Endlich Sommer, endlich Glace-Zeit! Was viele nicht wissen: Statistisch gesehen gibt es keinen klaren Zusammenhang zwischen Temperaturen und Glace-Konsum, und kaum eine Nation schleckt so wenig Eis wie die Schweiz. Ausserdem wird der globale Speiseeismarkt trotz der Vielzahl an Marken von ein paar Grossen dominiert, bei denen sich gerade neue Besitzverhältnisse anbahnen.

Laut Daten der Statistikplattform Statista wird in Europa nirgends weniger Glace pro Kopf verkauft als hierzulande. 2020 waren es gerade mal 2 Kilo. Zum Vergleich: Pro Jahr und pro Person werden 11 Kilo Schokolade verspeist – und 23 Kilo Käse.

Die grössten Schleckmäuler Europas sind die Belgierinnen und Belgier. Dort werden pro Jahr 16 Kilo Speiseeis pro Kopf verkauft. International wird Belgien nur von Neuseeland und den USA übertroffen, wo schätzungsweise 24 und 17 Kilo Glace pro Person verputzt werden.

Auf Platz zwei in Europa ist Portugal. Dann folgen Polen, Irland und Schweden – alles nördlich der Schweiz gelegene Länder mit relativ tiefen Durchschnittstemperaturen.

Auffällig wenig Glace wird im Gelato-Land Italien verkauft. Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass die Zahlen von Statista nur die industriell hergestellten Markenprodukte umfassen, nicht aber die Eigenproduktion der 40’000 Eisdielen.

Schweizer Konsum wird unterschätzt

Auch für die Schweiz scheinen die ausgewiesenen Daten zu tief, weil die Eigenmarken der Grossverteiler nicht berücksichtigt sind.

Gemäss dem Verband der Schweizer Glaceproduzenten Glacesuisse verkauften die Mitglieder 2023 45,7 Millionen Liter industriell hergestelltes Speiseeis, macht rund 5 Liter pro Person. Glacesuisse schätzt den Gesamtmarkt gar auf 57 Millionen Liter. Damit wäre der Schweizer Glacekonsum schon sehr nahe am europäischen Durchschnitt von 7 Liter pro Kopf.

Dass an einem heissen Sommertag in der Badi die Lust auf eine Glace grösser ist als auf der Skipiste im Januar, liegt auf der Hand. Doch ein mildes Jahr bedeutet nicht automatisch auch mehr Umsatz. 2023 war bekanntlich das zweitwärmste Jahr seit Messbeginn, der Glace-Absatz war aber über weite Strecken tiefer als im Vorjahr. Erst im letzten Quartal wurde ein Zuwachs verzeichnet, notabene dann, als die Temperaturen zurückgingen. «Das beweist einmal mehr, dass (zu) heisse Temperaturen dem Glacekonsum nicht in jedem Fall zuträglich sind», schreibt Glacesuisse.

Wird Frisco bald arabisch?

Wenn Hitze ein entscheidender Faktor wäre, dann müssten die Golfstaaten besonders eifrige Glace-Konsumenten sein. Doch diese interessieren sich eher für das Geschäft dahinter.

So berichtete die Nachrichtagentur Bloomberg diese Woche, dass der Staatsfonds des Emirats Abu Dhabi mindestens eine Milliarde Euro in das Glace-Joint-Venture Froneri investieren will. Froneri, das bekannte Marken wie Frisco, Schöller, Mövenpick oder in den USA Häagen-Dazs produziert, gehört zu 50 Prozent Nestlé und der französischen Investmentgesellschaft PAI Partners. Anfang Jahr war durchgesickert, dass PAI mit einem Verkauf seiner Beteiligung liebäugelt.

Der Einstieg der Abu Dhabi Investment Authority, wie der Staatsfond heisst, würde PAI helfen, seine Froneri-Beteiligung länger zu halten, und könnte das Unternehmen mit 10 Milliarden Dollar oder mehr bewerten, heisst es weiter im Bericht von Bloomberg.

Froneris grösster Konkurrent ist Unilever. Der niederländische Konzern aber möchte seine Glace-Sparte mit den bekannte Marken Magnum, Ben&Jerries oder Cornetto loswerden oder abspalten und an die Börse bringen.

Als mögliche Käufer werden die Investmentgesellschaften CVC Capital Partners, Advent International und Blackstone herumgereicht. Rund 20 Milliarden Dollar könnte ihnen das Glace-Business von Unilever wert sein.

Dieser Artikel ist zuerst in der Handelszeitung unter dem Titel "I scream, you scream, we all scream for ice cream" erschienen.

rop
Peter Rohnerist Chefökonom der Handelszeitung.Mehr erfahren