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Was war das bloss wieder für eine Woche am Schweizer Aktienmarkt. Rückblickend war für jeden Geschmack etwas dabei – ganz egal ob nun Übernahmespekulationen rund um Clariant, die verbissene Offensive der oppositionellen Aktionäre bei Aryzta oder die Erfolgswelle, auf der Leonteq auf einmal reitet. Von den geradezu erschreckenden Covid19-Statistiken aus vielen Weltregionen und der schleichenden Eskalation in den Handelsbeziehungen zwischen Washington und Peking gar nicht erst zu sprechen...
Angesichts der nicht sehr schlüssigen Nachrichtenflut darf man es den hiesigen Marktakteuren nicht verübeln, wenn sie am einen Tag überschwenglich optimistisch und schon am nächsten wieder völlig verunsichert sind. Wie sehr mich diese Stimmungsschwankungen doch an meine beiden Teenager-Töchter zu Hause erinnern...
Doch auch die in wenigen Tagen anlaufende Halbjahresberichterstattung trägt spürbar zur Nervosität bei. Am kommenden Montag läutet Geberit jene bei den Unternehmen aus dem Swiss Market Index (SMI) ein, wenn der Sanitärtechnikkonzern früher als ursprünglich geplant seine Halbjahresumsatzzahlen vorlegt. Meine Vermutung: Anders als andere Unternehmen dürften sich die Rapperswiler wacker geschlagen haben. Der Zahlenkranz dürfte bloss ein kleiner Vorgeschmack auf das sein, was uns über die Sommermonate erwarten könnte. Wenn sich heute überhaupt etwas zuverlässig voraussagen lässt, dann dass für Überraschungen unterschiedlichster Couleur gesorgt ist.
Dass letztendlich die Erwartungshaltung der Marktakteure über die Vorzeichen der Kursbewegungen entscheidet, macht die Sache nicht eben einfacher. So ist die Frage nicht ob die Swatch Group in den ersten sechs Monaten einen Verlust eingefahren hat, sondern vielmehr wie hoch dieser ausfällt und was bereits eingepreist ist. Schliesslich gehören die Inhaberaktien mit einem Minus von 30 Prozent seit Jahresbeginn zu den Schlusslichtern aus dem SMI.
Die Inhaberaktien der Swatch Group mussten in den letzten 12 Monaten Federn lassen (Quelle: www.cash.ch)
Was das hiesige Handelsgeschehen anbetrifft, so hat das angelaufene dritte Quartal begonnen, wie das vorangegangene endete: Mit grösseren Sektorrotationen weg von den Schwergewichten Nestlé, Roche und Novartis. Gerade bei den mächtigen angloamerikanischen Grossinvestoren scheinen diese Valoren nicht länger "en vogue".
Am gestrigen Donnerstag schrieb ich in diesem Zusammenhang:
Stattdessen gilt das Interesse einmal mehr ein paar wenigen Spezialsituationen. So überrascht mich nicht, dass die Aktien von Zur Rose auch am heutigen Freitag wieder neue Kursrekorde schreiben. Seit der ehemalige Ankeraktionär KWE Beteiligungen ausgestiegen ist, hat sich der Börsenwert der Versandapotheke mehr als verdoppelt. Das dürfte herzlich wenig mit firmenspezifischen Gegebenheiten zu tun haben, wie der Höhenflug bei den Valoren der Rivalin Shop Apotheke in Frankfurt zeigt.
Mit Lonza und Logitech schrieben zuletzt zwei weitere beliebte Aktien aus der Schweiz Kursgeschichte. Diese gebündelte Konzentration von Anlagegeldern ist beeindruckend und beängstigend zugleich. Unnötig zu erwähnen, dass alle drei Papiere auf kurze Sicht ziemlich überhitzt sind. Selbst Berichte über Verzögerungen beim Covid19-Impfstoff des amerikanischen Partnerunternehmens Moderna können den Höhenflug der Lonza-Aktien am heutigen Freitag nicht stoppen.
Als neuste Spezialsituation etabliert sich Clariant. Seit Mittwoch ist bekannt, dass die Sonderdividende von drei Franken aus dem milliardenschweren Verkauf des Geschäfts mit Masterbatches schon kommende Woche fliesst. Gefragt waren die Aktien zuletzt aber vorwiegend aufgrund wiedererwachter Übernahmespekulationen. So war bei den Kollegen vom Tagesanzeiger von einem angeblichen Zerwürfnis mit dem Ankeraktionär Sabic sowie von Gesprächen mit gleich vier ähnlich gelagerten Spezialitätenchemieherstellern zu lesen.
Trittbrettfahrer seien an dieser Stelle allerdings gewarnt: Mit 31,5 Prozent der Stimmen und vier Vertretern im zwölfköpfigen Verwaltungsrat haben die Saudis ein entscheidendes Wort mitzureden – was auch immer kommen möge.
War zur Wochenmitte noch eine rege Nachfrage nach Warrants und Long Mini-Futures auf Clariant zu verzeichnen, brechen diese Derivataktivitäten seither regelrecht weg.
Doch auch Aryzta bleibt ein allgegenwärtiges Thema. Dafür sorgt die oppositionelle Aktionärsgruppe um Veraison. Wie seit dem gestrigen Donnerstag bekannt ist, hat der Vermögensverwalter – vermutlich mit dem Verkaufserlös für die verbleibende Comet-Beteiligung - weitere Aktien zugekauft. Neuerdings hält er gemeinsam mit der spanischen Cobas rund 20 (zuvor 18,4) Prozent der Stimmen. Einer raschen Zuwahl eigener Vertreter in den Verwaltungsrat steht damit wohl nicht mehr viel im Weg.
Die oppositionelle Aktionärsgruppe lässt sich nur sehr langsam in die Karten blicken. Mittlerweile ist bekannt, dass weitere Geschäftsbereiche verkauft und die Schulden um rund 600 Millionen Euro reduziert werden sollen. Wie man die Probleme im Tagesgeschäft angehen will, darüber schweigt man sich weiterhin aus. Dennoch ziehen erste Leerverkäufer die Reissleine. Ziel erfüllt.
Das Kursfeuerwerk bei den Leonteq-Aktien kostete Leerverkäufer in den letzten Tagen viel Geld (Quelle: www.cash.ch)
Apropos Leerverkäufer: Diese kosteten ihre Wetten gegen Leonteq zuletzt viel Geld. In den letzten Tagen wartete der Spezialist für strukturierte Produkte gleich zweimal mit positiven Neuigkeiten auf. Zuerst meldete das Unternehmen eine Produktpartnerschaft mit dem weltgrössten Vermögensverwalter Blackrock, dann legte es mit einer Zusammenarbeit mit Google nach. Das Resultat: Die Aktien notieren um mehr als 20 Prozent höher als noch vor einer Woche. Wie mir mehrere Quellen unabhängig voneinander berichten, haben sich mehrere bekannte Leerverkäufer mächtig die Finger verbrannt. Auch an Leonteq war Veraison einst übrigens beteiligt, womit sich der Kreis wieder schliesst.
Vielleicht kann ich bis nächsten Freitag einige der gestrauchelten Leerverkäufer namentlich in Erfahrung bringen, wenn es dann zum letzten Mal vor meinen Sommerferien heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.
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