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Noch bis vor wenigen Monaten wurde China frenetisch als zukünftige Zuglokomotive für die Weltwirtschaft gefeiert. Doch auf jede Feier folgt Ernüchterung und Katerstimmung und so auch auf die für das vermeintliche Wirtschaftswunder aus dem Fernen Osten.
Am Donnerstag vor einer Woche widmete ich meine Kolumne einem Kommentar aus dem Hause Société Générale. Darin schrieb der Verfasser, dass das Kreditwachstum in China jenes der Wirtschaft über die vergangenen 15 Monate bei weitem übertroffen habe. Deshalb stelle sich die Frage, wohin dieses Geld eigentlich geflossen sei. Denn immer mehr chinesische Unternehmen und öffentlich-rechtliche Körperschaften hätten Mühe, für ihre Finanzierungskosten aufzukommen. Alleine schon deshalb verschulde sich die chinesische Wirtschaft immer stärker.
Gleichzeitig gelangte die für die Rating-Agentur Fitch tätige Analystin mit einer ernüchternden Situationsaufnahme für das chinesische Bankensystem an die Öffentlichkeit. Alleine über die letzten fünf Jahre hätten die Banken in der Volksrepublik Aktiven im Umfang jener des gesamten amerikanischen Bankensystems aufgebaut. Die Verschuldung entspreche mittlerweile dem zweifachen jährlichen Bruttoinlandprodukt Chinas und wachse nahezu mit der doppelten Geschwindigkeit, so schrieb die Verfasserin damals in ihrer Studie.
Heute nun doppelt der ebenfalls für die Société Générale tätige Albert Edwards in seinem Wochenkommentar nach. Der Stratege nimmt dabei kein Blatt vor den Mund und sagt China die «Mutter aller harten Landungen» vorher. Noch immer werde das Wachstum der vergangenen Jahre an den Finanzmärkten fälschlicherweise in die Zukunft extrapoliert. Damit unterscheide sich die Situation in China nicht von der in Japan gegen Ende der Achtzigerjahre oder jener während der Exzesse im Technologiesektor um die Jahrtausendwende.
Offiziellen Angaben zufolge sei der Einkaufsmanager-Index in der Volksrepublik im Monat April auf 53,3 Punkte gestiegen, so Edwards. Grossartig sei das nicht, gelte der Monat April doch als stärkster des ganzen Jahres. Der Stratege rechnet über die kommenden Monate deshalb mit einem erneuten Rückgang.
In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Handel der Schweiz mit China mehr als verzehnfacht. Nach der Einigung auf ein Freihandelsabkommen dürfte die Volksrepublik für die hiesigen Unternehmen weiter als Absatzmarkt an Bedeutung gewinnen. Deshalb sind auch wir hier in der Schweiz an einer florierenden chinesischen Binnenwirtschaft und einem gesunden Bankensystem interessiert. Bleibt zu hoffen, dass sich die China-Fantasien für unsere Börsenlieblinge nicht früher oder später als Bumerang erweisen.
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Aufgrund der starken Stellung in den Schwellenländern standen die Namenaktien von Holcim noch bis vor wenigen Wochen hoch in der Gunst der Anleger. Seither haben sich die Rahmenbedingungen in einigen Schlüsselmärkten des Ostschweizer Zementherstellers jedoch spürbar eingetrübt, was nicht ohne Auswirkungen auf die Kursentwicklung blieb.
Auch am frühen Freitagnachmittag liegen die Papiere wieder im Angebot. Aus dem Berufshandel wird mir von grösseren Verkaufsaufträgen aus dem angelsächsischen Raum berichtet. Vermutlich stehen diese im Zusammenhang mit einer Studie von Merrill Lynch zur europäischen Zementindustrie.
In der Studie berichtet der viel beachtete Verfasser von einem schwachen Volumenabsatz und steigenden Kosten in Indien, rückläufigen Absatzpreisen in Malaysia, steigenden Kosten in Indonesien, einem schwachen Volumenabsatz und rückläufigen Absatzpreisen in Mexiko und Marokko sowie von einem schwachen Volumenabsatz und steigenden Kosten in Ägypten. Alleine diese sechs Märkte würden bei Holcim rund 40 Prozent zum jährlichen EBITDA beitragen.
Als Konsequenz stuft der Experte die Aktien von Holcim von «Neutral» auf «Underperform» zurück. Nach einer einschneidenden Abwärtsrevision der Gewinnschätzungen liegen die neuen Annahmen für die Jahre 2013 und 2014 um bis zu 14 Prozent unter den jeweiligen Konsensschätzungen. Dieser Faktor spiegelt sich auch im neu 60 (76) Franken lautenden Kursziel.
Der einst hoch gelobte Ergebnisbeitrag aus den Schwellenländern wird für Holcim immer mehr zum Bumerang. Die dortige Situation hat sich in den letzten Wochen spürbar verschlechtert. Dies gilt insbesondere für den Schlüsselmarkt Indien. Darüber hinaus muss das Ostschweizer Unternehmen dem ungünstigen Währungsumfeld Tribut zollen. Ich bleibe deshalb auf einen Anlagehorizont von wenigen Wochen betrachtet bei meiner vorsichtigen Haltung für diese Aktien.
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Schon seit Monaten gehören die Namenaktien von Lonza hierzulande überraschend zu den absoluten Überfliegern. Überraschend deshalb, weil man sich am Hauptsitz des Unternehmens in Basel in Bezug auf die Geschäftsentwicklung eher vorsichtig zeigt.
Wie mir aus dem Berufshandel berichtet wird, wird das Handelsgeschehen denn auch von Deckungskäufen und nicht von fundamental begründeten Anlagekäufen bestimmt.
Nachdenklich sollte auch ein Kommentar aus dem Handel der MainFirst Bank stimmen. Der beim Bankinstitut für Lonza zuständige Experte senkt seine EBIT-Schätzungen für die Jahre 2013 und 2014 um 3,8 und 2,6 Prozent. Er trägt damit der grundsätzlich verhaltenen Nachfrage seitens von Grosskunden aus der Pharma- und Biotechnologieindustrie, dem witterungsbedingt späten Start der Badesaison und der negativen Veränderung bei der Umsatzzusammensetzung im Geschäft mit biopharmazeutischen Produkten Rechnung. Dazu komme der zuletzt zur Schwäche neigende Dollar, so der Experte weiter. Bei der MainFirst Bank werden die Aktien von Lonza deshalb unverändert mit «Underperform» und einem Kursziel von 57 Franken zum Verkauf empfohlen.