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Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Die Handelsumsätze sind am Schweizer Aktienmarkt selbst für diese Zeit des Jahres ungewöhnlich dünn. Da machen die letzten Tage keine Ausnahme.

Weder die Erhöhung der Leitzinsen um 25 Basispunkte durch die Europäische Zentralbank (EZB) – obwohl für einige Ökonomen durchaus überraschend – noch der grosse Derivatverfall vom heutigen Freitag sorgten für anziehende Handelsumsätze. Das überrascht mich doch sehr.

Insbesondere bei Aktien mit einem sonst schon engen Markt bleiben zweistellige Kursausschläge an der Tagesordnung. Ich denke da etwa an jene von Addex, Kinarus, Relief Therapeutics, Obseva oder Evolva. Bei diesen Papieren bieten sich Spekulanten unterschiedlichster Couleur geradezu paradiesische Zustände.

Letztendlich ändern jedoch auch die zweistelligen Tagesschwankungen nichts an der Tatsache, dass das hiesige Börsengeschehen momentan einem eher lustlosen Hin-und-Her-Geschiebe von Positionen gleicht.

Wenden wir uns deshalb einem spannenderen Thema zu: In diesen Tagen wird das Aktien-Research der Credit Suisse mit jenem der UBS verschmolzen. Das bedeutet soviel wie: Künftig gibt es für die von den beiden Grossbanken abgedeckten Unternehmen nur noch eine und nicht mehr zwei Meinungen.

Als jemand, der in den letzten Jahren sowohl bei der einen als auch bei der anderen Grossbank immer mal wieder widersprüchliche Empfehlungen unter ein-und-demselben Dach aufdeckte und zu mehr "unité de doctrine" aufrief, müsste ich diesem Schritt eigentlich wohlwollend gegenüberstehen. Allerdings leben die Märkte geradezu von unterschiedlichen Meinungen und Erwartungen. Da macht der Schweizer Aktienmarkt keine Ausnahme. Umso mehr bedauere ich deshalb den Entscheid der UBS-Spitze, die jeweiligen Research-Abteilungen zusammenzulegen.

Ich bin gerade bei einer Aktie ganz besonders neugierig, ob sich der Credit-Suisse-Analyst oder doch eher sein Berufskollege von der UBS durchsetzen wird: Nämlich bei jener von Meyer Burger.

In den letzten Jahren liess Chefanalyst Patrick Laager von der Credit Suisse bekanntlich keine Gelegenheit aus, um den Aktien des Solarherstellers mit gezielten Nadelstichen zuzusetzen. Erst kürzlich strich er sein Kursziel auf 30 (zuvor 36) Rappen zusammen, um der Gewinnwarnung vom Juli Rechnung zu tragen.

Aktienkursentwicklung bei Meyer Burger seit Januar (Quelle: www.cash.ch)

Seine "Underperform" lautende Verkaufsempfehlung habe sich ausbezahlt, zeigte sich der Analyst damals zufrieden. Das Tagesgeschäft bei Meyer Burger gestalte sich sogar noch schwieriger als von ihm angenommen.

Die Gründe für die negative Haltung Laagers lesen sich ziemlich happig. So glaubt er beispielweise nicht, dass sich die vom Unternehmen verwendete Heterojunction-Technologie längerfristig durchsetzen wird. Ausserdem weckt die hohe Abhängigkeit des Unternehmens von öffentlichen Subventionen seines Erachtens Zweifel an dessen Geschäftsmodell. Auch dass Meyer Burger die eigenen Ziele in den letzten Jahren regelmässig verfehlt hat, spielt dem Analysten in die Karten.

Bei der UBS werden die Aktien des Solarherstellers hingegen mit "Neutral" eingestuft, wobei das 12-Monats-Kursziel von 61 Rappen geradezu nach einer Überarbeitung unter negativen Vorzeichen durch den zuständigen Analysten Bosco Ojeda schreit.

Laager oder Ojeda – so lautet die spannende Frage. Mal schauen, welcher von beiden Analysten sich durchsetzt und ob Laager nicht die sich ihm bietende Gelegenheit nutzt, um das Kriegsbeil endlich zu begraben.

Meyer Burger ist übrigens beileibe nicht das einzige börsenkotierte Unternehmen aus der Schweiz, bei welchem sich die beiden Grossbanken in der Vergangenheit nicht einig waren. Aber mehr zu diesem Thema, wenn ich in zwei Wochen wieder aus meinem Zypern-Urlaub zurück bin.

Bleiben wir an dieser Stelle noch bei der UBS und ihren Aktienempfehlungen. Der für die Grossbank tätige Analyst Mate Nemes setzte bei den Valoren der Partners Group endlich den dicken Korrekturstift an. Trotz einer deutlich besser als erwartet ausgefallenen ersten Jahreshälfte kürzt er seine Gewinnschätzungen für den Risikokapitalspezialisten aus Baar um bis zu 12 Prozent. Neuerdings ergibt sein Bewertungsmodell noch ein 12-Monats-Kursziel von 1289 (zuvor 1491) Franken. An seiner Kaufempfehlung hält Nemes eisern fest.

Die letzte Kurszielanpassung des UBS-Analysten geht auf Ende August vergangenen Jahres zurück. Damals reduzierte er das 12-Monats-Kursziel auf 1491 (zuvor 1717) Franken. In der Spitze lag dieses einst sogar bei 1747 Franken. Besser spät, als nie...

Höhenflug der UBS-Aktien in den letzten Monaten (Quelle: www.cash.ch)

Und wenn wir schon bei den Analystenstimmen sind: In den vergangenen Tagen trafen gleich zwei geradezu spektakuläre Kaufempfehlungen ein. Nicht mehr näher möchte ich auf jene von Goldman Sachs für die Valoren der UBS eingehen. Mit 35 (zuvor 25,80) Franken liegt das 12-Monats-Kursziel der amerikanischen Investmentbank neuerdings weit über den Kurszielen anderer Banken. Die nächsthöheren Kursziele sind in der Region von 27 bis 30 Franken anzusiedeln.

Als ich bei meinen Schweizer Aktienfavoriten für 2023 kürzlich eine Zwischenbilanz zog, schrieb ich zum Thema Kapitalrückführung folgendes:

Die zweite Kaufempfehlung betrifft das SMI-Schwergewicht Novartis. Analyst Graham Parry von der Bank of America veranschlagt neuerdings ein Kursziel von 115 (zuvor 106) Franken. Er preist die Valoren als "Wachstumsaktie zum Preis einer Substanzaktie" an, geht der Analyst für die kommenden Jahre doch von einem jährlichen Gewinnwachstum von 9 Prozent aus. Auf das Jahr 2028 bezogen liegen seine Gewinnerwartungen für die Basler um 20 Prozent über den durchschnittlichen Schätzungen seiner Berufskollegen bei anderen Banken. Was für eine Ansage.

Für gewöhnlich lassen solch spektakuläre Kaufempfehlungen den Kurs einer Aktie kräftig steigen. Umso mehr überrascht mich, dass ein kleineres Kursfeuerwerk im Fall von Novartis ausblieb. Warten wir nun aber erst einmal die Sandoz-Abspaltung von Anfang Oktober ab.

An der Börse ist es wie auf anderen Marktplätzen: Wer am lautesten schreit, wird gehört. Das scheinen sich die Analysten von Goldman Sachs und der Bank of America verinnerlicht zu haben.

An dieser Stelle verabschiede ich mich für zwei Wochen in die Ferien. Das nächste Insider-Briefing und die nächste Kolumne erscheinen am Montag, den 2. Oktober 2023, um die gewohnte Zeit. Ihnen allen in der Zwischenzeit viel Erfolg an der Börse.

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