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Mit dem gestern veröffentlichten Zahlenkranz sorgte die UBS gleich in mehrfacher Hinsicht für überraschte Gesichter. Denn obschon die in Zürich beheimatete Grossbank weitere Rückstellungen zur Beilegung von Rechtsstreitigkeiten ins zurückliegende dritte Quartal packte, verfehlte sie die Erwartungen der Analysten nur knapp.

Dabei bedienten sich die Entscheidungsträger eines buchhalterischen Kniffs: Um die 1,84 Milliarden Franken schweren Rückstellungen stemmen zu können, verlängerten sie die Verrechnungsperiode für die steuerlich verrechenbaren Verlustvorträge von fünf auf sechs Jahre. Dadurch liess sich der Gewinn um 1,32 Milliarden Franken aufblähen.

Mit anderen Worten: Die UBS nutzt ihre in der Finanzkrise mit verbrieften Kreditforderungen erlittenen Verluste, um damit zukünftige Vergleichs- und Strafzahlungen zur Beilegung von Rechtsstreitigkeiten aufzufangen - so abenteuerlich das auch anmutet.

An der gestrigen Analystenkonferenz liessen die Vertreter der UBS keine Zweifel offen, dass es sich dabei nicht um einen einmaligen Ausrutscher handelt. Diese Meinung vertritt auch der für die Société Générale tätige Bankenexperte. In einem Kommentar äussert er die Vermutung, dass System dahinterstecken könnte. Schliesslich sitze die Grossbank noch immer auf steuerlich verrechenbaren Verlustvorträgen im Gegenwert von 23,1 Milliarden Franken. Davon entfallen dem Experten zufolge 16,4 Milliarden Franken auf die USA, 2,8 Milliarden Franken auf die Schweiz, 2,9 Milliarden Franken auf Grossbritannien und die verbleibende Milliarde Franken auf andere Länder.

Während andere Banken für ihre Verlustvorträge eine Verrechnungsperiode von 15 bis 20 Jahren vorsehen, sind es bei der UBS nach der jüngsten Neubeurteilung erst sechs Jahre. Gerade in den USA habe die Grossbank damit noch immer gewaltigen Spielraum, um zukünftige Kosten für Rechtsstreitigkeiten bilanztechnisch aufzufangen.

Die Auswirkungen weiterer Rückstellungen auf die Gewinnentwicklung und die Eigenkapitalbasis der UBS seien daher gleich null, so der Verfasser des Kommentars weiter. Während der Erzrivalin Credit Suisse im Falle eines regulatorischen Minimums für die sogenannte Leverage Ratio eine Kapitalerhöhung drohe, sei die grössere der beiden Grossbanken fein raus. Bei der Société Générale werden die Aktien der UBS weiterhin mit einem 12-Monats-Kursziel von 23,50 Franken zum Kauf empfohlen.

Schon seit Jahren werden die sich der UBS mit den Verlustvorträgen eröffnenden Möglichkeiten in Expertenkreisen heiss diskutiert. Seit gestern ist nun klar, dass die Entscheidungsträger diese Möglichkeiten auch ohne mit der Wimper zu zucken nutzen werden.

Ob sich dadurch die Dividendenaussichten wieder aufhellen und die Grossbank auch wirklich Aktionärswerte schaffen kann, wird sich allerdings zeigen müssen.

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Die Medienstelle der UBS nimmt dazu wie folgt Stellung:

"Im Cash Insider wird der Eindruck erweckt, dass sich UBS eines Tricks bedient, um das Ergebnis  des 3. Quartals zu beschönigen. Dies ist falsch und unangemessen. Aufgrund von Verlusten in der Vergangenheit, ist es Unternehmen aufgrund geltender IFRS-Buchhaltungsstandards und aufgrund geltender Gesetze möglich, Verlustvorträge mit dem Gewinn zu verrechnen. Bei UBS erfolgt die Aktivierung von Verlustvorträgen auf der Grundlage einer jährlichen Überprüfung des operativen Geschäftsverlaufs über die nächsten 6 Jahre."

Der cash Insider hält an seiner Version und Formulierung fest.

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Seit gestern tagen am Hauptsitz der US-Notenbank in Washington die Mitglieder des Offenmarktausschusses unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dass das Rückkaufprogramm für amerikanische Staatsanleihen und verbriefte Hypotheken ganz eingestellt wird, gilt als sehr wahrscheinlich.

Während die Marktakteure rund um den Globus in wenigen Stunden gespannt in Richtung Washington blicken, wird der Chefstratege von Stifel Nicolaus dem Entscheid vermutlich gelassen entgegenblicken.

In einem mir aus dem Berufshandel zugespielten Kommentar gewinnt der Experte dem sich abzeichnenden Ende der Rückkäufe sogar Positives für die Aktienmärkte ab.

Mit ihrem Rückkaufprogramm habe die US-Notenbank künstlich die Reserven der amerikanischen Banken und damit die sogenannte monetäre Basis anschwellen lassen. Darunter habe allerdings die Umlaufgeschwindigkeit der Geldmenge gelitten. Stellen die Währungshüter das Programm nun ein, werde sich die Umlaufgeschwindigkeit wieder erhöhen, so ist sich der Experte sicher.

Die in diesem Zusammenhang erwartete Belebung bei der Kreditvergabe spreche für eine Beschleunigung des Wirtschaftswachstums und das erst noch bei gleichzeitig zahmer Inflation. Der Chefstratege von Stifel Nicolaus erachtet ein solches Umfeld als geradezu ideal für den amerikanischen Aktienmarkt.

Vermutlich gestaltet sich die Realität allerdings nicht ganz so wolkenlos, wie dies der Experte gerne hätte. Denn die US-Notenbank war in den letzten Jahren immer kurz nach dem Auslaufen zins- und geldpolitischer Massnahmen zu erneutem Handeln gezwungen.

Die amerikanische Wirtschaft hat zweifelsohne an Kraft gewonnen. Damit steht sie allerdings ziemlich alleine da. In den Schwellenländern hat das immense Wachstum der letzten Jahre strukturelle Ungleichgewichte geschaffen und auch in Europa bleibt die Erholung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eine zarte und verletzliche Knospe.