Das Zürcher Obergericht hat den Fall am Donnerstag überraschend eingestellt. Einer der früheren Staatsanwälte sei befangen gewesen. «Der Staatsanwalt hat nicht die nötige Unvoreingenommenheit gezeigt», sagte der Oberrichter in seiner Begründung. Cum-Ex-Aufklärer Eckart Seith und den beiden Mitbeschuldigten seien wichtige Teilnahmerechte verweigert worden, etwa das Akteneinsichtsrecht. «Das war kein Versehen.»

Der Oberrichter bezeichnete dies als «klaren Verstoss» gegen die Regeln einer korrekten Verfahrensführung. Dies bedeutet, dass die Beweise gegen Seith und die beiden Mitbeschuldigten nicht verwertet werden können. Die ganze Sache an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen, kam für das Obergericht aber nicht in Frage.

Nach so vielen Jahren - inzwischen ist der Fall zehn Jahre alt - könnten die Beweise ohnehin nicht mehr sauber neu erhoben werden. «Die Verfahren werden deshalb eingestellt», sagte der Oberrichter.

Noch nicht rechtskräftig

Dieser Entscheid ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft könnte ihn noch ans Bundesgericht weiterziehen und für nichtig erklären lassen. Dann müsste das Obergericht den Cum-Ex-Fall trotzdem verhandeln. Ob die Zürcher Ankläger dies tun werden, ist noch offen. Sie hatten jedoch schon einmal Erfolg damit.

Vor drei Jahren wurden die deutschen Steuertricks bereits einmal vor Obergericht verhandelt. Auch damals stellten Seith und die Mitbeschuldigten, zwei ehemalige Bankangestellte, den Antrag, den früheren Staatsanwalt für befangen zu erklären.

Und auch damals kam das Obergericht zum Schluss, dass das Verfahren gegen den Deutschen nicht sauber geführt worden sei. Das Bundesgericht war jedoch der Ansicht, dass der Staatsanwalt keinesfalls befangen gewesen sei und schickte den Fall nach Zürich zurück - mit dem Auftrag, den Prozess durchzuführen. Den jüngsten Befangenheits-Antrag reichte Seith deshalb mit abgeänderter Begründung ein.

Milliardenschaden beim deutschen Staat

Dem deutschen Anwalt Eckart Seith werden Wirtschaftsspionage und Verstösse gegen das Bankengesetz vorgeworfen, weil er sich mit Hilfe von Bankangestellten interne Dokumente der Schweizer Bank J. Safra Sarasin beschafft und an deutsche Ermittler weitergegeben haben soll.

Die Staatsanwaltschaft forderte für Seith eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren. Für die beiden Bankangestellten beantragte sie Freiheitsstrafen in ähnlicher Höhe. Das Bezirksgericht Zürich sprach Seith im April 2019 vom Vorwurf der Wirtschaftsspionage frei. Es verurteilte ihn aber wegen Anstiftung zum mehrfachen Vergehen gegen das Bankengesetz zu einer bedingten Geldstrafe.

Die Dokumente, um die es in dem Verfahren geht, haben zur Aufklärung des Cum-Ex-Skandals in Deutschland beigetragen. Mit Hilfe dieses Steuertricks ist beim deutschen Staat ein Schaden in Milliardenhöhe entstanden. Der Trick bestand darin, rund um den Dividendenstichtag Aktien mit («cum») und ohne («ex») Ausschüttungsanspruch zwischen mehreren Beteiligten hin und her zu verschieben.

Steuertrick ist mittlerweile verboten

Am Ende wusste der Fiskus nicht mehr, wem die Papiere eigentlich gehörten. Deutsche Finanzämter erstatteten so Verrechnungssteuern, die nie bezahlt worden waren. Auch die Schweizer Bank J. Safra Sarasin hatte ihren Kunden solche Finanzprodukte verkauft.

Einer von Sarasins Kunden war der deutsche Drogeriekönig Erwin Müller, der Millionen verlor, als der Sarasin-Fonds zusammenbrach. Müller warf der Bank daraufhin vor, ihn falsch beraten zu haben und verklagte sie mit Hilfe seines Anwalts Eckart Seith und den internen Bankunterlagen aus der Schweiz auf Schadenersatz.

Das Landgericht Ulm gab ihm schliesslich Recht. Es verurteilte die Schweizer Bank im Jahr 2017 zu 45 Millionen Euro Schadenersatz. Der Cum-Ex-Steuertrick ist mittlerweile verboten.

(AWP)