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Lonza geht bei den Unternehmen aus dem Swiss Market Index (SMI) als Gewinner aus der ersten Jahreshälfte hervor. Es war ein knapper Entscheid, lieferte sich der Pharmazulieferer aus Basel auf der Zielgeraden doch ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit ABB. Noch vor wenigen Wochen sah es ganz danach aus, als ob das schweizerisch-schwedische Industrie-Urgestein als Gewinner daraus hervorgehen würde.
Dennoch dürfte sich bei Analyst Christopher Richardson von Kepler Cheuvreux die Freude darüber wohl in Grenzen halten. Denn Richardson sorgte in Börsenkreisen für einen Aufschrei, als er die Aktien von Lonza im Dezember im Zuge einer Wiederabdeckung mit "Reduce" und einem Kursziel von gerade einmal 304 Franken einstufte. Ende März zeigte er sich dann geläutert und stufte die Valoren des Pharmazulieferers auf "Buy" herauf. Bei dieser Gelegenheit verdoppelte er sein Kursziel gleich mal auf 600 Franken.
Kosteten die Aktien damals um die 535 Franken, sind sie mittlerweile wieder für rund 500 Franken zu haben. Wenige Monate nach dieser Kehrtwende stellt Kepler Cheuvreux die Abdeckung von Lonza überraschend ein. Anleger sollten sich deshalb nicht länger auf das letzte Anlageurteil, das Kursziel oder die Schätzungen verlassen, wie der Broker in einem mir zugespielten Kommentar wortkarg festhält.
Kursentwicklung der Lonza-Aktien seit Jahresbeginn (Quelle: www.cash.ch)
Gründe für diesen Schritt werden keine genannt. Das macht Kepler Cheuvreux übrigens zum Wiederholungstäter. Schon Mitte Oktober letzten Jahres stellte man die Abdeckung der Aktien von Lonza von einem Tag auf den nächsten ein. Und das nicht eben weniger wortkarg. Rückblickend stellte sich dann heraus, dass der zuständige Analyst bei einem Finanzinvestor anheuerte. Dort arbeitet er noch heute.
Ob sich der Pharmazulieferer an der SMI-Spitze halten kann, darüber entscheidet nicht zuletzt der Zahlenkranz für die erste Jahreshälfte. Dieser steht am 25. Juli zur Veröffentlichung an. Vermutlich werden die ersten Banken ihre Schätzungen schon kommende Woche kommunizieren – Kepler Cheuvreux ganz bestimmt nicht...
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Erst sah es nicht danach aus. Doch dann setzte der "Fluch des Reverse-Splits" den Aktien von Meyer Burger doch noch zu. Wurden am ersten Handelstag der neuen Titel in der Spitze noch Kurse von bis zu 8,75 Franken bezahlt, ging es ab dann nur noch bergab. Am Freitag kosteten die Valoren des Solarunternehmens zeitweise keine 5 Franken mehr.
Gerade im Ausland sorgte die Aktienzusammenlegung im Verhältnis 750 zu eins teilweise für Verwirrung. So meldete ein bekannter britischer Anbieter von Börsendaten letzte Woche etwa neue Jahreshochs für die Valoren von Meyer Burger – was so natürlich nicht richtig ist. Vielmehr liegt ihr Kurs nur noch unwesentlich über den historischen Tiefstständen aus der Zeit unmittelbar vor dem Reverse-Split.
Das überrascht insofern, als dass das Solarunternehmen mit ermutigenden Neuigkeiten rund um den Produktionsaufbau in Goodyear im amerikanischen Bundesstaat Arizona aufwarten konnte. Wie die für die Deutsche Bank tätige Analystin Mengxian Sun schreibt, gilt das Interesse nun der sogenannten 45x Finanzierung aus dem "Inflation Reduction Act". Diese sollte noch vor Ende September stehen, wenn alles nach Plan läuft.
Kurszerfall bei den Aktien von Meyer Burger in den vergangenen Tagen (Quelle: www.cash.ch)
Die Analystin geht davon aus, dass Meyer Burger die erste Jahreshälfte mit einem Umsatz von 34 Millionen Franken und einem operativen Verlust (EBITDA) in Höhe von 139 Millionen Franken abgeschlossen hat. Das deckt sich in etwa mit den Schätzungen anderer Berufskollegen.
Ich befürchte, dass die Aktien von Meyer Burger auch in Zukunft ein Spielball der Spekulanten bleiben. Da wären zum einen die vielen ausstehenden Derivate auf die Valoren des Solarunternehmens, zum anderen aber auch die üppigen Wetten der Leerverkäufer. Letztere wetten mit knapp 12 Prozent der ausstehenden Titel auf rückläufige Kurse, wie Erhebungen der Beratungsfirma S&P Global zeigen. Beides spricht eher dagegen, dass Meyer Burger an der Börse wieder ruhigere Gewässer ansteuert.
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