VW-Konzernchef Oliver Blume kappte die Gewinnaussichten nach nur zweieinhalb Monaten schon wieder, weil das Unternehmen dieses Jahr doch nicht so viele Autos verkaufen wird wie erhofft. Vor allem bei der ohnehin stark angespannten Kernmarke VW Pkw läuft es den Angaben zufolge von Freitagabend schlechter als erwartet, aber auch die leichten Nutzfahrzeuge von VWN und die eigene Zuliefersparte schwächeln. Die maue Wirtschaftslage schmälert die Verkäufe, auch die Finanzdienstleistungssparte verdient weniger. Die VW-Aktie gab am Montag nach.

Das im Dax notierte Volkswagen-Vorzugspapier verlor 3,1 Prozent auf 94,10 Euro. In diesem Jahr hat der Kurs schon 15 Prozent eingebüsst. Im Frühjahr 2021 war die Aktie auf einem Hoch gar mehr als 250 Euro wert. Dass VW unter Druck steht, war Beobachtern nach den Ereignissen der vergangenen Wochen schon klar - Marktexperten hatten bei den Gewinnen zuletzt dennoch mit mehr gerechnet. Auch die Dachholding Porsche SE der Eigentümerfamilien Porsche und Piech, die bei VW das Sagen hat, musste ihre Gewinnerwartungen herunterschrauben. Die Stuttgarter hängen mit ihrem Geschäft massgeblich an den Resultaten der Wolfsburger.

Statt eines Anstiegs der Auslieferungen um bis zu 3 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert von 9,2 Millionen Fahrzeugen rechnet Volkswagen nun nur noch mit rund 9 Millionen Verkäufen, wie das Unternehmen am Freitag nach Börsenschluss mitteilte. Der bisher angepeilte Umsatzanstieg um bis zu 5 Prozent über die vergangenes Jahr erlösten 322 Milliarden Euro hinaus ist damit ebenfalls hinfällig - so dürften es nur noch um die 320 Milliarden Euro Umsatz werden.

Vor allem die Profitabilität erwartet Blume schwächer: Er taxiert das operative Ergebnis jetzt auf rund 18 Milliarden Euro und damit auf eine operative Ergebnismarge von rund 5,6 Prozent vom Umsatz. Zuletzt war das Unternehmen noch von 6,5 bis 7,0 Prozent Umsatzrendite ausgegangen. Im besten Fall hätte das in der alten Prognose ein operatives Ergebnis von bis zu fast 24 Milliarden Euro bedeutet.

Zuvor hatten auch Mercedes-Benz und BMW im September ihre Gewinnprognosen eingedampft. Bereits im Juli hatte VW wegen der erwarteten Kosten für das auf der Kippe stehende Audi-Werk in Brüssel schon einmal die Ergebnisprognose gesenkt.

VW habe mit seiner Gewinnwarnung die drei grossen deutschen Autobauer in diesem Monat komplett gemacht, schrieb Analyst Stephen Reitman vom Analysehaus Bernstein. Bei Mercedes und VW schienen die Kürzungen marktgetriebener als bei BMW. Die Bayern hatten vor allem auf technische Probleme mit einem Bremssystem von Continental verwiesen. Die neuerlich gekappten Ziele könnten für das Management der Wolfsburger hilfreich sein, die einschneidenden Massnahmen des geplanten Sparkurses zu rechtfertigen.

VW begründete die gesenkte Prognose mit schwächer als erwartet ausfallenden Resultaten bei der Kernmarke VW Pkw, bei den leichten Nutzfahrzeugen von VWN und bei der Komponentensparte. Bei der Kernmarke will das Unternehmen derzeit den Sparkurs massiv ausweiten und hat die seit Jahrzehnten bestehende Beschäftigungssicherung gekündigt. Betriebsbedingte Kündigungen und Werksschliessungen stehen zur Debatte, die Arbeitnehmer haben massiven Widerstand angekündigt.

Experte: Werkschliessungen und Stellenabbau kosten 3 bis 4 Milliarden Euro

Fachmann Philippe Houchois von der US-Investmentbank Jefferies spekulierte, die Entscheidungen zum Konzernumbau könnten durch den Verfall der Geschäftsentwicklung beschleunigt werden. Er schätzt den Kostenbedarf für eine Schliessung von mindestens zwei Werken in Deutschland und einen Stellenabbau von 15.000 Jobs auf 3 bis 4 Milliarden Euro. Zusätzlich dürften für die sich kommendes Jahr verschärfenden EU-Abgasvorgaben hinsichtlich des klimaschädlichen Kohlendioxid-Ausstosses (CO2) weitere 2 Milliarden Euro fällig werden.

Die Probleme der Branche insgesamt sind breit gefächert: Vielen Autobauern fällt die Schwäche auf dem einstigen Wachstumsmarkt China auf die Füsse. VW Pkw verlor auf dem wichtigsten Automarkt der Welt vergangenes Jahr nach Jahrzehnten die Marktführerschaft, weil chinesische Elektroautobauer wie der neue Platzhirsch BYD den Deutschen mit günstigen Elektroautos den Kampf angesagt hatten. Mercedes, BMW und der Sportwagenbauer Porsche leiden darunter, dass die wohlhabenden Chinesen derzeit mit der Immobilienkrise im Land zu kämpfen haben und daher stärker aufs Geld achten.

In Europa läuft aktuell das Geschäft mit Elektroautos schlecht, in das die Autobauer viele Milliarden investiert haben. Kommendes Jahr drohen auch deswegen Strafzahlungen für die Nicht-Einhaltung von härteren Brüsseler Abgasvorschriften. Die schwache Wirtschaft auf dem Heimatkontinent sorgt ebenfalls nicht für Schwung.

Im Zuge der tristen Geschäfte in Wolfsburg kürzte auch die Dachholding Porsche SE ihre Gewinnpläne. Für das laufende Jahr rechnen die Stuttgarter jetzt nur noch mit 2,4 bis 4,4 Milliarden Euro Gewinn nach Steuern. Bisher waren noch 3,5 bis 5,5 Milliarden Euro angepeilt.

(AWP)