Jurist entdeckte Manipulationen - Wirecard-Management reagierte nicht
Den Namen des Zeugen nannte das Gericht nicht. Er in dem südostasiatischen Inselstaat für die Wirecard-Rechtsabteilung tätig war. Der Jurist kam dort mutmasslichen Scheingeschäften auf die Spur und meldete seinen Verdacht an die Konzernzentrale im Münchner Vorort Aschheim. Da das Wirecard-Management nach Gills Eindruck nichts unternahm, wandte er sich an Journalisten, Staatsanwälte und Wirtschaftsprüfer. Die britische «Financial Times» veröffentlichte im Februar 2019 einen ersten Artikel, der auf Gills Informationen basierte, gefolgt von zahlreichen weiteren Enthüllungen.
Angst um die Sicherheit?
Ein Grund für die Absage war nach Informationen aus dem Umfeld des Gerichts, dass der Zeuge besorgt um seine Sicherheit bei der Verhandlung gewesen sei - allerdings ist der unterirdische Gerichtssaal ein erst vor wenigen Jahren eröffneter unterirdischer Hochsicherheitsbau innerhalb der Mauern der JVA Stadelheim, dem grössten bayerischen Gefängnis. Der Saal ist von keiner Seite aus für Aussenstehende frei zugänglich.
Ex-Vorstandschef Braun wäre erstmals auf den Whistleblower getroffen
Damit wird der seit über vier Jahren in Untersuchungshaft sitzende frühere Wirecard-Chef Markus Braun im Gerichtssaal nicht auf den Mann treffen, der den für den Untergang des Unternehmens entscheidenden Stein ins Rollen brachte. Die «Financial Times» hatte schon Jahre zuvor über mutmassliche Unregelmässigkeiten bei dem deutschen Zahlungsdienstleister berichtet. Doch Gill war der erste Informant, der konkrete Informationen über die mutmasslichen Scheingeschäfte und Bilanzmanipulationen an die Londoner Zeitung weitergab.
Justiz kann Auslandszeugen nicht zum Erscheinen zwingen
Da der Zeuge im Ausland wohnt, kann die deutsche Justiz ihn nicht zu einer Anreise zwingen. Ein Sprecher des Münchner Landgerichts nannte die kurzfristige Absage unverständlich./cho/DP/mis
(AWP)