Bei den Attacken auf Kiew und Dnipro waren mehr als drei Dutzend Menschen getötet und über 140 verletzt worden. Nach Angaben der Militärverwaltung starben in der Hauptstadt mindestens 27 Menschen, unter ihnen drei Kinder, 82 Menschen wurden verletzt. In Dnipro wurden offiziell elf Tote und 59 Verletzte gemeldet. Präsident Wolodymyr Selenskyj präsentiert auf der Plattform X abweichende Zahlen - er sprach von insgesamt 37 Toten und 170 Verletzten, unter ihnen 13 Kinder.

Da Russland im Sicherheitsrat Veto-Recht hat, ist keine einstimmige Verurteilung des Vorgehens der russischen Streitkräfte zu erwarten. «Wir müssen Russland für den Terror zur Rechenschaft ziehen und (Kremlchef Wladimir) Putin für die Befehle zur Durchführung der Angriffe», forderte Selenskyj während eines Besuchs in Warschau. «Wann immer jemand versucht, mit ihm über Frieden zu sprechen, antwortet Russland mit Angriffen auf Wohnhäuser und Krankenhäuser.»

In der ukrainischen Hauptstadt dauerten unterdessen die Bergungsarbeiten an der beschädigten Kinderklinik an. Hunderte Anwohner halfen den Feuerwehrleuten bei der Suche nach weiteren Opfern und beim Räumen der Trümmer. US-Präsident Joe Biden nannte die Angriffe «eine grausame Erinnerung an die Brutalität Russlands». Es sei von entscheidender Bedeutung, dass die Welt in diesem wichtigen Moment weiterhin an der Seite der Ukraine stehe, mahnte er.

UN-Menschenrechtschef verurteilt russischen Angriff auf Krankenhaus

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Türk, verurteilte die Raketenangriffe. «Unter den Opfern waren die kränksten Kinder der Ukraine», sagte er in Genf. Schockierender Weise sei bei einem der Angriffe die Intensivstation des grössten Kinderkrankenhauses der Ukraine schwer beschädigt und die Dialyseabteilung zerstört worden. «Das ist abscheulich», sagte Türk. «Wer Einfluss hat, muss alles tun, damit diese Angriffe sofort aufhören.»

Ebenfalls in Kiew wurden Türks Angaben zufolge mindestens sieben Zivilisten in einem der grössten Zentren für Frauengesundheit in der Ukraine durch herabstürzende Trümmer einer über der Einrichtung abgefangenen Rakete getötet.

Das russische Verteidigungsministerium bestätigte Raketenangriffe, die angeblich Rüstungsfabriken und Militärflugplätzen der Ukraine galten. Die vielen Videobilder aus Kiew belegten aus russischer Sicht, dass die Schäden durch eine ukrainische Flugabwehrrakete verursacht worden seien, hiess es ohne Beleg. Die Erschütterung der Ukrainer über den Angriff tat das Moskauer Militär als «Hysterie des Kiewer Regimes» ab, wie sie sich immer wieder vor Zusammenkünften der Nato zeige.

Nato-Gipfel in Washington beginnt

Mit Feierlichkeiten zum 75. Jubiläum der Nato beginnt ein dreitägiger Gipfel des Verteidigungsbündnisses in Washington. Bei dem Spitzentreffen in der US-Hauptstadt wollen die Staats- und Regierungschefs der 32 Mitgliedsstaaten über den Ausbau der Abschreckung und Verteidigung sowie weitere Unterstützung für die Ukraine beraten.

Zu dem Treffen werden neben Bundeskanzler Olaf Scholz und den anderen Staats- und Regierungschefs auch zahlreiche Gäste erwartet. Dabei ist der ukrainische Präsident Selenskyj. Gastgeber ist US-Präsident Biden, der sich in der heissen Phase des Wahlkampfes befindet.

Die Ukraine erhofft sich vom Nato-Gipfel weitere Unterstützung in ihrem Abwehrkampf gegen das russische Militär. Eine weitere Annäherung Kiews an die erhoffte Mitgliedschaft im Verteidigungsbündnis ist jedoch nicht zu erwarten, wie verschiedene Gipfel-Teilnehmer noch vor dem Treffen erklärten. Allerdings erhofft sich Kiew Zusagen über die Lieferung weiterer Flugabwehrsysteme zum Ausbau seines Schutzschirms gegen russische Luftangriffe.

Unter anderem war zuletzt die Lieferung von bis zu sechs Patriot-Flugabwehrsysteme aus Israel im Gespräch, die vor der Übergabe noch in den USA überholt werden sollten. «Wir brauchen Mittel, um unsere Menschen zu schützen», sagte Selenskyjs Stabschef Andrij Jermak in einer Online-Pressekonferenz. Er gehe davon aus, dass Russland gezielt vor dem Nato-Gipfel angegriffen habe.

Putin trifft Modi

In Moskau kommen unterdessen Kremlchef Putin und der indische Regierungschef zum offiziellen Teil ihrer Gespräche zusammen. Beide Seiten wollen vor allem ihre wirtschaftlichen Beziehungen vertiefen.

Nach Kremlangaben wird auch über Russlands Invasion in der Ukraine gesprochen. Unklar war, ob auch über den folgenschweren russischen Raketenangriff gesprochen wird, der die Kinderklinik schwer beschädigte.

Indien treibt immer intensiver Handel mit der Rohstoffgrossmacht und ist inzwischen ein Grossabnehmer russischen Erdöls. Moskaus Medien hatten bereits in den vergangenen Tagen berichtet, dass diese Reise Modis nach dessen Wiederwahl ein besonderes Zeichen der Wertschätzung sei für die Beziehungen Indiens zu Russland. Russland ist für Indien ein wichtiger Energielieferant./cha/DP/zb

(AWP)