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Börsenwoche im Schnelldurchlauf

Nestlé, Richemont und Co: Wenn die Börse aus einer Mücke einen Elefanten macht

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Der cash Insider kommentiert die wichtigsten Börsenereignisse. Diese Woche: Ein lustloses Hin- und Hergeschiebe von Positionen, Neuigkeiten zu Zurich und Richemont, Nestlé in der Kritik - Und: Gewissheit bei Temenos.

28.06.2024   11:50
Von cash Insider
Sinnbidlich für die Schwergewichte Nestlé, Roche und Novartis: Drei erwachsene Elefanten.

Angesichts der Nachrichtenflaute macht die Börse aus jeder Fliege einen Elefanten.

Quelle: Pixabay

Der cash Insider berichtet auch im Insider Briefing jeweils vorbörslich von brandaktuellen Beobachtungen rund um das Schweizer Marktgeschehen und ist unter @cashInsider auch auf Twitter aktiv.

+++

Momentan gleicht ein Handelstag dem anderen. Nur die Vorzeichen bei den Tagesveränderungen ändern – mal sind sie positiv, dann wieder negativ. Es ist, als ob der Schweizer Aktienmarkt in eine Selbstfindungsphase übergegangen ist. Eine solche lassen auch die jüngsten Einschätzungen der Banken und ihrer Anlagestrategen erahnen.

Während es für die Bank of America, Julius Bär oder die Citigroup schlichtweg kein Vorbeikommen an hiesigen Aktien gibt und man letzteren bei den genannten Banken ein überdurchschnittliches Gewicht in den Kundenportefeuilles einräumt, watschte Vontobel den Schweizer Aktienmarkt zu Wochenbeginn mal eben von "Neutral" auf "Underweight" ab. Im Dschungel dieser unterschiedlichen und sich teilweise widersprechenden Meinungen lässt es sich schnell einmal verlaufen.

Gerade grosse Marktakteure machen da lieber Nichts, als dass sie was Falsches machen. Folglich könnten die Handelsumsätze dünner kaum sein. Gewiss: Nach der Quartalsberichterstattung ist bekanntlich vor der Quartalsberichterstattung. Doch bis hierzulande die ersten Unternehmen ab Mitte Juli ihre Zahlenkränze fürs zweite Quartal vorlegen, ist Warten angesagt.

Da überrascht es mich nicht, wenn Händler mir von einem eher lustlosen Hin- und Hergeschiebe von Aktienpositionen berichten. Denn schliesslich gibt auch die Nachrichtenlage nicht viel her. Das spürt man auch daran, dass kleine Neuigkeiten plötzlich zu grossen Neuigkeiten werden.

So gesehen etwa bei Zurich Insurance. Als die Versicherungsgruppe am frühen Mittwochmorgen den Kauf des Reiseversicherungsgeschäfts des amerikanischen Rivalen AIG bekanntgab, stürzten sich die Analysten regelrecht auf die Nachricht. Trotz des ziemlich überblickbaren Kaufpreises von 600 Millionen Dollar – Zurich Insurance wird an der Börse mit 71 Milliarden Franken bewertet – gab es kaum ein Analyst, welcher diese Übernahme nicht kommentierte.

Kursentwicklung der Zurich-Aktien in den letzten Tagen (Quelle: www.cash.ch)

Die Reaktionen fielen unterschiedlich aus. So kündigte der für die UBS tätige Will Hardcastle an, seine Erwartungen an ein grösseres Aktienrückkaufprogramm überdenken zu wollen. Dass sich die SST-Quote im Zuge der Übernahme um 4 Prozentpunkte schmälert, ist ihm sichtlich ein Dorn im Auge. Doch auch Hardcastle räumt ein, dass letztendlich die Barmittelgenerierung und nicht die SST-Quote über die Höhe eines möglichen Rückkaufs entscheidet. Er stuft die Aktien wie bis anhin mit "Neutral" und einem 12-Monats-Kursziel von 490 Franken ein.

Überraschend wohlgesonnen äusserte sich der für Keefe Bruyette & Woods tätige Berufskollege William Hawkins. Hawkins zufolge kauft Zurich Insurance in einer attraktiven Marktnische zu. Auch den Preis erachtet er als attraktiv und die Transaktion an-und-für-sich als leicht gewinnverdichtend. Eigentlich machte der Analyst in den letzten Jahren vor allem mit kritischen Wortmeldungen von sich reden. Dabei ist es kaum nötig zu erwähnen, dass er die Aktien mit "Underperform" und einem Kursziel von gerade mal 410 Franken zum Verkauf anpreist.

Der ergänzende Firmenkauf zeigt: Zurich-Chef Mario Greco kann auch Übernahmen. Sowieso wird er ziemlich grosse Fussstapfen hinterlassen, wenn er seinen Chefsessel voraussichtlich Ende nächsten Jahres einem Nachfolger übergibt.

Auch Medienberichte, wonach sich der LVMH-Chef Bernard Arnault Aktien von Rivale Richemont angelacht habe, sind vermutlich der Nachrichtenflaute geschuldet. Da wird alter Wein in neuen Schläuchen verkauft, gab es doch schon in der Vergangenheit solche Berichte. Und auch Spekulationen, wonach es zu einer Annäherung zwischen LVMH und Richemont kommen könnte, sind nicht eben neu. Gerade im lukrativen Schmuckgeschäft entstünde bei einem solchen Zusammenschluss ein übermächtiger Marktführer.

Gut möglich, dass der reichste Mann der Welt kürzlich bei Richemont Aktien zugekauft hat. Denn schliesslich ist Arnault dem Forbes Magazine zufolge mehr als 233 Milliarden Dollar schwer. Und dieses Vermögen will angelegt sein – getreu der Direktive: Schuster bleib bei deinen Leisten.

Für Vontobel-Analyst Jean-Philippe Bertschy wäre ein Zusammenschluss mit dem Gucci-Mutterhaus Kering aus der Sicht von Richemont übrigens die attraktivere Alternative zu LVMH. Er erklärt sich die zuletzt wieder wachgewordenen Spekulationen mit dem erbitterten Bieterstreit zahlungskräftiger Interessenten um die Uhrenmarken im Besitz der Sandoz Stiftung. Für Bertschy bleiben die Richemont-Aktien – unabhängig von den Medienberichten – ein Kauf mit einem Kursziel von 165 Franken. Seinen Berechnungen zufolge ist alleine schon das Schmuckgeschäft mindestens 150 Franken je Aktie wert.

Kommen wir an dieser Stelle noch auf Nestlé zu sprechen. In einem Kommentar verleiht der für BNP Paribas tätige Analyst Jeff Stent seiner Verkaufsempfehlung für die Aktien des Nahrungsmittelmultis aus Vevey noch einmal Nachdruck. Er stuft das SMI-Schwergewicht mit "Underperform" und einem Kursziel von 89 Franken ein.

Im Kommentar zeigt sich Stent schon fast ein bisschen schockiert über das Ausmass und die Geschwindigkeit, in welcher Nestlé in Nordamerika in nahezu sämtlichen Produktkategorien Marktanteile an die Konkurrenz verliert. Er stützt sich bei dieser Aussage auf Absatzstatistiken ab, räumt allerdings ein, dass auf diese nicht immer Verlass sei. Dennoch wähnt der Analyst den Nahrungsmittelmulti aus Vevey vor einer gleich mehrjährigen Wachstumsflaute.

Nach einem kurzen Aufbäumen neigen die Aktien von Nestlé wieder zur Schwäche (Quelle: www.cash.ch)

Nachdem sich Nestlé-Chef Mark Schneider kürzlich an einer Investorenkonferenz von J.P. Morgan zuversichtlich zum Tagesgeschäft geäussert hatte, begegnete man dem an der Börse mit Kursgewinnen. Rückblickend jedoch alles bloss ein Strohfeuer.

Es braucht schon mehr als ein gutes Quartal, um die Börse in Sachen Nestlé versöhnlich zu stimmen. Die Aussagen von BNP Paribas sind da sicherlich auch nicht gerade hilfreich. Harren wir der Dinge, die da kommen mögen.

Für Gesprächsstoff sorgte in den letzten Tagen eine Beteiligungsmeldung zu Temenos. Wie dieser Meldung entnommen werden kann, ist der Stimmenanteil der Aktionärsgruppe um den oppositionellen Finanzinvestor Petrus Advisers auf zuletzt 3,2 Prozent geschmolzen. Noch im Mai war von 5,1 Prozent die Rede.

Dass die Meldepflicht am vergangenen Freitag erwuchs, lässt aufhorchen – genauso wie der Grund für das Unterschreiten des Schwellenwerts von 5 Prozent: Die Ausübung, die Nichtausübung oder der Verfall von Derivatbeständen.

Rückblickend lag ich mit meiner Vermutung wohl nicht so falsch, als ich folgendes schrieb:

Es macht mir ganz den Anschein, als ob einige dieser Derivatbestände wertlos verfallen sind. Und auch jetzt hält die Aktionärsgruppe nicht einmal ein Prozent an Stimmrechten in Form von Aktien, was tief blicken lässt. Umso mehr überrascht, dass Temenos der Forderung nach einem Aktienrückkaufprogramm kürzlich einfach so mir-nichts-dir-nichts nachkam.

Mal schauen, ob die Nachrichtenflaute nächste Woche anhält. Mehr zum Thema kommenden Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

Der cash Insider nimmt Marktgerüchte sowie Strategie-, Branchen- oder Unternehmensstudien auf und interpretiert diese. Marktgerüchte werden bewusst nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Gerüchte, Spekulationen und alles, was Händler und Marktteilnehmer interessiert, sollen rasch an die Leser weitergegeben werden. Für die Richtigkeit der Inhalte wird keine Verantwortung übernommen. Die persönliche Meinung des cash Insiders muss sich nicht mit derjenigen der cash-Redaktion decken. Der cash Insider ist selber an der Börse aktiv. Nur so kann er die für diese Art von Nachrichten notwendige Marktnähe erreichen. Die geäusserten Meinungen stellen keine Kauf- oder Verkaufsempfehlungen an die Leserschaft dar.
 

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