Raghuram Rajan machte 2005 so etwas wie eine Majestätsbeleidigung. In seiner Funktion als Chefökonom des Internationalen Währungsfonds warnte er beim jährlichen Notenbanktreffen von Jackson Hole den damaligen Fed-Chef Alan Greenspan eindringlich vor einer Banken- und Finanzkrise. Was in der ehemals erfolgsverwöhnten Banken- und Finanzwelt natürlich nicht gut ankam.
Wie wir alle wissen, bekam er Recht. Rajan, der von 2013 bis 2016 auch Chef der indischen Zentralbank war, geniesst seither den Respkt der Ökonomen und Finanzexperten. Und seit seiner Warnung vor 13 Jahren will alle Welt von ihm wissen, wann die nächste Krise kommt und was sie auslösen könnte.
"Die Leute denken immer: Wer einmal Recht hatte, wird auch das nächste Mal das Richtige voraussagen", sagte Raghuram Rajan in seiner Rede am Institutional Money Kongress in Frankfurt am Dienstagmorgen mit einem Lachen. Rajan sagt zurückblickend auch immer: Er sei sicher nicht der Einzige gewesen, der die Krise kommen sah, aber er sprach das Problem im Gegensatz zu anderen offen an.
Das Bankensystem sieht Rajan heute kaum mehr als Auslöser einer neuen Finanzkrise. Durch Kapitalmassnahmen und anderen Regulierungen seien die Banken nicht mehr so verwundbar wie vor zehn Jahren.
Die Gefahren ortet er vielmehr in nicht-regulierten Systemen. Dazu zählt Rajan Aktivitäten den Bereich der neuen "finanziellen Kreativität": Das sei das Schattenfinanzwesen und Kryptowährungen. Rajan wies in einem einfachen Beispiel darauf hin, dass Kryptowährungen heute wegen der gestiegenen Kurse nicht in der Lage seien, den Investoren den Gegenwert ihrer Anlagen in realen Währungen auszubezahlen. Dazu müssten sie eigentlich einen Bankenstatus haben. Rajan plädiert daher für eine Regulierung von Kryptowährungen.
«Kein Powell-Put»
Schon vor etlichen Jahren warnte Rajan vor dem Gebrauch von Bitcon & Co. Er stellte kritische Fragen zu den Schwankungen der virtuellen Währungen und den Möglichkeiten von deren Werterhaltung. Eine Währungsfrage war auch dafür mitverantwortlich, dass Rajan 2016 nach nur drei Jahren Amtszeit als Notenbankchef Indiens den Rückhalt der Regierung verlor. Rajan warnte den indischen Premier Narendra Modi vor der Bargeldabschaffung - und er fuhr einen harten Kurs gegen die inländischen Banken. Heute lehrt der 55-jährige Freidenker wieder in Chicago, wo er seit 1995 eine Professur innehat. Er gilt auch als aussichtsreicher Kandidat für den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.
An den Finanzmärkten sieht Rajan die Zeiten der "Free Lunches", serviert von den Zentralbanken und ihrer Tiefzinspolitik, an ihrem Ende. Anleger konnten sich in den letzten zehn Jahren jeweils auf die Geldpolitik der Notenbanken verlassen, die in Phasen von Marktunruhen immer wieder interventierten, zumindest auf verbaler Ebene.
Doch "der Greenspan-Put, der Bernanke-Put oder, wenn sie wollen, auch der Yellen-Put wird kein Powell-Put werden", sagte Rajan in Anspielung auf die künftige Zinspolitik des neuen US-Fed-Chefs Jerome Powell. Rajan ist überzeugt, dass die US-Notenbank - trotz der jüngsten Marktturbulenzen - am Fahrplan der Zinserhöhungen festhalten wird. Ob das langsame Anpassen der Geldpolitik vom Markt nachvollzogen werden kann, liess Rajan offen. Nur soviel: "Wir werden an den Märkten Phasen von höherer Volatilität erleben."