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Als eine der ersten Banken hat die UBS vor gut einer Woche den Mantel des Schweigens fallenlassen. Auf nicht weniger als 314 Seiten liess sie wissen, was uns im nächsten Jahr an den Finanzmärkten alles erwarten könnte.
Will man der grössten Schweizer Bank Glauben schenken, dann dürfte uns etwa eine hartnäckige Wachstumsflaute ins Haus stehen. So hartnäckig, dass sie die amerikanische Notenbank den Leitzins von zuletzt 4 im Jahresverlauf wieder auf 1,25 Prozent reduzieren sieht.
Ihres Erachtens werden die Aktienmärkte die Talsohle wohl erst im Frühsommer durchschritten haben. Den amerikanischen S&P 500 Index sieht die Grossbank um 20 Prozent auf 3200 Punkte, den breit gefassten Stoxx Europe 600 Index sogar um fast 25 Prozent auf 330 Punkte zurückfallen – bevor diese im weiteren Jahresverlauf dann Boden gutmachen sollten.
Dies sind die ersten Aktienempfehlungen der UBS fürs Börsenjahr 2023 |
Nun legen die Strategen von Morgan Stanley mit eigenen Prognosen nach. Und um es vorwegzunehmen: Selbst unter den ungünstigsten Annahmen – beispielsweise einem Rückgang der Unternehmensgewinne um 20 Prozent – sind sie nicht annähernd so pessimistisch für europäische Aktien wie ihre Berufskollegen bei der UBS.
Mit einem guten Börsenjahrgang rechnet man allerdings auch bei der amerikanischen Investmentbank nicht. In Erwartung schwächerer Absatzmärkte und anhaltend hoher Kosten sowie im Wissen um die vielerorts noch immer gut gefüllten Lager trauen die Strategen den europäischen Aktienmärkten einen Anstieg um weniger als 3 Prozent zu.
Umso mehr treffen sie etwas gar merkwürdige Vorkehrungen, wie die Abstufung des als widerstandsfähig geltenden Pharmasektors von "Overweight" auf "Neutral" erahnen lässt. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten bieten Valoren wie jene der beiden SMI-Schwergewichte Roche und Novartis einen gewissen Schutz vor unliebsamen Überraschungen.
Den nicht weniger widerstandsfähigen Telekommunikationssektor ereilt dasselbe Schicksal. Auch diesem wird in den Kundenportefeuilles nicht länger ein überdurchschnittliches Gewicht eingeräumt. Im Gegenzug gehen die Strategen bei den Aktien aus der launischen Halbleiterindustrie von "Neutral" auf "Overweight". Dort treffen diese auf jene aus den Wirtschaftszweigen Banken, Energie, Versicherungen, Gesundheit, Luxusgüter, Software, Transport und Versorger.
Wenn es sich wie in früheren Jahren verhält, gehen in den nächsten Tagen und Wochen unzählige weitere Strategiepapiere für das kommende Jahr bei mir ein. Ich bin jedenfalls jetzt schon neugierig, ob sich die vorsichtige Haltung von UBS und Morgan Stanley wie ein roter Faden durch die darin geäusserten Meinungen ziehen wird.
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Langjährige Leserinnen und Leser meiner Kolumne mögen sich eventuell noch an die nicht ganz unumstrittene Kaufempfehlung der Bank Vontobel für die Aktien von Cicor Technologies zurückerinnern. Kurz vor Ende Dezember 2017 stufte die Zürcher Bank die Valoren des kleinen Elektronikkonzerns aus dem neuenburgischen Boudry mit einem Kursziel von 73 (zuvor 60) Franken von "Hold" auf "Buy" herauf – und sorgte aufgrund des engen Handels in diesen Aktien für ein Kursfeuerwerk.
Ich kommentierte die Empfehlung damals wie folgt:
Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: Knapp zweieinhalb Jahre später und knapp 20 Kursfranken tiefer warf die Bank Vontobel dann das Handtuch. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion stellte sie die Abdeckung des Elektronikkonzerns im Zuge einer Überprüfung des Anlageuniversums und eines Analystenwechsels wieder ein.
Nun bedient sich der für Alster Research tätige Analyst Graeme Davis desselben Rezepts. Er nimmt die Erstabdeckung der Aktien von Cicor Technologies mit "Buy" und einem geradezu verlockend hohen Kursziel von 70 Franken auf.
Kursentwicklung der Cicor-Aktien seit Dezember 2017 (Quelle: www.cash.ch)
Er gehe davon aus, dass sich in den letzten Jahren pandemiebedingt ein Nachfragebedarf aufgestaut habe und sich dieser Knoten nun lösen könnte. Und sowieso breche für das Unternehmen dank des neuen und höchst übernahmefreudigen Grossaktionärs und der personellen Frischzellenkur an der Firmenspitze eine neue Zeitrechnung an, wie der Analyst schreibt.
Anders als im Dezember 2017 bleibt ein Kursfeuerwerk bisher jedoch aus. Es macht beinahe den Anschein, als dass die Anlegerinnen und Anleger aus den damaligen Fehlern gelernt haben. Vielleicht ist aber auch einfach nur das Wirtschaftsumfeld ein anderes.
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2 Kommentare
Man rechnet ab 2023 mit einem Minus von mindestens 30% p.a. Begründet wird dies u.a. mit einer Ausweitung des Krieges nach der Aera Putins (Polen, Baltikum?).
Zitat: "man rechnet". Wer ist "man"?