 3,7 Prozent wuchs die dortige Industrie im Juli deutlich langsamer als im Vormonat, als das Plus im Jahresvergleich noch bei 4,4 Prozent gelegen hatte. Bei den Detailhandelsumsätzen verlangsamte sich das Wachstum gar von 3,1 auf 2,5 Prozent und damit ebenfalls deutlicher, als Ökonomen erwartet hatten.
Auf die Veröffentlichung der Jugendarbeitslosigkeit verzichtete das Statistikamt in Peking gleich ganz. Dies, nachdem die Arbeitslosigkeit bei den 16- bis 24-Jährigen im Vormonat Juni mit 21,3 Prozent einen neuen traurigen Rekordwert erreicht hatte. Lieber keine Nachrichten, als schlechte Nachrichten, dürfte sich Peking da wohl gedacht haben.
Wenn monatliche Erhebungen urplötzlich eingestellt werden, nur weil sie nicht gewollte Ergebnisse liefern, dann schrillen bei mir immer ein bisschen die Alarmglocken. Vermutlich steht es um die chinesische Wirtschaft sehr viel schlechter als uns Peking Glauben machen will. Vermutlich leidet China unter einem ähnlichen Problem wie wir westlichen Volkswirtschaften – nämlich unter den Folgen jahrelanger wirtschaftlicher Fehlallokationen. Während diese dort der Planwirtschaft geschuldet sind, hat bei uns die Negativzinspolitik der Zentralbanken dazu geführt, dass das Kapital nicht dort in der Wirtschaft eingesetzt wurde, wo es den bestmöglichen Nutzen entfaltet. Die Folgen davon werden uns noch lange begleiten, befürchte ich.
Ein Blick auf die Liste der Wochenverlierer zeigt denn auch, dass vor allem Aktien von Unternehmen mit einem bedeutenden Umsatzbeitrag aus China wie etwa Swatch Group, Straumann oder AMS Osram aus den Anlegerportefeuilles gekippt wurden. Doch selbst vor den Valoren des Nahrungsmittelgiganten Nestlé machte man dabei keinen Halt.
Ebenfalls auf der besagten Liste weit oben zu finden sind die Aktien von Huber+Suhner, Meyer Burger oder Geberit. Sie alle enttäuschten entweder mit den Zahlenkränzen oder aber mit den zukunftsgerichteten Aussagen. Im Fall des Sanitärtechnikspezialisten Geberit war es sogar beides.
Eine Achterbahnfahrt der Gefühle durchlebten gestern Donnerstag die Aktionärinnen und Aktionäre von DocMorris. Nach der Veröffentlichung des Halbjahresergebnisses ging es für die Valoren der Versandapotheke im frühen Handel zuerst bis auf 48 Franken, nur um im weiteren Tagesverlauf in die Nähe von 55 Franken vorzustossen.
Höhenflug der Aktien von DocMorris in den letzten Tagen (Quelle: www.cash.ch)
Langjährigen Aktionären dürfte sich angesichts dieser Kursausschläge wahrscheinlich schon fast so etwas wie ein Déjà-Vu-Gefühl beschlichen haben. Schliesslich waren die Aktien – als DocMorris noch Zur Rose hiess - in den letzten Jahren für ihre starken Kurs- und Stimmungsschwankungen geradezu berüchtigt.
Während im frühen Handel der Umsatzrückgang im künftig noch wichtigeren deutschen Absatzmarkt für Verkaufsdruck sorgte, setzte sich im weiteren Tagesverlauf dann die Erkenntnis durch, dass die umsatzseitige Talsohle nun durchschritten worden sei und die Versandapotheke künftig wieder wächst. Auch dass man am Hauptsitz in Frauenfeld selbst ohne einer deutschlandweiten Einführung elektronischer Medikamentenrezepte ab dem kommenden Jahr mit einem ausgeglichenen operativen Ergebnis auf Stufe EBITDA rechnet, kam an der Börse gut an.
Am heutigen Freitag werden die Valoren von DocMorris von Anschlusskäufen erfasst und weiter nach oben getragen, wobei einmal mehr aggressive Deckungskäufe das Geschehen dominieren. Die Leerverkäufer werden regelrecht aus dem Sattel geworfen, wie mir berichtet wird. Eine gesunde Portion Schadenfreude sei mir an dieser Stelle deshalb erlaubt...
Kursverluste hatten hingegen die Aktien von Straumann zu beklagen. Eine kurze Abfolge von Worten rund um die Ergebnisveröffentlichung reichte aus, um eine kleinere Kurslawine loszutreten – war an der Analystenkonferenz doch von einer "isolated consumer weakness" die Rede.
Sollte sich die Konsumentenstimmung tatsächlich eintrüben, bekäme das auch der Hersteller von Dentalimplantaten und Zahnspangen zu spüren. Dass der Weltmarktführer aus Basel entgegen den anders lautenden Erwartungen einiger Analysten an seinen diesjährigen Zielen festhält und diese nicht angehoben hat, sagt jedenfalls einiges aus. Allerdings sei an dieser Stelle erwähnt, dass Straumann dafür bekannt ist, den Mund bei den Zielen nicht zu voll zu nehmen. Ich persönlich finde das ziemlich sympathisch.
Gerade U-blox sollte sich die Basler besser zum Vorbild nehmen. Der Anbieter von Positionierungschips blickt zwar auf eine ziemlich erfreuliche erste Jahreshälfte zurück. Trotz einer hohen Vergleichsbasis aus dem Vorjahr war es dem Unternehmen aus Thalwil in der ersten Hälfte dieses Jahres möglich, den operativen Gewinn (EBITDA) um knapp 10 Prozent zu steigern. Mit 84 Millionen Franken lag dieser denn auch weit über den von Analysten erwarteten 76,7 Millionen Franken.
Dass die Aktien an der Börse dennoch mit einem Minus von knapp 20 Prozent abgewatscht werden, ist den gekürzten Vorgaben fürs ganze Jahr geschuldet. Neuerdings geht U-blox von einem Umsatzrückgang um bis zu 6 Prozent (zuvor Umsatzwachstum von 6 bis 16 Prozent) bei einer operativen Marge (EBITDA) zwischen 18 und 22 Prozent (zuvor 21 bis 24 Prozent) aus.
Heutiges Kursdebakel bei den Aktien von U-blox (Quelle: www.cash.ch)
Im Wissen um den starken Franken und seine Folgen für den Anbieter von Positionierungschips kommt die Reduktion der Jahresvorgaben nicht überraschend. Die harsche Reaktion der Börse lässt jedoch vermuten, dass die Reduktion einschneidender als befürchtet ausfällt.
Nicht eben wenige Analysten müssen bei ihren Schätzungen nun den dicken Korrekturstift ansetzen. Selbst der für die UBS tätige Analyst François-Xavier Bouvignies – er rät schon seit Mitte Januar zum Verkauf der Aktien – wird sein 107 Franken lautendes 12-Monats-Kursziel unter negativen Vorzeichen überarbeiten müssen.
Die starken Ergebnisschwankungen zeigen, dass U-blox in einem Massenmarkt mit übermächtigen ausländischen Rivalen tätig ist. Mir ist kein anderer auch nur annähernd so launischer Wirtschaftszweig wie die Halbleiterindustrie bekannt.
An dieser Stelle noch kurz ein paar Worte zu Meyer Burger. Seit der Solarhersteller im Juli die diesjährigen Gewinnvorgaben kassiert hat, haben die Aktien gut 30 Prozent an Kurswert verloren.
Das ist allerhand, aber auch nicht ganz unbegründet, wie das Halbjahresergebnis zeigt. Mit knapp 97 Millionen Franken verfehlte der Umsatz selbst die pessimistischsten Analystenschätzungen ziemlich deutlich.
Schuld sind die chinesischen Rivalen, welche den europäischen Markt mit Billigmodulen fluten und so für Preisdruck sorgen. Bisher wusste sich Meyer Burger bei der Preisgestaltung einigermassen zu behaupten. Die zweite Jahreshälfte dürfte nun zeigen, ob die Premium-Strategie des Unternehmens aufgeht oder nicht. Dass die Akzente beim Produktionsausbau künftig in Übersee gesetzt werden, spricht meines Erachtens eine ziemlich unmissverständliche Sprache, was den europäischen Markt anbetrifft.
Nächste Woche verliert die Halbjahresberichterstattung dann endlich an Schwung. Höchste Zeit für uns Wirtschaftsjournalisten und Börsenkolumnisten, endlich tief durchzuatmen. Ganz ohne Überraschungen dürfte es an der Börse indes wohl nicht gehen. Mehr dazu am kommenden Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.
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