Russland marschierte am 24. Februar 2022 in die Ukraine ein. Die Invasion forderte Zehntausende Todesopfer, vertrieb Millionen von Menschen und löste wirtschaftliche Turbulenzen in der ganzen Welt aus. Im Folgenden einige Fakten zu den Auswirkungen:
200'000 Menschen sind gestorben
Der Krieg hat in Europa so viele Tote gefordert wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Nach Angaben des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) kamen bis Ende Juli mehr als 9000 Zivilisten ums Leben. Mehr als 16'000 wurden verletzt. Der OHCHR geht allerdings davon aus, dass die tatsächlichen Zahlen deutlich höher liegen.
Einem Bericht der "New York Times" zufolge hat der Krieg fast 500'000 Tote und Verletzte gefordert. Die Zeitung beruft sich auf Regierungsvertreter der USA, denen zufolge bis zu 120.000 russische Soldaten getötet und 170.000 bis 180.000 verletzt worden seien. Aufseiten der Ukraine habe es 70.000 Tote Soldaten und 100.000 bis 120.000 Verwundete gegeben.
Vertreter Russlands halten die US-Schätzungen der russischen Verluste für viel zu hoch - und für Propaganda. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu erklärte am 21. September, dass seit Beginn des Krieges 5937 russische Soldaten getötet worden seien. Die Zahlen wurden seither nicht aktualisiert, sie sind ein Staatsgeheimnis.
Die Ukraine hat bislang nicht mitgeteilt, wie viele ihrer Soldaten getötet wurden. Da die Angaben ihre Kriegstaktik beeinflussen könnten, sollten sie geheim bleiben.
Reuters ist nicht in der Lage, die Zahl der Toten auf beiden Seiten zu verifizieren.
In der Ostukraine schwelt der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland weit länger. Er begann 2014 als der pro-russisch eingestellte Präsident Viktor Janukowitsch im Zuge der Revolution und Protesten auf dem Maidan gestürzt wurde und Russland die Halbinsel Krim annektierte. Nach Angaben des OHCHR wurden in der Ostukraine zwischen 2014 und Ende 2021 etwa 14'000 Menschen getötet, darunter 3106 Zivilisten.
Millionen Vertriebene
Seit der Invasion Ende Februar 2022 wurden nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen Millionen Ukrainer vertrieben. Die Ukraine hat eine Bevölkerung von mehr als 41 Millionen Menschen. Schätzungsweise 17,6 Millionen Menschen in der Ukraine benötigten dringend Hilfe, darunter mehr als fünf Millionen Binnenvertriebene. Dem Flüchtlingshilfswerks zufolge sind in ganz Europa über 5,9 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine registriert.
Ukrainische Wirtschaft schrumpft stark
Nach Angaben des Forschungsinstituts Belfer Center an der Harvard Kennedy School hat Russland seit Beginn des Krieges elf Prozent des ukrainischen Territoriums eingenommen. Die Fläche entspricht der Grösse Lettlands. Zusammen mit der Krim, die Russland 2014 von der Ukraine annektiert hatte, kontrolliert Russland nun etwa 17,5 Prozent der Ukraine. Das entspricht einer Fläche von rund 106'000 Quadratkilometern. Zum Vergleich: Das entspricht zweieinhalbmal der Fläche der Schweiz.
Nachdem die Ukraine 2022 die russischen Streitkräfte zurückdrängen konnte, ist es ihr seit dem Start einer neuen Gegenoffensive Anfang Juni nicht gelungen, grössere Fortschritte gegen die russischen Truppen zu erzielen.
Die Kämpfe konzentrieren sich derzeit auf den Südkosten der Ukraine, wo sie ein grosser Teil ihrer Küstenlinie verloren hat. Einige Städte wurden zerstört.
Zudem lahmt die Wirtschaft. 2022 schrumpfte sie um 30 Prozent. In diesem Jahr wird sie nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) nur um ein bis drei Prozent wachsen. Wie viel die Ukraine für den Krieg ausgegeben hat, ist unklar.
Russland macht keine Angaben zu Kosten
Auch Russland macht keine Angaben zu den Kosten des Krieges. Es werden allerdings immer grössere Summen in das Militärbudget gesteckt. Sie befeuern die Wirtschaft künstlich, die durch die Sanktionen des Westens wegen des Ukraine-Kriegs belastet wird. Nach Angaben des IWF wird die russische Wirtschaft in diesem Jahr um 1,5 Prozent wachsen. 2022 schrumpfte sie um 2,1 Prozent. Mittelfristig werde die russische Wirtschaft unter anderem durch die Abwanderung multinationaler Unternehmen, den Verlust von Humankapital und der Abkopplung von den globalen Finanzmärkten beeinträchtigt, sagte IWF-Sprecherin Julie Kozack letzten Monat. "Daher erwarten wir, dass die Produktion in Russland mittelfristig um sieben Prozent unter der Vorkriegsprognose liegen wird."
Russland hat sein Ziel für die Verteidigungsausgaben in diesem Jahr auf mehr als 100 Milliarden Dollar verdoppelt - ein Drittel aller öffentlichen Ausgaben - wie aus einem von Reuters eingesehenen Regierungsdokument hervorgeht. Russland hat einen grossen Teil des europäischen Gasmarktes verloren. Sein Öl konnte es aber weiterhin auf den Weltmärkten verkaufen, obwohl die USA, Europa und andere Länder ihre Käufe eingeschränkt oder eingestellt haben.
Das Land wurde von den westlichen Finanzmärkten ausgeschlossen. Die meisten seiner Oligarchen sind mit Sanktionen belegt. Zudem hat es Probleme bei der Beschaffung bestimmter Produkte wie Mikrochips. CIA-Chef William Burns sagte Anfang des Jahres, dass Putin Gefahr laufe, Russland im Laufe der Zeit in eine "wirtschaftliche Kolonie Chinas" zu verwandeln. Die beiden Länder arbeiten eng zusammen und wollen eine umfassende strategische Partnerschaft entwickeln.
Zum ersten Mal seit der Revolution 1917 geriet Russland bei der Rückzahlung seiner Auslandsanleihen in Verzug.
Ungewöhnlich ist, dass Russland nicht wegen fehlender Mittel in einen Zahlungsausfall zu schlittern drohte. Das Land verfügt über hohe Devisenbestände und nimmt monatlich Milliarden durch Exporte von Öl und Gas ein. Die rund 40 Milliarden US-Dollar an ausstehenden Auslandsanleihen sollten also leicht zu stemmen sein.
Allerdings ist Russland durch die Sanktionen des Westens als Reaktion auf den Einmarsch in die Ukraine weitgehend vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten. Zudem ist ein Teil seiner Währungsreserven eingefroren. Eine Ausnahmeregelung, die es US-Eigentümern russischer Staatsanleihen ermöglichte, Zahlungen zu erhalten, ist abgelaufen.
Inflationswelle ausgelöst
Die Invasion und die westlichen Sanktionen gegen Russland führten zu einem drastischen Anstieg der Preise für Düngemittel, Weizen, Metalle und Energie. Das löste eine Inflationswelle und eine weltweite Nahrungsmittelkrise aus. Russland ist nach Saudi-Arabien der zweitgrösste Erdölexporteur der Welt und der weltweit grösste Exporteur von Erdgas, Weizen, Stickstoffdünger und Palladium. Kurz nach Russlands Einmarsch in der Ukraine stiegen die internationalen Ölpreise auf den höchsten Stand seit den Rekorden von 2008.
Trotz der Gegenmassnahmen der russischen Behörden hat der Rubel bei seiner Talfahrt eine weitere Marke durchbrochen. Der Rubel ist so schwach wie seit März 2022 nicht mehr. Damals war die Devise nach Russlands Angriff auf die Ukraine wegen der gestiegenen Energiepreise für einige Wochen in die Höhe gesprungen.
Der Wert des Rubels hat sich seit seinem Höchststand im Juni letzten Jahres fast halbiert, da die Invasion von Präsident Wladimir Putin in der Ukraine weitergeht und Sanktionen die Einnahmen aus Exporten beschneiden.
Westliche Waffen
Seit Beginn des Kriegs haben die USA der Ukraine mehr als 43 Milliarden Dollar an Hilfen zugesagt, darunter Stinger-Flugabwehrsysteme, Javelin-Panzerabwehrsysteme, 155-mm-Haubitzen und Ausrüstung zum Schutz vor chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Angriffen.
Nach Angaben des Kieler Instituts für Weltwirtschaft sind die USA, die EU, Grossbritannien, Deutschland und Japan die grössten Unterstützer der Ukraine, gemessen am Nominalwert.
Russland erklärt, die Waffenlieferungen des Westens würden den Krieg eskalieren lassen.
(Reuters)