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Gestern Dienstag verglich eine grosse amerikanische Wirtschaftsnachrichtenagentur die Schwäche an der New Yorker Börse mit jener in den Tagen unmittelbar vor dem Kollaps der Investmentbank Lehman Brothers. Zugegeben: Die Finanzmärkte waren auch schon mal liquider als zuletzt. Dennoch stellt sich mir die Frage, ob es sich nicht bloss um Panikmache handelt. Solche Artikel werden dann nämlich am besten gelesen, wenn an den Börsen Weltuntergangsstimmung herrscht.

Gerade den Aktionärinnen und Aktionären der Credit Suisse dürften beim Blick auf die Aktienkursentwicklung Tränen der Verzweiflung in die Augen schiessen. Die Valoren kosteten zuletzt keine 6 Franken mehr. Das ist in etwa gleichviel wie ein Café Crème im Sprüngli kostet – und so wenig wie noch nie in der Geschichte der Grossbank.

Zur Erinnerung: In den Wochen nach dem Kollaps von Lehman Brothers fiel der Kurs der Credit-Suisse-Aktien nie unter 21 Franken. Und auch in den Krisenjahren 2012 und 2016 wussten sich die Papiere bei Kursen von über 10 Franken zu behaupten.

Jetzt sind es wie gesagt keine 6 Franken mehr. Seit Jahresbeginn errechnet sich mittlerweile ein sattes Minus von mehr als 30 Prozent. Das macht die Credit Suisse zu einem der diesjährigen Schlusslichter aus dem Swiss Market Index (SMI). Stünde die Aktienkursentwicklung für die Vitalwerte der Grossbank – man würde diese wohl als Patientin auf der Intensivstation vermuten.

Klare Worte findet auch der für die Erzrivalin UBS tätige Bankenanalyst Daniele Brupbacher. Seines Erachtens bieten sich der Credit Suisse kaum Möglichkeiten für einen strategischen Befreiungsschlag. Denn während eine Neuausrichtung des Investment Bankings satte Wertberichtigungen zur Folge hätte, würde eine vorwärts gerichtete Wachstumsstrategie hohe Vorabinvestitionen voraussetzen. Beides koste Geld, welches die Grossbank nicht habe, wie Brupbacher durchblicken lässt. Abhilfe könnte da ein (Teil-)Verkauf von Geschäftszweigen – etwa der Universalbank Schweiz oder des Asset Managements – schaffen. Eine weitere Möglichkeit eines Befreiungsschlags sieht der UBS-Analyst in einer Übernahme der Credit Suisse durch eine andere Bank.

Ein Trauerspiel: Die langjährige Aktienkursentwicklung der Credit Suisse (Quelle: www.cash.ch)

Da fragt sich doch: Rät hier der UBS-Bankenanalyst der Credit Suisse etwa unverblümt, sich jemandem an den Hals zu werfen? In diese Richtung gehende Spekulationen gab es vergangene Woche ja, wobei die amerikanische State Street als finanzkräftige Käuferin herhalten musste. Die Absage aus Übersee liess nicht lange auf sich warten und fiel ziemlich unmissverständlich aus. Das muss allerdings nicht zwangsläufig heissen, dass die Grossbank unverkäuflich ist.

Ich kann mir gut vorstellen, dass es gerade unter den langjährigen Aktionärinnen und Aktionären doch den einen oder anderen verkaufswilligen gäbe. Ein unzufriedenes Aktionariat bietet nicht zuletzt auch Finanzinvestoren einen geradezu idealen Nährboden, um den Verkauf eines Unternehmens zu erzwingen – selbst eines vom Kaliber der Credit Suisse.

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Das Stimmungstief in dem sich die Aktienmärkte befinden, ruft nun auch erste Strategen mit Stellungnahmen auf den Plan. Einer von ihnen ist Mathieu Racheter, Leiter der Aktienanalyse bei Julius Bär. Er räumt zwar ein, dass der Himmel über den Aktienmärkten momentan wolkenbehangen ist. Allerdings seien die längerfristigen Renditeaussichten nach dem Rücksetzer deutlich besser als zuvor, wie Racheter in einem Kommentar an seine Anlagekundschaft schreibt.

Und er unterlegt diese Aussage mit beeindruckenden Zahlen. Lagen die langfristigen Renditeaussichten beim amerikanischen S&P 500 Index noch im Januar bei rekordtiefen 5 Prozent pro Jahr, waren es bankeigenen Berechnungen zufolge zuletzt bereits wieder 8,2 Prozent. Mit anderen Worten: Wer heute in die Aktien der 500 grössten amerikanischen Unternehmen investiert, darf – rein rechnerisch – mit einer jährlichen Rendite von etwas mehr als 8 Prozent rechnen.

So schneiden die «heissen» Aktien-Tipps der Banken für 2022 nach fünf Monaten ab

Racheter rät deshalb gerade langfristig orientierten Anlegerinnen und Anlegern, den Börsenturbulenzen zum Trotz investiert zu bleiben. Derzeit setzt der Stratege sein Schwergewicht ganz klar auf konjunkturresistente Aktien und Sektoren. Um zyklische Aktien macht er hingegen einen grossen Bogen.

Man könnte durchaus Zweckoptimismus hinter dieser Durchhalte-Parole vermuten – gäbe es da nicht weitere Hinweis, wonach die Stimmung unter den hiesigen Firmenlenkern deutlich besser ist als die der Aktienmarktakteure. Mehr zum Thema übrigens in meiner nächsten Kolumne...

 

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