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Dass Aktienanalysten keinen allzu guten Ruf haben, ist kein Geheimnis. Dennoch wäre es falsch, sämtliche Vertreter dieser Berufsgruppe in ein und denselben Topf zu werfen. In meinen zwei Jahrzehnten als Wirtschaftsjournalist und Börsenkolumnist wurden mir jedenfalls schon oft interessante Unternehmens- oder Branchenstudien zugehalten – darunter solche, die ich sogar als eine Pflichtlektüre bezeichnen würde.
Und dann gibt es da noch jene Analysten, die dafür sorgen, dass mir die teils abenteuerlichen Geschichten für meine tägliche Kolumne nicht ausgehen. Erst vor gut einer Woche berichtete ich beispielsweise von einem Ausblick der Société Générale auf die Jahresergebnisveröffentlichung von Alcon. Darin bekräftigte die Autorin mit dem wohlklingenden Namen Delphine Le Louet zwar ihre "Sell" lautende Verkaufsempfehlung für die Aktien der früheren Novartis-Tochter. Das hielt sie allerdings nicht davon ab, das 12-Monats-Kursziel auf 62 (zuvor 45) Franken zu erhöhen.
Wenige Wochen zuvor hatte die Analystin das in der Augenheilkunde tätige Unternehmen gar als Umweltsünder angeprangert und ihr 12-Monats-Kursziel bei der Gelegenheit überhaupt erst auf 45 Franken reduziert.
Zur Erinnerung: Kurz nach der Abspaltung Alcons von Novartis nahm die Analystin damals die Erstabdeckung der Aktien des Börsendebütanten mit "Buy" und einem 12-Monats-Kursziel von 67 Franken auf. Keine 24 Stunden später krebste sie jedoch reumütig zurück und räumte grundlegende Fehlberechnungen bei ihrem Discounted-Cashflow-Modell ein. Letzteres ergab plötzlich nur noch ein 12-Monats-Kursziel von 44 Franken, was Le Louet zu einer spektakulären Kehrtwende veranlasste. Sie watschte die Papiere von "Buy" auf "Sell" ab.
Kursentwicklung der Alcon-Aktien seit der Abspaltung von Novartis im April 2019 (Quelle: www.cash.ch)
Nun ist die Geschichte um Alcon und die Analystin ein wenig ruhmreiches Kapitel reicher. In einer mir zugespielten Unternehmensstudie knickt Le Louet nun ganz ein und stuft die Aktien mit einem 12-Monats-Kursziel von 65,50 (zuvor 62) Franken von "Sell" auf "Hold" herauf. Und das, obwohl sie ihre Gewinnschätzungen im Anschluss an die Jahresergebnisveröffentlichung gerade einmal um bis zu 2,6 Prozent erhöht und einen prozentual zweistelligen Abschlag für "Umweltsünden" ins Bewertungsmodell einfliessen lässt.
Zumindest für die Leserinnen und Leser meiner Kolumne kommt dieser Handtuchwurf nicht überraschend. Am letzten Dienstag hielt ich fest:
Eine klare Linie lässt auch Analyst James Goodman von der britischen Barclays vermissen. Er frisst neuerdings einen Narren an Temenos und preist die Aktien der Genfer Bankensoftware-Schmiede mit "Overweight" und einem Kursziel von 150 (zuvor 118) Franken zum Einstieg an. Goodman traut dem Unternehmen über die nächsten zwei bis drei Quartale hinweg alleine schon der tiefen Vergleichsbasis wegen positive Ergebnisüberraschungen zu.
Daran ist erst einmal nichts Verwerfliches – hätte der Analyst dieselben Aktien nicht bis Mitte Januar sogar noch mit "Underweight" zum Verkauf empfohlen. Nach den zweifelsohne ermutigenden Aussagen der Temenos-Verantwortlichen sind die Vorbehalte der Briten im Zusammenhang mit der Umstellung des Geschäftsmodells auf Software-im-Abonnement wie verflogen.
Dass damit der Druck auf andere pessimistische Analysten wie etwa Mohammad Moawalla von Goldman Sachs oder Hannes Leitner von der UBS ins Unerträgliche steigt, nimmt der Barclays-Experte billigend in Kauf.
Einem Kaufrausch sind hingegen die Berufskollegen bei Stifel verfallen. Alleine seit Mitte Januar sprach der amerikanische Broker nicht weniger als sieben neue Kaufempfehlungen aus - egal ob für die Valoren von Schindler ("Hold" auf "Buy" mit einem Kursziel von 265 Franken), Interroll ("Hold" auf "Buy" mit einem Kursziel von 3250 Franken), Komax ("Hold" auf "Buy" mit einem Kursziel von 265 Franken), Rieter ("Hold" auf "Buy" mit einem Kursziel von 145 Franken), Metall Zug ("Hold" auf "Buy" mit einem Kursziel von 2100 Franken), Arbonia ("Hold" auf "Buy" mit einem Kursziel von 17,50 Franken) oder zuletzt Swatch Group ("Hold" auf "Buy" mit einem Kursziel von 315 Franken).
Das Ganze erinnert schon beinahe ein bisschen an ein Kind im Süssigkeitenladen. Langjährige Leserinnen und Leser meiner Kolumne dürften erahnen, dass ich mir diese Kaufempfehlungen im Hinterkopf behalten und künftig gegebenenfalls wieder darauf zurückkommen werde...
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