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Zwei Einflüsse prägten das Schweizer Börsengeschehen in den letzten Tagen wie keine anderen: Die steigenden Anleihenrenditen in Übersee und die Jahresberichterstattung hiesiger Unternehmen. Während die veröffentlichten Ergebnisse bei den Aktien der betroffenen Firmen vereinzelt für Kursausschläge sorgten, drückten die steigenden Anleiherenditen ganz allgemein auf die Stimmung.

Und das nicht ohne Grund, kletterte die Rendite zehnjähriger amerikanischer Staatsanleihen doch erstmals seit Ende Februar vergangenen Jahres wieder auf über 1,3 Prozent. Julius Bär erhöhte als erste mir bekannte Bank ihre Zinserwartungen deutlich. Der für die Zürcher Bank tätige Ökonom David Kohl sieht die besagte Rendite bis in drei Monaten gar auf 1,55 (zuvor 1,35) Prozent weiterziehen.

Lange ist es her, seit das Zinsgespenst letztmals umging – sehr lange...

Zur Erinnerung: Steigende Zinsen gelten als Gift für Wachstumsaktien, gewinnen Substanzaktien aus Anlegersicht dadurch doch an Attraktivität. Dass neben den hiesigen Wachstumsaktien auch jene von Nestlé, Roche und Novartis unter der Last steigender Zinsen ächzen, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn anders als etwa Zur Rose oder Lonza notieren die drei Schwergewichte aus dem Swiss Market Index (SMI) fernab ihrer Höchststände.

Sowieso können Nestlé, Roche und Novartis der Börse momentan nichts recht machen. Das musste der ansonsten erfolgsverwöhnte Nestlé-Chef Mark Schneider diese Woche gleich zweimal am eigenen Leib erfahren.

Da gibt der Nahrungsmittelmulti aus Vevey den Verkauf des nordamerikanischen Tafelwassergeschäfts für 3,4 Milliarden Dollar an zwei Finanzinvestoren bekannt – und trotzdem gehen die Aktien an diesem Tag etwas tiefer aus dem Handel. Obschon dieser Geschäftsbereich nicht nur als wachstumsarm sondern auch als margenschwach gilt, wohlverstanden. Man habe im Vorfeld mit einem Verkaufserlös von mindestens 4 Milliarden Dollar gerechnet, so die Erklärungsversuche der Marktauguren.

Tags darauf dann dieselbe unterkühlte Börsenreaktion trotz einem insgesamt soliden Jahresergebnis und vielversprechenden zukunftsgerichteten Aussagen. Und wieder steckt der Teufel im Detail: Die Margenentwicklung im Schlussquartal wird den Analystenschätzungen nur knapp gerecht. Ausserdem stellt Firmenchef Mark Schneider zwar auch für das laufende Jahr Margenverbesserungen in Aussicht. Konkret werden will er allerdings noch nicht.

Nestlé-Chef Schneider kann momentan machen, was er will - den eigenen Aktien hilft es nicht (Quelle: www.cash.ch)

Mein persönliches Highlight ist die steigende Bedeutung des Online-Vertriebs. Im vergangenen Jahr setzte Nestlé in diesem aufstrebenden Geschäftsbereich fast 50 Prozent mehr um als im Jahr zuvor. Dadurch wuchs der Anteil am Gesamtumsatz immerhin auf respektable 12,8 Prozent. Man könnte schon fast behaupten, Nestlé wandle auf den Spuren des amerikanischen Online-Giganten Amazon.

Es grenzt übrigens schon fast ein bisschen an Hohn: Egal ob durch Merrill Lynch, Goldman Sachs oder Morgan Stanley – kaum eine amerikanische Investmentbank, welche die Aktien von Nestlé nicht mit einem Kursziel von mindestens 125 Franken anpreist.

Die ganze Welt empfiehlt die Aktien lauthals zum Kauf, doch kaum jemand lässt auf Worte auch Taten folgen. Genau die Banken, die am lautesten schreien, machen momentan einen grossen Bogen um die drei SMI-Schwergewichte.

In der ersten Hälfte dieser Woche schlief das Handelsgeschehen in diesen Valoren regelrecht ein. Selbst am späteren Nachmittag waren an einigen Tagen bloss Titel im Gegenwert 100 Millionen Franken oder weniger umgegangen. Man konnte schon fast von einem Käuferstreik sprechen. Nur dem nahenden Derivat-Verfall ist es zu verdanken, dass nun wieder etwas Leben ins Geschehen kommt.

Neben dem Derivat-Verfall, den steigenden Zinsen und der Jahresberichterstattung stand das hiesige Handelsgeschehen im Zeichen geradezu spektakulärer Aktienumstufungen.

Auf die für einige Beobachter überraschende Herunterstufung der Genussscheine von Roche von "Buy" auf "Neutral" durch die UBS möchte ich an dieser Stelle nicht mehr gross eingehen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf meine Kolumne von gestern Donnerstag.

Nicht weniger spektakulär die Erstabdeckung der Aktien von Meyer Burger mit einer Kaufempfehlung und einem Kursziel von 0,56 Franken durch Jefferies. Sollte der Vorstoss des Solarzulieferers in die Produktion von Solarzellen und –module von Erfolg gekrönt sein, geht die amerikanische Investmentbank gar von Kursen von fast einem Franken aus. Eine schallende Ohrfeige ins bereits geschundene Gesicht der Leerverkäufer.

Wenige Tage zuvor mischte der für J.P. Morgan tätige David Adlington die Leerverkäufer schon bei Straumann auf. Der bekannte Medizinaltechnikanalyst stufte die Aktien des Weltmarktführers aus Basel überraschend von "Underweight" auf "Neutral" herauf und zündete am Dienstag im späten Handel so ein kleineres Kursfeuerwerk.

J. P. Morgan verwies die Leerverkäufer bei den Aktien von Straumann am späten Dienstagnachmittag mal eben schnell in die Schranken (Quelle: www.cash.ch)

So richtig wohl scheint es Adlington bei seiner neutralen Haltung allerdings nicht zu sein, wie ein Blick auf das neuerdings 953 (zuvor 716) Franken lautende Kursziel vermuten lässt. Immerhin kosteten die Papiere des Dentalimplantateherstellers zuletzt gut 1140 Franken – oder aber, er will sich alle Möglichkeiten offenhalten.

Bei den Unternehmen aus dem SMI ist die Jahresberichterstattung weit fortgeschritten. Mit Ausnahme von ein paar wenigen Nachzüglern wie etwa Alcon, Swiss Life oder Adecco liegen die Zahlenkränze mittlerweile vor. Das Interesse gilt nun den Firmen aus der zweiten und dritten Reihe. Damit ist bei den betroffenen Aktien für allerlei Kursbewegung gesorgt – an den hiesigen Aktienindizes dürften die Zahlenkränze wohl nicht grossartig rütteln. Wenn sich etwas wie ein roter Faden durch die Berichterstattung zieht, dann dass die Börse nach Haaren in der (Zahlen-)Suppe sucht. Und wer sucht, der findet bekanntlich.

Mehr zum Thema nächsten Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

 

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