In der chinesischen Sonderverwaltungsregion Hongkong, die lange Zeit der einzige Ort in China war, an dem der Opfer gedacht werden konnte, waren ebenfalls zahlreich Polizisten zu sehen. Öffentliche Gedenkveranstaltungen zum 4. Juni werden dort seit einigen Jahren einhergehend mit einem härteren Durchgreifen Pekings unterbunden. Besonders um den Hongkonger Victoria Park, wo noch bis 2019 jährlich eine angemeldete Kerzen-Mahnwache stattfand, patrouillierten am Dienstag Sicherheitsbeamte. Schon in den Tagen zuvor hatte es mehrere Festnahmen in Verbindung mit dem Gedenktag gegeben.

Gedenk-Post der deutschen Botschaft gelöscht

In Peking projizierte die deutsche Botschaft in der Nacht zum 4. Juni an ihrem Gebäude flackernden Kerzen in mehreren Fenstern als Symbol der Erinnerung. Ein Video davon veröffentlichte sie auf ihrem Weibo-Konto, Chinas Variante der Plattform X. Nur sieben Minuten später wurde es von der Zensur entfernt.

Chinas Aussenamt kritisierte Einmischung von aussen anlässlich des Jahrestages. «Zu den politischen Unruhen, die Ende der 1980er Jahre passierten, hat die chinesische Regierung früh eine klare Schlussfolgerung gehabt», sagte Sprecherin Mao Ning, ohne weiter auf die Ereignisse vom 4. Juni 1989 einzugehen. Peking habe es stets abgelehnt, dies als Vorwand zu nutzen, China anzugreifen und sich damit in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen.

Gedenken beim Nachbarn Taiwan

Nach wochenlangen, friedlichen Protesten für mehr Demokratie hatte Chinas Regierung in der Nacht vom 3. auf den 4. Juni 1989 die Volksbefreiungsarmee anrücken lassen. Um den Tian'anmen-Platz kamen bei der Niederschlagung damals Hunderte Menschen ums Leben. Die offizielle Zahl ist bis heute nicht bekannt. In China ist der 4. Juni ein Tabu-Thema. Auf dem Tian'anmen-Platz wie auch im Rest des Landes wird der Opfer nicht offiziell gedacht.

Im Nachbarland Taiwan sind Gedenkfeiern dagegen noch möglich. Am Dienstagabend kamen Hunderte in Taipeh zu einer Andacht und einer Schweigeminute zusammen. Der frühere Demonstrant Wu Renhua berichtete vor der Menge von den Erlebnissen in der Nacht und von Panzern überfahrenen Leichen. Taiwans Präsident Lai Ching-te kritisierte Chinas Umgang mit der Niederschlagung. «Ein wirklich respektables Land ist eines, das seinen Bürgern erlaubt, ihre Meinung zu sagen», schrieb er am Dienstag auf Facebook.

Menschenrechtler kritisieren China

Menschenrechtsgruppen übten Kritik zum Gedenken. «Die chinesische Regierung hat bis heute keine Verantwortung für die während des Militäreinsatzes begangenen Menschenrechtsverletzungen übernommen», erklärte Jasna Causevic von der Gesellschaft für bedrohte Völker. Die chinesischen Behörden zensierten dagegen weiterhin systematisch jede Bezugnahme auf das Vorgehen des Militärs. In den letzten 35 Jahren sei die Zahl der politischen Gefangenen nur noch gestiegen. Die Unterdrückung der freien Meinungsäusserung und der Informationsfreiheit sei ein fester Bestandteil der Herrschaft der Kommunistischen Partei Chinas, teilte die Gruppe Human Rights in China mit./jon/DP/men

(AWP)