Der cash Insider berichtet im Insider Briefing jeweils vorbörslich von brandaktuellen Beobachtungen rund um das Schweizer Marktgeschehen und ist unter @cashInsider auch auf Twitter aktiv.
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Auch am Schweizer Aktienmarkt stand das Geschehen in den letzten Tagen ganz im Zeichen der Geldpolitik. Mittwochabend unserer Zeit hob die amerikanische Notenbank ihren Leitzins zwar wie von Ökonomen erwartet um einen halben Prozentpunkt an. Gleichzeitig liess sie jedoch durchblicken, dass im kommenden Jahr mehr Zinsschritte als bislang angenommen zu erwarten sind. Diese Neuigkeit kam bei den Marktakteuren verständlicherweise gar nicht gut an, hatte man sich spätestens nach den ermutigenden Konsumentenpreisindizes kurz zuvor deutlich versöhnlichere Worte von Notenbankchef "Jay" Powell erhofft.
Gestern Donnerstag meldete sich dann zuerst unsere Schweizerische Nationalbank (SNB) zu Wort. Auch sie erhöhte den Leitzins um 50 Basispunkte auf 1 Prozent – ganz zum Frust einiger Ökonomen, die sogar nur mit einem 25-Basispunkte-Schritt gerechnet hatten.
Interessant fand ich, dass Direktoriumspräsident Thomas Jordan gegenüber den Medienschaffenden einräumte, dass die SNB in den letzten Monaten Devisen verkauft hat. Sie werde dies auch in Zukunft tun, sollte es geldpolitisch angezeigt sein. Lange Rede, kurzer Sinn: Wird der Franken schwächer, will man intervenieren.
Damit scheint sich zu bestätigen, was die britische Barclays schon vor ziemlich genau drei Wochen schrieb. Für die Experten stand schon damals ausser Frage, dass die SNB den Euro-Franken-Kurs selbst dann unter dem Deckel halten wird, wenn die europäische Einheitswährung gegenüber dem Dollar wieder Boden gutmachen sollte. Sie werde alles daransetzen, damit der Euro nicht auf mehr als einen Franken zurückfindet – gegebenenfalls eben auch mit Fremdwährungsverkäufen.
Für eine kalte Dusche sorgte im Laufe des Nachmittags dann die Europäische Zentralbank (EZB). Auch sie hob den Leitzins erwartungsgemäss um 50 Basispunkte an. Für Verstimmung sorgte eine Aussage Madame Lagardes, wonach die EZB die Zinsen stärker erhöhen müsse, als die Anleihenmärkte dies momentan eingepreist hätten. Prompt gerieten die Kurse auf breiter Ebene ins Rutschen...
Zumindest in Übersee setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass es seitens der amerikanischen Notenbank bei blossen Worten bleiben und es sich bei den Aussagen von Mittwochnacht bloss um Stimmungsmache handeln könnte. Ganz anders bei uns in Europa. Zu lange hatte die EZB der ausufernden Teuerung tatenlos zugeschaut. Nun muss auch sie kräftig auf die Bremse treten.
So zahlreich die Nachrichten aus der Geldpolitik, so dünn gesät waren die kursrelevanten Neuigkeiten aus der hiesigen Unternehmenswelt. Wobei: So ganz der Wahrheit entspricht das nicht, konnten mit dem Zugbauer Stadler Rail und dem Pharmazulieferer Bachem doch gleich zwei Unternehmen neue Grossaufträge vermelden.
Stadler Rail erhielt einen Auftrag über 2,3 Milliarden Euro aus Kasachstan zugesprochen. Das macht ihn zu einem der grössten der Firmengeschichte. Im Zuge des Auftrags übernimmt der Zugbauer eine Produktionsstätte vor Ort und baut damit seine Präsenz im Osten weiter aus.
Will man dem UBS-Analysten Patrick Rafaisz Glauben schenken, dann gingen bei Stadler Rail alleine seit Jahresbeginn Aufträge in Höhe von fast 9 Milliarden Franken ein. Das liegt sowohl über dem vom Unternehmen kommunizierten Ziel von mindestens 7 Milliarden Franken als auch über den von Analysten erwarteten 7,2 Milliarden Franken.
Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Randvolle Auftragsbücher sind das eine, diese Aufträge dann in Umsätze und Gewinne umzumünzen etwas völlig anderes. Für die Aktionäre zählt, was letztendlich unter dem Strich übrigbleibt. Gerade daran wird Stadler Rail zukünftig wohl auch gemessen.
Der Pharmazulieferer Bachem vermeldet hingegen einen Folgeauftrag für die Produktion von Peptiden im Umfang von mindestens einer Milliarde Franken. Wer der geheimnisvolle Auftraggeber ist, ist nicht bekannt.
Wie Vontobel-Analystin Sibylle Bischofberger schreibt, ist der Folgeauftrag zwar zu begrüssen. Nach den massiven Investitionen in die Erweiterung der Produktionsstätten und ins Netzwerk sind die Neuigkeiten ihres Erachtens jedoch zu erwarten gewesen. Sie stuft die Aktien wie bis anhin nur mit "Hold" ein, wird ihr 67 Franken lautendes Kursziel vermutlich aber kräftig erhöhen müssen.
Und dann wäre da ja auch noch der Rücktritt des langjährigen Pharmachefs Bill Anderson bei Roche. Für Branchenbeobachter überraschend verlässt er den Pharma- und Diagnostikkonzern aus Basel auf eigenen Wunsch. Anderson stiess einst über Genentech zum Unternehmen. Dass der Öffentlichkeit noch kein Nachfolger kommuniziert wurde, lässt erahnen, dass sein Entscheid für alle Beteiligten überraschend kam. Allerdings munkelt man, dass Anderson bei der Wahl des neuen Firmenchefs übergangen wurde und nun die Konsequenzen daraus gezogen hat. Wie dem auch immer sein mag: Für seinen bisherigen Arbeitgeber ist sein Rücktritt ein ziemlicher Verlust.
Im Wissen darum, dass das Pharmageschäft von Roche nach neun Monaten ein Nullwachstum aufweist und mit dem Rückschlag beim Alzheimermittel Gantenerumab ein wichtiger künftiger Wachstumstreiber wegfällt, überrascht es mich nicht, dass die Genussscheine wieder mit Kursen von 300 Franken flirten.
Kommen wir an dieser Stelle noch auf Nestlé zu sprechen. Firmenchef Mark Schneider erhielt für das zweitägige Investorenseminar von letzter Woche von Analysten ja mehrheitlich gute Noten. Umso mehr macht mich eine Beteiligungsmeldung an die Schweizer Börse SIX ziemlich stutzig. Wie dieser Meldung entnommen werden kann, hat sich mit dem Fondsriese Capital Group ein langjähriger Grossaktionär im Nachgang an das Investorenseminar von Aktien des Nahrungsmittelkonzerns aus Vevey getrennt. Neuerdings halten die Amerikaner weniger als 3 Prozent am Unternehmen. Die Capital Group gab sich erstmals im Februar 2008 als Grossaktionär zu erkennen, verschwand wenige Monate später dann aber wieder vom Radarschirm der Öffentlichkeit. Es sollte ganze neun Jahre dauern, bis sich der Fondsriese im Februar 2017 wieder mit mehr als 3 Prozent bei Nestlé zurückmeldete.
Was auch immer die Amerikaner jüngst zur Beteiligungsreduktion veranlasst hat – so zeitnah dürfte das schon ziemlich offensichtlich mit dem diesjährigen Investorenseminar zu tun gehabt haben. Wir werden es wohl nie erfahren...
Die Freude der Aktionärinnen und Aktionäre der Credit Suisse über das Aufbäumen nach der geglückten Kapitalerhöhung war rückblickend nur von kurzer Dauer. Im Laufe des Mittwochnachmittags fiel der Aktienkurs wieder auf unter 3 Franken, begleitet von stark anschwellenden Umsätzen. Letztendlich ging das diesjährige SMI-Schlusslicht an diesem Tag mit einem Minus von fast 6 Prozent aus dem Handel.
Aus Börsenkreisen höre ich, dass sich einige mächtige Marktakteure kurz nach der Kapitalerhöhung auf einen schnellen Rebound hin mit Aktien der Grossbank eingedeckt hätten. Nachdem sich dieser nicht eingestellt habe, seien die Titelpositionen wieder glattgestellt worden. Dabei seien in der Region von 2,98 Franken einige Stop-Loss-Aufträge losgetreten worden, wie mir weiter berichtet wird. Letzteres würde die Kurslawine jedenfalls erklären.
Übers Wochenende gehört die Weltbühne nun noch einmal "König Fussball", wobei ich nach dem frühzeitigen Ausscheiden der "Elftal" am Sonntag für die argentinische "Albiceleste" mitfiebere. In diesem Sinne wünsche ich allen meinen Leserinnen und Lesern ein spannendes und nach den Strapazen der letzten Tage auch ein erholsames Fussball-Wochenende mit dem kleinen und dem grossen Final.