Die Fed hat die Zinsen seit Anfang 2022 von nahe null auf eine Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent gehievt, um die ausufernde Inflation einzudämmen und den Arbeitsmarkt abzukühlen. Laut Fed-Chef Jerome Powell ist sowohl eine Pause als auch eine Zinserhöhung denkbar - abhängig von der Entwicklung der Wirtschaftsdaten. Speziell die monatlichen Inflationsdaten der USA stehen dabei für den Zinsänderungen und auch für die Richtung der Aktienmärkte im Fokus. 

Der Fokus der Ökonomen verschiebt sich bei den US-Inflationszahlen für den Monat Juli weg von der Jahresinflationsrate hin zu der Veränderung auf Monatsbasis. Auch die ING Bank meint, dass sich die Federal Reserve auf die monatlichen Messwerte konzentrieren wird. "Von denen hoffen wir, dass sie sowohl für den Gesamt- als auch für den Kernpreisindex bei 0,2 Prozent gegenüber dem Vormonat liegen werden."

Der Konsens der von Bloomberg befragten Ökonomen geht ebenfalls davon aus, dass die Inflation im Juli in den USA auf Monatsbasis um 0,2 Prozent angestiegen ist. Je nach dem, wo der Monatswert zu stehen kommt, kann es an den US-Aktienmärkten zu deutlichen Kursausschlägen in beiden Richtungen kommen.

Schon von Mai auf Juni zogen die US-Kosumentenpreise um durchschnittlich 0,2 Prozent an und damit etwas schwächer als erwartet, wie vor Monatsfrist bekannt wurde. Gegenüber dem Vorjahresmonat (Juni 2022) stiegen die Konsumentenpreise auf 3 Prozent. Das war der kleinste Anstieg seit März 2021.

Die Derivat- und Aktienmarktstrategen von JP Morgan haben fünf Szenarien ausgearbeitet, welche die erwarteten Kursbewegungen des S&P 500 bei unterschiedlichen Inflationswerten prognostiziert. Nachfolgend die Szenarioanalysen nach Eintritts-Wahrscheinlichkeit: 

1) Juli-Inflation plus 0,2 Prozent gegenüber dem Vormonat (Wahrscheinlichkeit 45 Prozent): Dies ist die Markterwartung, würde die Desinflationsnarrative stützen und dürfte die Ansicht des Marktes bestärken, dass die Fed im September eine Zins-Pause einlegt. "Obwohl dies positiv wäre, könnte es sich um einen Schritt handeln, der schnell verblasst, da der Markt seinen Fokus auf die Klausurtagung der Fed in Jackson Hole vom 24. bis zum 26. August verlagert. Erst an diesem Meeting ist eine Bestätigung über die Zinserhöhungsabsichten oder eine mögliche Pause der Fed zu erwarten", so JP Morgan. Der S&P 500 könnte in diesem Fall um 0,25 bis 0,50 Prozent zulegen.

2) Juli-Inflation zwischen plus 0,1 Prozent und 0,2 Prozent (Wahrscheinlichkeit 25 Prozent): Dies würde die Argumente um eine deflationäre Entwicklung zementieren und möglicherweise die Meinung der Marktteilnehmer bestärken, dass die Fed näher dran sein könnte, ihre Mission in Sachen Inflation als erfüllt zu erklären - da sich der Dreimonatstrend auf etwa 2 Prozent auf Jahresbasis summieren würde.

Ein Ergebnis, bei dem die Mission erfüllt ist, würde frühere Zinssenkungen als erwartet bedeuten. "Obwohl wir dachten, es sei vielleicht noch zu früh, um dieses Narrativ einzubringen, sollten wir bedenken, dass wir angesichts des deflationären Impulses aus China möglicherweise schneller eine Inflationsunterschreitung erleben werden, wenn sich das Verbraucherverhalten von Dienstleistungen zurück zu Waren verlagert", so JP Morgan. Der S&P 500 könntet in diesem Fall um 1 bis 1,5 Prozent steigen.

3) Juli-Inflation zwischen plus 0,2 Prozent und 0,4 Prozent (Wahrscheinlichkeit 22,5 Prozent): Dieses Ergebnis könnte das Disinflations-Narrativ erschüttern. Wobei der Schlüssel dazu bei den einzelnen Komponenten der Teuerung liegt.

"Ein heisserer Inflationsdruck als erwartet, der beispielsweise vom Wohnungsbau angeführt wird, wäre anders, als wenn wir einen Anstieg der Fahrzeugpreise und der Transportpreise sehen würden." Letzteres ist auf einen Anstieg der Verbraucherausgaben zurückzuführen, der zu verbesserten BIP-Prognosen führt, und ersteres könnte auf die Besonderheiten des Verbraucherpreisindex zurückgeführt werden. Der S&P 500 dürfte in diesem 1 bis 1,5 Prozent verlieren.

4) Juli-Inflation plus 0,4 Prozent und mehr (Wahrscheinlichkeit 5 Prozent): Damit dieses Szenario zum Tragen kommt, benötigt es wahrscheinlich eine Kombination aus einer höheren Kerninflation und höheren Autopreisen. Die Marktreaktion hier würde die Anleiherenditen der 10-jährigen Rendite auf ein neues 52-Wochen-Hoch treiben. Dieser Anstieg der Renditen und des Anleihenhandelsvolumens würde wahrscheinlich die Volatilität in die Höhe treiben, die Kreditspannen ausweiten und einen Ausverkauf von Risikoanlagen auslösen. Der S&P 500 könnte in diesem Fall 1,75 bis 2 Prozent absacken.

5) Juli-Inflation unter 0,1 Prozent (Wahrscheinlichkeit 2,5 Prozent): Ein weiteres, eher unwahrscheinliches Ergebnis, das aber ein breites Spektrum an Folgen hätte. "Wenn wir negative Monatszahlen sehen, wird der Anleihenmarkt an Vertrauen gewinnen in der Kenntnis, dass die Fed den Zinserhöhungszyklus abgeschlossen hat", so JP Morgan. Dies könnte einen weiteren deutlichen Anstieg bei den Aktienkursen auslösen. "Wenn Sie sehen, dass das vordere Ende der Zinsstrukturkurve sinkt, würde dies Aktien im Allgemeinen und Technologie- und zyklische Werte im Besonderen Auftrieb verleihen." Der S&P 500 dürfte in diesem Fall um 1,5 Prozent bis 2 Prozent zulegen.

Ist der Zins-Höhepunkt erreicht?

In den letzten zwei Wochen haben sich bereits verschiedene Direktoren der amerikanischen Notenbank Fed für ein Pausieren bei den Zinserhöhungen ausgesprochen. Patrick Harker, der Chef des US-Notenbankbezirks Philadelphia, doppelte am Dienstag nach und meinte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass er laut über eine Zinspause nachdenke.

Falls bis Mitte September "keine alarmierenden neuen Daten" auftauchen sollten, könnten die Zinssätze stabil gehalten werden. Harker sitzt in dem für die Zinspolitik zuständigen Offenmarktausschuss (FOMC) und hat dieses Jahr Stimmrecht.

 

Thomas Daniel Marti
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