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Der Schweizer Aktienmarkt konnte in den letzten Tagen zwar Boden gutmachen. Selbst die etwas hartnäckiger als erhoffte Teuerung in Übersee liess die Kurse nur kurz taumeln. Prompt meldeten sich Vertreter der amerikanischen Notenbank zu Wort und versuchten die Wogen zu glätten – mit Erfolg.

Das ändert allerdings nichts daran, dass das hiesige Börsengeschehen von verwirrenden, ja teils sogar von widersprüchlichen Stimmen begleitet wurde. So hiess es beispielsweise erst, dass an den Aktienmärkten momentan viel Geld an der Seitenlinie verharren würde und Teile davon nur darauf warteten, in Aktien zu fliessen. Dabei verwies man auf Erhebungen der Bank of America, wonach momentan nicht weniger als 6000 Milliarden Dollar in Geldmarktfonds (zwischen-)parkiert sind.

Zeitnah trafen dann die Ergebnisse der monatlich ebenfalls von der amerikanischen Investmentbank durchgeführten Umfrage bei Vermögensverwaltern und Fonds-Managern ein. Umso überraschter war ich, dass die durchschnittliche Liquiditätsquote der Befragten auf 4,2 Prozent und damit auf den tiefsten Stand seit dem Frühsommer 2022 gefallen ist. Eine Liquiditätsquote von weniger als 4 Prozent gilt als unmissverständliches Anzeichen für eine Überhitzung und als zuverlässiger Gegenindikator – was einem Verkaufssignal gleichkommt.

Apropos Überhitzung: Der Höhenflug der Tech-Giganten in New York weckt ja auch in mir unschöne Erinnerungen an die Wochen unmittelbar vor dem Platzen der Dotcom-Blase im Frühling 2001. Damals wie heute gab und gibt es unmissverständliche Anhaltspunkte für eine gefährliche Überhitzung.

Einen Aha-Moment hatte ich in diesem Zusammenhang, als ich in einem Kommentar aus der Feder des Markttechnikexperten Mensur Pocinci von der Bank Julius Bär über folgende Information stolperte: Wie Statistiken zeigen, ziehen dortige Marktakteure schon seit Monaten im grossen Stil Gelder aus dem börsengehandelten Fonds auf den Nasdaq 100 Index mit dreifacher Hebelwirkung ab. Diese Entwicklung spricht ganz klar gegen eine Überhitzung...

...selbst wenn mir mehrere New Yorker Quellen unabhängig voneinander von aggressiven Call-Options-Käufen seitens dortiger Privatanleger auf die beliebtesten Tech-Giganten berichten.

Schwierig einzuschätzen sind auch Anhaltspunkte, wonach mächtige Grossinvestoren – in Börsenkreisen ist auch vom Smart Money die Rede - seit Jahresbeginn vermehrt wieder zu Aktien aus der Schweiz greifen. Zu welchen Aktien denn genau, geht jedoch nicht hervor. Diese verwirrenden, weil teils widersprüchlichen Stimmen machen es einem nicht gerade einfacher, sich eine klare Meinung bilden zu können. Der Grundlärm ist schlichtweg zu laut.

Kommen wir an dieser Stelle auf die vielen Offenlegungsmeldungen zu sprechen. In den letzten Tagen wurden der SIX Swiss Exchange nämlich gleich mehrere geradezu spektakulär anmutende Beteiligungsveränderungen gemeldet.

Über den Beteiligungsausbau des langjährigen Uponor-Grossaktionärs Oras Invest von drei auf fünf Prozent bei der Schaffhauser Industriegruppe Georg Fischer habe ich bereits gestern Donnerstag eingehend berichtet.

Bei Julius Bär kaufte jüngst hingegen die Fondstochter der UBS wacker Aktien zu. Zu erkennen geben mussten sich die Fonds-Manager der Grossbank nur deshalb, weil der Stimmenanteil dadurch auf über fünf Prozent anschwoll. Die Meldung an die SIX liess den Funken überspringen und bescherte den Valoren der Benko-geschüttelten Privatbank aus Zürich ein kleineres Kursfeuerwerk.

Kursentwicklung der Julius-Bär-Aktien in den letzten Tagen (Quelle: www.cash.ch)

Im Gegenzug reduzierte der amerikanische Fondsriese Capital Group sein Vontobel-Aktienpaket erstmals seit dem letzten Sommer wieder auf unter drei Prozent. Dass die Meldepflicht auf die Tage nach der Veröffentlichung eines eher etwas enttäuschenden Jahresergebnisses zurückgeht, lässt tief blicken.

Beim ewigen Turnaround-Kandidaten Ascom steigt hingegen Fund Partner Solutions mit gut drei Prozent ein. Das Mutterhaus Pictet & Cie ist sogar mit mehr als acht Prozent an Bord. Die Genfer sind allerdings schon seit einer gefühlten Ewigkeit am Anbieter von Kommunikationslösungen für Spitäler beteiligt.

Manipulierte Bücher, Scheinpartnerschaften, tiefgreifende Produktprobleme sowie eine irreführende Kommunikationspolitik. Die Liste der Vorwürfe, welche die amerikanische Hindenburg Research gegen Temenos ins Feld führt, ist ganz schön saftig.

Vier lange Monate hat der gefürchtete Leerverkäufer die Bankensoftware-Schmiede aus Genf durchleuchtet und sich dabei mit nicht weniger als 25 ehemaligen Kadermitarbeitern unterhalten. Nun lässt er die Bombe platzen – natürlich nicht ohne sich kurz zuvor Wetten gegen die Aktien angelacht zu haben.

Zumindest der Vorwurf, wonach Temenos seit Jahren eine eher aggressive Buchführungspraktik verfolge, steht schon eine ganze Weile im Raum. Im Zentrum steht dabei die buchhalterische Aktivierung eines Grossteils der Forschungs- und Entwicklungskosten. Ähnliches gilt für die von den Amerikanern ebenfalls angeprangerten Titelverkäufe aus der Teppich-Etage mit einem Marktwert von umgerechnet nicht weniger als 1,1 Milliarden Dollar über die letzten zehn Jahre.

Doch die jetzigen Vorwürfe gehen weit über die bisherigen hinaus. So ist im Bericht von Hindenburg Research neuerdings sogar von aufgebauschten Umsätzen, manipulierten Gewinnen sowie von Scheinpartnerschaften nachzulesen. Nicht auszudenken was wäre, sollten sich diese Vorwürfe bestätigen.

Die Börse reagierte gestern Donnerstag jedenfalls ziemlich ungehalten und schickte den Aktienkurs von Temenos zeitweise um gut 30 Prozent in die Tiefe. Ganz so arg wurden die Valoren noch nie "zusammengefaltet" – obwohl sich in der Vergangenheit schon andere bekannte Leerverkäufer wie etwa ShadowFall an ihnen versuchten.

Vontobel-Analyst Michael Foeth geht auf Nummer sicher und senkt sein Anlageurteil von "Buy" auf "Hold". Gleichzeitig setzt er beim Kursziel den dicken Korrekturstift an und kürzt dieses auf 72 (zuvor 96) Franken. Nach einer Phase mit Veränderungen im Management und Verwaltungsrat sowie der Umstellung des Geschäftsmodells sei das Unternehmen besonders anfällig für Angriffe wie den vorliegenden. Foeth geht davon aus, dass die Aktien solange mit einem Abschlag zum eigentlichen Wert gehandelt werden, bis das Vertrauen wieder hergestellt werden konnte.

Sein Berufskollege Laurent Daure bei Kepler Cheuvreux geht sogar noch einen Schritt weiter und setzt die Einschätzung "Hold" und das Kursziel von 67 Franken bis auf weiteres aus. Er sieht das Unternehmen nun in der Pflicht, die Anschuldigungen aus Übersee detailliert zu widerlegen.

Nun bin ich neugierig, wie die Analysten von Stifel oder J.P. Morgan die Vorwürfe einschätzen. Sie beide preisen die Aktien von Temenos nämlich schon eine ganze Weile zum Kauf an – und das sogar mit Kurszielen von 100 Franken und mehr...

Die Aktien von Temenos erlitten in den letzten Tagen einen schmerzhaften Kursknick (Quelle: www.cash.ch)

Etwas in Mitleidenschaft wurden übrigens auch die Valoren von U-blox gezogen. Mit einem Minus von gut zwei Prozent hielten sich die Kursverluste jedoch in einem überschaubaren Rahmen. Auch dem einzigen reinen Internet-der-Dinge-Unternehmen aus der Schweiz wird in Börsenkreisen nachgesagt, einen etwas gar üppigen Anteil der Forschungs- und Entwicklungskosten gewinnwirksam zu verbuchen. Erst im November sah es sich in diesem Zusammenhang denn auch zu ausserordentlichen Wertberichtigungen gezwungen.

Spätestens seit die Gründeraktionäre von SoftwareOne den Verwaltungsrat kürzlich für seine ablehnende Haltung dem Übernahmeangebot der amerikanischen Bain Capital gegenüber scharf kritisierten, war der Investorentag von gestern Donnerstag mit Spannung erwartet worden. Während der Anbieter von Cloud-Lösungen fürs zurückliegende Jahr mit einem Ergebnis im Rahmen der Analystenschätzungen aufwartete und auch der Ausblick fürs laufende Jahr ohne Überraschungen blieb, galt das Interesse an diesem Tag vor allem den neuen Mittelfristzielen.

Das Unternehmen will bis Ende 2026 den Umsatz jährlich prozentual zweistellig steigern und strebt bis dann eine Verbesserung der operativen Gewinnmarge (EBITDA) auf knapp 28 Prozent an – auf der Basis bereinigter Zahlen, versteht sich.

Wer sich eine üppige Dividendenerhöhung oder Aktienrückkäufe erhofft hatte, wurde allerdings enttäuscht. Der grosse Wurf bleibt damit wohl aus.

Wie der für Julius Bär tätige Analyst Cengizhan Sen schreibt, glaubt er nicht, dass SoftwareOne die neuen Mittelfristziele erreichen wird. Gerade in Sachen Gewinnmarge hält er letztere für zu hoch angesetzt. Dennoch stuft der Analyst die Aktien wie bis anhin mit "Buy" und einem Kursziel von 22,50 Franken ein. Und obwohl er in seinem Bewertungsmodell mit deutlich tieferen Margenannahmen arbeitet, lässt sich von diesen sogar auf einen fairen Aktienkurs von 25 Franken schliessen.

Dennoch könnte ich mir gut vorstellen, dass der Coup der Gründeraktionäre im April gelingt – ganz nach dem Motto: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach...

Kommen wir an dieser Stelle noch auf Sika und Swiss Re zu sprechen. Während die Aktien des Bauchemiespezialisten heute Freitag mit satten Kursgewinnen bedacht werden, werden jene des Rückversicherers ziemlich abgestraft.

Sika schneidet im vergangenen Geschäftsjahr in etwa so ab, wie Analysten es erwartet hatten. Dass das Vorzeigeunternehmen aus dem steuergünstigen Baar im Schlussquartal eine Verbesserung beim Bruttogewinn erzielen konnte, kommt in Börsenkreisen gut an. Dasselbe gilt für den um fast 60 Prozent höheren freien Cashflow. Einige Analysten sehen in der Sika-Aktie sogar eine künftige Dividendenperle.

Bei Swiss Re stösst die Ergebnisqualität auf Kritik. Dass der Rückversicherer aus Zürich das letztjährige Gewinnziel übertreffen und die Analystenerwartungen knapp erfüllen konnte, scheint daher nur von untergeordneter Bedeutung. Auch die leicht rückläufigen Prämienansätze bei der Januar-Erneuerungsrunde kommen nicht gerade gut an.

In einem Kommentar aus dem Hause Julius Bär wird darauf hingewiesen, dass der rechnerische Buchwert per Ende Dezember bei 55,60 Dollar je Aktie lag. Das entspricht umgerechnet 48,55 Franken und damit gerade einmal der Hälfte der zuletzt bezahlten Kurse. Die Aktien werden durch den zuständigen Analysten Peter Casanova trotzdem mit "Hold" und einem Kursziel von 95 Franken eingestuft.

Kommende Woche legt mit Nestlé das letzte der vier SMI-Schwergewichte das Jahresergebnis vor. Die Zahlen dürften den Schweizer Aktienmarkt noch einmal bewegen. In welche Richtung, das wissen wir nächsten Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

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