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Noch in den 1980er-Jahren bedeutete es etwas, für eine Bank zu arbeiten. Doch das Ansehen des Bankmitarbeiters hat gelitten. In Anbetracht der seitherigen Krisen, Skandale und Manipulationen überrascht das nicht. Einen noch schlechteren Ruf als der Investmentbanker oder der Anlageberater hat nur der Aktienanalyst.

Ihm wird vorgeworfen, oft und gerne mit dem Strom zu schwimmen und meist nur reaktiv zu handeln. Ob zu Recht oder zu Unrecht, ob eigen- oder fremdverschuldet, darüber lässt sich im Guten streiten.

Wie bei so manchen Dingen im Leben liegt die Wahrheit vermutlich irgendwo dazwischen. Es gibt nämlich durchaus auch fähige Aktienanalysten mit einem Leistungsausweis, der sich sehen lassen kann.

Gerade Experten aus dem angelsächsischen Raum wird allerdings nachgesagt, dass sie gerne zu Übertreibungen neigen.

Bekanntestes Beispiel ist hierzulande die aggressive Kaufempfehlung des für RBC Capital Markets tätigen Aktienanalysten für die Namenaktien von Santhera. Erst vor wenigen Wochen nahm er eine Verdoppelung seines Kursziels auf 340 (172) Franken vor.

Nach der Marktzulassung für das Medikament Raxone zur Behandlung von Leberscher hereditärer Optikusneurophatie in Europa sei eine Anwendungserweiterung nur noch eine Frage der Zeit. Ausserdem werde das Biotechnologieunternehmen dank des deutlich höher als erwarteten Verkaufspreises schon bald schwarze Zahlen schreiben, so lautete die Begründung damals.

Davon angetrieben, kletterten die Papiere innerhalb weniger Tage um 30 Prozent auf knapp 140 Franken. Inzwischen sind sie wieder für unter 100 Franken zu haben. Auch wenn das Kursziel von RBC Capital Markets mehr als eine Verdreifachung erwarten lässt - ganz abwegig ist es nicht. Zumindest dann nicht, wenn man das Umsatzpotenzial von Raxone ins Verhältnis zum aktuellen Börsenwert von rund 520 Millionen Franken setzt.

Ich nehme die heutige Kolumne deshalb zum Anlass, Santhera per sofort in meine Favoritenliste aufzunehmen.

Ein in London angesiedelter Berufskollege der UBS zündete seinerseits am Freitag bei den Namenaktien von Sunrise Communications ein Kursfeuerwerk. Obschon er das 12-Monats-Kursziel für den Börsendebütanten rigoros auf 78 (88) Franken zusammenstrich, bekräftigte er seine Kaufempfehlung. Auf Basis der bankeigenen Schätzungen für das kommende Jahr errechnet sich eine attraktiv hohe Dividendenrendite von 7 Prozent. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Nummer zwei im Mobilfunkmarkt mittlerweile von der Börse rund 30 Prozent tiefer bewertet wird als noch vor drei Monaten.

Vom Kursziel von 78 Franken lässt sich ein Aufwärtspotenzial von 42 Prozent für die Aktien von Sunrise Communications ableiten. Damit steht die Grossbank bei weitem nicht alleine da. Bei der Deutschen Bank und Morgan Stanley wird den Papieren sogar ein Anstieg auf 80 Franken zugetraut. Alle drei Banken waren übrigens in die Publikumsöffnung von Anfang Februar eingebunden. Ein Schuft, wer bei den optisch noch immer hohen Kurszielen deshalb Böses denkt.

Ungläubiges Staunen löst auch das Kursziel von Goldman Sachs für die Namenaktien von Adecco aus. Es ist noch keine Woche her, dass der für die amerikanische Grossbank tätige Experte dieses auf 105 (107) Franken reduzierte. Selbst nach dieser Anpassung sieht er die Valoren des Westschweizer Stellenvermittlers über die nächsten zwölf Monate um 46 Prozent steigen.

Noch ist unklar, ob Adecco das sich selber gesteckte Ziel einer operativen Marge (EBITA) von 5,5 Prozent erreichen wird. Vom Zahlenkranz des amerikanischen Rivalen Manpower lassen sich jedenfalls keine ermutigenden Rückschlüsse auf die Schlüsselmärkte Frankreich und Nordamerika ziehen. Ohne Wachstumsbelebung in diesen doch sehr wichtigen Regionen bleibt das Margenziel bloss Wunschdenken.

Der Technologieanalyst von BNP Paribas rettet die Ehre der Europäer und beweist eindrücklich, dass aggressive Kaufempfehlungen nicht zwingend aus dem angelsächsischen Raum stammen müssen. Auf Basis des überzeugenden Zahlenkranzes vom vergangenen Donnerstag beziffert er das Kursziel für die mit "Outperform" empfohlenen Namenaktien von Logitech neu auf 21 (20) Franken. Das Wachstum im Geschäft mit innovativen Peripheriegeräten habe selbst die optimistischsten Annahmen übertroffen, so begründet er die Kaufempfehlung. Selbst nach dem jüngsten Kurssprung errechnet sich beim Westschweizer Unternehmen noch immer ein Aufwärtspotenzial von gut 40 Prozent.

Dem Experten in nichts nachsteht sein für die MainFirst Bank tätiger und für die Finanzwerte verantwortlicher Berufskollege. Ihm scheinen es die Namenaktien von Leonteq ganz besonders angetan zu haben. Davon zeugt zumindest das Kursziel von 280 Franken.

Das Geschäftsmodell des Anbieters von strukturierten Produkten kann denn auch überzeugen. Die Technologieplattform kann beliebig um weitere Partnerunternehmen oder Produktkategorien erweitert werden. Dem Ganzen sind kaum Grenzen gesetzt.

In den vergangenen Wochen hatten die Valoren der ehemaligen Tochter von EFG International jedoch einen schweren Stand. Der Grund war unter anderem die stark nachlassende Nachfrage nach strukturierten Produkten im Heimmarkt Schweiz. Von den bisherigen Höchstkursen vom August trennen die Aktien 30 Prozent, vom Kursziel der MainFirst Bank sogar ganze 57 Prozent.

Ich warne entschieden davor, sich blind auf diese euphorisierenden Kaufempfehlungen und Kursziele zu verlassen. Viel wichtiger ist, was für Überlegungen den Aktienanalysten zu solchen bewegt. Aus Anlegersicht ist nämlich bei weitem nicht bei jedem der empfohlenen Unternehmen gleichermassen "Fleisch am Knochen". Ausserdem möchte ich an dieser Stelle einmal mehr betonen, dass auch ich nur mit Wasser koche. Alles andere wäre schlichtweg gelogen.

 

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