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Zwei Schritte vor – und einer wieder zurück. Besser liesse sich das Handelsgeschehen der letzten Tage am Schweizer Aktienmarkt kaum umschreiben. Der Swiss Market Index (SMI) steuert vor dem langen Osterwochenende auf ein leichtes Plus zu.
Dass die New Yorker Leitbörse nach der jüngsten Rekordjagd sichtlich Mühe bekundet, scheint die hiesigen Marktakteure nicht weiter zu beunruhigen - derweil dort die Anhaltspunkte für eine Überhitzung fast täglich mehr werden.
Gerade erst am Dienstag meldete sich der früher für die Credit Suisse tätige Andrew Garthwaite zu Wort. Mittlerweile für die UBS tätig, warnte der in den Londoner Büros der Grossbank sitzende Stratege vor einem möglichen Börsenrücksetzer. Seine taktischen Indikatoren seien im extrem überkauften Bereich angelangt, was für moderat tiefere Aktienkurse spreche. Mit einer grösseren Börsenkorrektur von 5 Prozent oder mehr rechnet allerdings auch er nicht.
Gar von einem Anflug von Casino-Stimmung unter den amerikanischen Aktienmarktakteuren zeugen Erhebungen der dortigen Beratungsfirma Refinitiv. Sie berichtet, dass die durchschnittliche Haltedauer für Aktien an der New York Stock Exchange (NYSE) zuletzt auf wenige Monate und damit auf den tiefsten Stand seit Beginn der Erhebungen im Schicksalsjahr 1929 gesunken sind. Zum Vergleich: Selbst auf dem Höhepunkt der Dotcom-Blase im Frühsommer 2001 betrug die durchschnittliche Haltedauer mehr als ein Jahr.
Und dann sind da noch Berechnungen von Goldman Sachs, wonach die durchschnittliche Aktienquote amerikanischer Privathaushalte zuletzt auf 49 Prozent des Gesamtvermögens gestiegen ist. Das entspricht seit 2009 mehr als einer Verdoppelung, lag die Quote damals doch gerade einmal bei 22 Prozent. Der langjährige Rekordwert von 49 Prozent wurde übrigens letztmals ebenfalls im Frühsommer 2001 gemessen.
Man muss kein alteingesessener Börsenprofi zu sein, um anhand der Erhebungen von Refinitiv und Goldman Sachs erahnen zu können, dass das Geschehen an den Aktienmärkten ganz schön spekulationsgetrieben ist. Und die derivatseitigen Handelsaktivitäten scheinen diese Vermutung bestätigen zu wollen.
Von so etwas wie einer Überhitzung zeugen auch die teils extrem anmutenden Kaufempfehlungen und Kurszielerhöhungen. Alleine gestern Mittwoch berichtete ich in meiner Kolumne von gleich drei geradezu spektakulären Aktienumstufungen von "Sell" auf "Buy". Dass ein Analyst seine Verkaufsempfehlung überdenkt, kommt immer mal wieder vor. Dass eine Aktie, welche teilweise über Jahre hinweg zum Verkauf empfohlen wird plötzlich ein Kauf sein soll, geschieht eher selten.
Auch für den diesjährigen SMI-Überflieger Lonza trafen in den vergangenen Tagen zwei weitere Kaufempfehlungen ein. Analyst Gary Steventon von BNP Paribas nahm die Wiederabdeckung mit "Outperform" und einem Kursziel von 600 Franken auf und die für Mirabaud Securities tätige Analystin Anja Pomrehn stufte die Valoren des Pharmazulieferers mit einem Kursziel von immerhin 580 (zuvor 485) Franken von "Hold" auf "Buy" herauf. Heute Freitag folgt nun auch noch Christopher Richardson von Kepler Cheuvreux und geht von "Reduce" auf "Buy". Auf Basis des soliden letztjährigen Ergebnisses und der milliardenschweren Übernahme einer Produktionsstätte von Roche veranschlagt er neuerdings ein Kursziel von 600 (zuvor 304) Franken. Alles ganz nach dem Motto: Besser spät als nie.
Höhenflug der Lonza-Aktien über die letzten drei Monate (Quelle: www.cash.ch)
Denn schliesslich liegen die Lonza-Aktien alleine seit Jahresbeginn mit fast 50 Prozent im Plus. Wie schnell sich das Basler Unternehmen an der Börse vom Sorgenkind zum Musterknaben gemausert hat, verblüfft selbst mich, der die Aktien nunmehr schon seit Mitte September bei Kursen von um die 430 Franken zu seinen Schweizer Aktienfavoriten zählt.
Aufmerksamkeit wurde in den letzten Tagen Morgan Stanley zuteil, nachdem der Telekommunikationsanalyst Nawar Cristini sein Kursziel für die als eher langweilig verschrienen Aktien der Swisscom auf 750 (zuvor 650) Franken hochschraubte. Alleine schon des rechnerischen Aufwärtspotenzials von 40 Prozent wegen überrascht es mich nicht, dass der Analyst an der "Overweight" lautenden Kaufempfehlung festhält.
Cristini zufolge wird die Swisscom nach der milliardenschweren Übernahme von Vodafone Italia nicht mehr die alte sein und in neuem Glanz erscheinen. Umso mehr sieht er im Schweizer Telekommunikationsanbieter den neuen Branchenfavoriten.
Die kräftige Kurszielerhöhung verlieh den Valoren in den letzten Tagen nochmals Auftrieb. Seit bekannt wurde, dass die Tinte auf dem Kaufvertrag bereits trocken ist, schoss der Kurs um gut 10 Prozent nach oben.
Die Aktien von Holcim spielen schon seit Jahren stets oben auf der SMI-Gewinnerliste mit (Quelle: www.cash.ch)
Analyst Sven Edelfelt bei der französischen Investmentbank Oddo springt seinerseits in unmittelbarer Nähe zu den historischen Höchstkursen bei den Aktien von Holcim auf. Er geht von "Neutral" auf "Outperform" – und das mit einem Kursziel von 95 (zuvor 73) Franken. Und um seiner neu gewonnenen Zuversicht den nötigen Nachdruck zu verleihen, setzt er die Valoren des Weltmarktführers aus Zug auch gleich noch auf die "European Large Caps List".
Schneller, höher, weiter – so lautet das Motto der Stunde. Wenn das mal nur gut geht...
Hohe Wellen warf auch der Aufstieg der Fondstochter der UBS in den Olymp der Grossaktionäre bei der eigenen Mutter. In meiner Kolumne vom Dienstag erklärte ich, weshalb der Kauf von UBS-Aktien durch die Fonds-Manager der Grossbank eher ungewöhnlich ist. Gleichzeitig lieferte ich mögliche Erklärungen für dieses Phänomen.
An dieser Stelle möchte ich meinen Leserinnen und Lesern ein frohes Osterwochenende wünschen. Das nächste Insider Briefing und die nächste Kolumne erscheinen feiertagsbedingt am Dienstag, 2. April 2024, um die gewohnte Zeit. Mal schauen was für Überraschungen die kommende Woche für uns auf Lager hat. Mehr dazu am nächsten Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.
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1 Kommentar
Nun gut, Lonza ist schon doll gestiegen. Aber man muss auch sagen, dass die Aktie vor einem Jahr noch höher stand als heute. Sie hat sich eigentlich nur vom Crash im letzten Herbst erholt.