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Die Flut hebt alle Boote. Besser als mit dieser – zugegeben – ziemlich angestaubten Börsenweisheit liesse sich das momentane Handelsgeschehen kaum umschreiben.

Denn tatsächlich findet sich auch bei uns am Schweizer Aktienmarkt kaum eine Aktie, mit der sich seit Jahresbeginn nicht gutes Geld verdienen liess. Als eine der wenigen Ausnahmen sei an dieser Stelle jene der skandalumwobenen Credit Suisse genannt. Hätte die Grossbank beim Kollaps des Investmentvehikels Archegos seinerzeit nicht umgerechnet 5 Milliarden Franken in den Sand gesetzt, liesse sich die diesjährige Zwischenbilanz allerdings wohl ebenfalls sehen.

Wie Chefstratege Michael Hartnett von der Bank of America festhält, blicken die Aktienmärkte auf die siebtbeste erste Jahreshälfte seit 100 Jahren zurück – den Zentralbanken und ihrer "Politik des billigen Geldes" sei Dank.

Doch damit nicht genug der Superlativen. Wie Erhebungen der amerikanischen Investmentbank zeigen, flossen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres weltweit 1200 Milliarden Dollar in Aktien. Und das netto, wohlverstanden. Zum Vergleich: In den vorangegangenen 20 Jahren waren es "bloss" deren 800 Milliarden Dollar.

Entwicklung des MSCI World Index in den letzten 12 Monaten (Quelle: www.cash.ch)

Das überrascht nicht, kauften die Zentralbanken in der ersten Hälfte dieses Jahres doch Tag für Tag für 10 Milliarden Dollar Anleihen und Schuldverschreibungen. Gleichzeitig gab die amerikanische Regierung in Washington täglich 20 Milliarden Dollar aus. Die Gesamtkapitalisierung des viel beachteten Weltaktienindex von MSCI stieg durchschnittlich sogar um 73 Milliarden Dollar – und das jeden Tag.

Interessante Einblicke bietet Hartnett auch in Bezug auf die bankeigenen Kundenaktivitäten. Von den 3200 Milliarden Dollar an Privatkundenvermögen der amerikanischen Investmentbank sind knapp 65 Prozent in Aktien investiert. Das ist der höchste je gemessene Wert. Rund 18 Prozent ihres Vermögens halten die Privatkunden in Form von Anleihen, was wiederum dem tiefsten je gemessenen Wert entspricht. 11 Prozent des Vermögens schieben sie als Kontoguthaben vor sich her.

Wenn man dem Bank-of-America-Rivalen Goldman Sachs Glauben schenken will, dürften Privatanleger und die Unternehmen über ihre Aktienrückkaufprogramme im weiteren Jahresverlauf für weitere 500 Milliarden Dollar Aktien kaufen.

Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, sind alle diese Zahlen beeindruckend und beängstigend zugleich. Eigentlich ist schon seit Jahren eine Flucht in Sachwerte – sprich in Aktien und Immobilien – zu beobachten. Allerdings nimmt diese Flucht immer extremere Züge an. Das wiederum birgt gewisse Gefahren.

Wie heisst es an der Börse doch so schön: Wer mit Badehose und wer nackt im Wasser steht, zeigt sich erst dann, wenn auf die (Liquiditäts-)Flut die Ebbe einsetzt...

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Und wenn wir schon bei Aktien sind, die seit Jahresbeginn gut gelaufen sind, gehören fast zwingend jene von Straumann und ABB erwähnt. Der schweizerisch-schwedische Industriekonzern bringt knapp 30 Prozent mehr Börsenwert auf die Waage als noch im Januar, der Dentalimplantatehersteller aus Basel sogar gut 50 Prozent mehr.

Das hält den bekannten Medizinaltechnikanalysten Julien Dormois von BNP Paribas nicht davon ab, die Aktien von Straumann – für Beobachter überraschend – von "Neutral" auf "Outperform" heraufzustufen. Das Kursziel gibt er neuerdings mit 1800 (zuvor 1350) Franken an. Keine andere Bank hat auch nur ein annähernd so hohes Kursziel ausstehend.

Dormois hebt vor allem die starke Stellung des Weltmarktführers im Bereich nicht sichtbarer Zahnkorrekturen hervor. Er sieht diesen zukunftsträchtigen Geschäftszweig auf Jahre hinaus jährlich um 25 Prozent und mehr wachsen. Im Jahr 2030 könnten nicht sichtbare Zahnkorrekturen so bis zu 60 Prozent zum Jahresumsatz beisteuern.

Trotz pandemiebedingtem Dämpfer haben sich die Straumann-Aktien in den letzten fünf Jahren im Kurs beinahe vervierfacht (Quelle: www.cash.ch)

Seiner Berufskollegin Daniela Costa bei Goldman Sachs haben es hingegen die Aktien von ABB angetan. Sie setzt die Papiere mit einem 12-Monats-Kursziel von 44 (zuvor 39) Franken auf die viel beachtete "Conviction Buy List". Auf Basis ihrer Berechnungen geht sie beim Industriekonzern gar von einem sogenannten Summ-of-the-Parts-Wert von 47,50 Franken je Titel aus.

Wie diese beiden Wortmeldungen zeigen, gilt "L'appétit vient en mangeant" allem Anschein nach auch für das Börsengeschehen - um gleich mit einem weiteren Sprichwort nachzulegen.

 

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