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Der Höhenflug des amerikanischen Aktienmarkts will einfach nicht enden. Am Donnerstag kletterte der breit gefasste S&P-500-Index in die unmittelbare Nähe von 2'000 Punkten und damit auf den höchsten Stand in der Geschichte. Nur wenige Tage zuvor übersprang der technologielastige Nasdaq Composite Index seine Mehrjahreshöchststände von Anfang Juli. Nachdem sich das Börsenbarometer seit März 2009 vervierfacht hat, rückt der Rekord aus dem Jahr 2000 in Reichweite.

Geht es nach der Meinung des Chefstrategen von Stifel Nicolaus, dann ist das reine Formsache. Erst vergangene Woche sorgte der in Übersee viel beachtete Experte für Schlagzeilen, als er nach mehreren Monaten aus dem Lager der Baissiers überraschend in das der Haussiers wechselte. Der Stratege sieht den S&P-500-Index bis Ende Jahr in die Region von 2‘300 Punkten vorstossen, was einem rechnerischen Aufwärtspotenzial von nicht weniger als 17 Prozent entsprechen würde. Dem Nasdaq Composite Index winken dann neue historische Höchststände.

Er sei sich zwar bewusst, dass der heimische Aktienmarkt im September und Oktober in eine saisonal schwierige Phase übergehe, so der Experte. Und auch was das geopolitische Umfeld anbetreffe, könne er keine zuverlässigen Prognosen abgeben. Die Gefahr einer Überhitzung der Wirtschaft sei allerdings gering, die Zinskurve alles andere als invers und die realen Zinsen würden noch immer deutlich unter der magischen Marke von 2 Prozent liegen. Dadurch verlängere sich der konjunkturelle Aufschwung um weitere drei Jahre. Der amerikanische Aktienmarkt werde diesen vermutlich schon in den kommenden Monaten einpreisen und noch einmal deutlich ansteigen. Die Studie war über das Wochenende auch eines der Schlüsselthemen im US-Anlegermagazin "Barron’s".

Heute nun reicht der amerikanische Aktienbroker eine Auswahl heimischer Aktien nach, welche überdurchschnittlich stark von der erwarteten Aufwärtsbewegung am breiten Markt profitieren sollten. Auf der Liste sind ausschliesslich Titel grosskapitalisierter Unternehmen mit einem „Beta“ von mehr als eins zu finden. Diese Kennzahl misst, wie stark eine Aktie steigt oder fällt, wenn sich der breite Markt um ein Prozent bewegt.

Dazu zählen die Aktien von Applied Materials, Micron Technology, Intel, Oracle, TE Connectivity, SanDisk, Western Digital, Illinois Tool Works, Delta Air Lines, SunTrust Banks, American Express, Discover Financial Services, Capital One Financial, Pioneer Natural Resources, Continental Resources und EOG Resources. Alle diese Papiere werden bei Stifel Nicolaus auch offiziell zum Kauf empfohlen. Auf der Liste finden sich darüber hinaus aber auch die Aktien von Air Products & Chemicals, PPG Industries, LyondellBasell Industries, Google, Cognizant Technology Solution, Adobe Systems, Corning, Northrop Grumman, Lockheed Martin, 3M, Cummins, FedEx, Canadian Pacific Railway, PNC Financial Services Group, Wells Fargo, Ameriprise Financial, Morgan Stanley, Charles Schwab, Bank of New York Mellon, McGraw Hill Financial, Aon, Marsh & McLennan, Sun Life Financial, Baker Hughes, Halliburton, Valero Energy, Williams Companies und Hess.

Ich bin noch immer irritiert, was den plötzlichen Sinneswandel des Chefstrategen von Stifel Nicolaus anbetrifft. Nicht nur dass der Experte aus dem Lager der Baissiers in das der Haussiers wechselt. Er gehört mit seinem neuen Jahresendziel für den S&P-500-Index auch gleich zu den optimistischsten seiner Berufsgilde.

Meines Erachtens befindet sich der amerikanische Aktienmarkt in einer weit fortgeschrittenen Phase seiner seit mittlerweile gut fünf Jahren zu beobachtenden Aufwärtsbewegung. In dieser Phase gehören Übertreibungen zur Tagesordnung, weshalb sie aus Anlegersicht sehr lukrativ sein kann. Grundvoraussetzung ist, dass man rechtzeitig den Ausstieg findet. Denn man darf eines nicht vergessen: Seit dem Frühjahr 2009 hat sich der S&P-500-Index mehr als verdreifacht. Der Nasdaq Composite Index gilt heute sogar knapp viermal soviel wie damals.

Sollte der für Stifel Nicolaus tätige Chefstratege mit seinem provokanten Jahresendziel für den amerikanischen Aktienmarkt richtig liegen, könnte sich seine Titelauswahl womöglich als vielversprechend erweisen.

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Es gibt hierzulande nicht viele Unternehmen, welche in der Vergangenheit mit Grossübernahmen Aktionärswerte schaffen konnten. Roche ist zweifelsohne eines von ihnen. Der Kauf des amerikanischen Biotechnologiekonzerns Genentech in mehreren Schritten dient in Lehrbüchern heute noch als Vorzeigebeispiel.

Ähnlich wie bei Genentech gingen die Basler bei Chugai vor. Im Frühjahr 2006 stiegen sie beim japanischen Partnerunternehmen mit 50,1 Prozent ein, um die Beteiligung zwei Jahre später auf 59,9 Prozent auszubauen. Den Aussagen von Roche zufolge scheiterte eine vollständige Übernahme von Chugai in diesen Tagen am Widerstand der dortigen Verantwortlichen.

Die über das Wochenende bekannt gewordene Übernahme von InterMune für 8,3 Milliarden Dollar passt deshalb nicht unbedingt in dieses Schema erfolgreicher Grossübernahmen. Für Gesprächsstoff sorgt heute auch der Preis, den die Basler zu bezahlen bereit sind. Den Aktionären des amerikanischen Biotechnologieunternehmens wird eine satte Übernahmeprämie von 38 Prozent gegenüber dem Schlussstand vom Freitag bezahlt – und das erst noch in bar.

In einem Kommentar aus dem Hause Société Générale bringt es der Verfasser auf den Punkt: Selbst unter Berücksichtigung der übernommenen Barmittel, des steuerlich abzugsfähigen Verlustvortrags und unter sehr optimistischen Absatzerwartungen für das Schlüsselmedikament Esbriet wird Roche höchstwahrscheinlich Aktionärswerte vernichten. Obschon sich der Experte wenig überzeugt zeigt, hält er mit einem auf 325 (330) Franken reduzierten 12-Monats-Kursziel an seiner Kaufempfehlung fest.

Ähnlich verhalten äussert sich sein für Kepler Cheuvreux tätiger Berufskollege. Doch auch dieser reduziert sein Kursziel für die Bons von Roche nur leicht auf 286 (290) Franken und rät wie bis anhin zum Kauf.

Ich bin gespannt, ob sich irgendeine Bank in den nächsten Tagen zu mehr als einem warnenden "Schuss vor den Bug" des mächtigen Basler Pharmakonzerns durchringen kann. Zumal ja die für Banken lukrative Mandatsvergaben für die Teilfinanzierung der Übernahme noch ausstehen.