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Gestern Dienstag berichtete ich davon, dass Kepler Cheuvreux im Hinblick auf das Börsenjahr 2023 auf europäische Aktien setzt. Um jene aus der Schweiz macht der Broker allerdings einen grossen Bogen, stuften die Strategen um Chefdenker Arnaud Girod unseren Heimmarkt doch kurzerhand von "Overweight" auf "Strong Underweight" herunter. Die defensiven Merkmale der hiesigen Schwergewichte wie Nestlé, Roche oder Novartis seien künftig nicht mehr länger gefragt, so die etwas gar einsilbige Begründung.
Aktienausblick eines bekannten Brokers macht nicht nur Schweizer Börsenbeobachter sprachlos |
Zumindest an der New Yorker Börse stösst Kepler Cheuvreux damit jedoch auf taube Ohren. Wie Erhebungen der Bank of America zeigen, haben die in europäische Aktien investierenden Aktienfonds dort nunmehr schon seit 42 Wochen in Folge einen Nettoabfluss von Geldern zu beklagen. Seit Januar summieren sich die Abflüsse mittlerweile auf 106 Milliarden Dollar. So etwas gab es noch nie zuvor.
Zugegeben: Für Unternehmen ist die Situation in Europa momentan alles andere als gemütlich. Während die wirtschaftlichen Vorlaufindikatoren einen scharfen Abschwung ankündigen, sorgen die hartnäckig hohen Kosten für Druck auf die Margen.
Womöglich ist es diese unheilvolle Kombination, welche amerikanische Marktakteure dazu veranlasst, in Europa parkierte Gelder nach Hause zu holen. Auch dort ist eine wirtschaftliche Wachstumsverlangsamung zu spüren. Dank dem starken Dollar bewegt sich der Margendruck hingegen in einem für viele Unternehmen gerade noch verkraftbaren Rahmen. Unter den Blinden ist der Einäugige - sprich Amerika - halt immer noch König.
Der Stoxx Europe 600 Index umfasst die 600 grössten Publikumsgesellschaften Europas (Quelle: www.cash.ch)
Interessant ist übrigens, dass den Fonds auf Schweizer Aktien in New York auch vergangene Woche unter dem Strich wieder Gelder in Höhe von 200 Millionen Dollar zugeflossen sind. Anders als die zuvor genannten 106 Milliarden Dollar vermuten lassen, erfreuten sich die in Schweizer Aktien investierenden Fonds seit Jahresbeginn eines Nettozustroms von Geldern.
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Die Versicherungsgruppe Zurich Insurance führt die diesjährige Gewinnerliste bei den hiesigen Blue-Chip-Gesellschaften weiterhin an. Während der Swiss Market Index (SMI) seit Januar knapp 14 Prozent eingebüsst hat, konnten die Aktien der Versicherungsgruppe um etwas mehr als 12 Prozent zulegen – den Dividendenabgang vom April noch nicht mitaufgerechnet.
Diese Diskrepanz ruft nun den bekannten Versicherungsanalysten Andrew Sinclair von der Bank of America auf den Plan. In einer 25 Seiten starken Branchenstudie erhöht er sein Kursziel für die dividendenstarken Valoren zwar auf 495 (zuvor 480) Franken. Um seiner grundsätzlich vorsichtigeren Haltung für die europäischen Versicherungsaktien Rechnung zu tragen, straft er sie allerdings von "Buy" auf "Neutral" ab.
Während Sinclair die Versicherungsgruppe aus Zürich und viele ihrer europäischen Rivalen als gut für einen Wirtschaftsabschwung gerüstet erachtet, sieht er den zinsseitigen Rückenwind ab Mitte nächsten Jahres wegfallen.
Die Zurich-Aktien konnten in den letzten Wochen Boden gutmachen (Quelle: www.cash.ch)
Auch die Valoren von Swiss Re bekommen in der Branchenstudie ihr Fett weg, geht der Analyst bei diesen doch sogar von "Neutral" auf "Underperform". Das Kursziel gibt er neuerdings mit 83 (zuvor 80) Franken an.
Wenn Wall-Street-Grössen vom Schlag der Bank of America über einer Aktie den Daumen senken, dann geht das für gewöhnlich mit schmerzhaften Kursverlusten einher. Umso mehr überrascht mich, dass die beiden Abstufungen keine bleibenden Spuren hinterlassen haben. Die Kurse bei Swiss Re und Zurich Insurance wollen einfach nicht runter. Ich kann mir die milde Börsenreaktion eigentlich nur so erklären, als dass der bekannte Versicherungsanalyst eigentlich keine firmenspezifischen Gründe für seine vorsichtigere Haltung geltend machen konnte. Mir soll es recht sein...