Mit dem Kampf für ein höhres Rentenalter wollen sie den Arbeitnehmern einige Jahre mehr Lohn verschaffen, bevor sie sich einen anderen Job suchen müssen, um ihre für gewöhnlich magere Rente aufzubessern. "Wir müssen das Renteneintrittsalter anheben, um Beschäftigungsstabilität und angemessene Löhne für ältere Menschen zu gewährleisten und um Altersarmut zu verhindern", fordert der Gewerkschaftsbund FKTU, eine der beiden grössten Dachgewerkschaften Südkoreas.
Die viertgrösste Volkswirtschaft Asiens hat eine der am schnellsten alternden Bevölkerungen der Welt. Schon 2025 dürften Prognosen zufolge mehr als ein Fünftel der Einwohner 65 Jahre oder älter sein. Die Armutsquote unter älteren Menschen ist dabei dreimal so hoch ist wie im Durchschnitt der in der OECD vereinigten Industriestaaten.
Probleme für junge Arbeitssuchende
Die Gewerkschaftsforderung nach einem späteren Renteneintritt ist allerdings alles andere als unumstritten. Kritiker befürchten, dass sich dadurch die Berufsaussichten für junge Menschen verschlechtern und Unternehmen daran gehindert würden, sich rasch an ein sich änderndes Umfeld anzupassen. "Wenn das Renteneintrittsalter einfach per Gesetz erhöht wird, wie es die Gewerkschaften fordern, kann dies für junge Menschen bei der Arbeitsplatzsuche ein grosses Hindernis darstellen und sie zur Verzweiflung bringen", erklärt der Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsrat des Präsidenten.
Die Gewerkschaft beim Stahlhersteller Posco plant trotz solcher Bedenken eine Abstimmung darüber, ob sie einen Streik ausrufen soll, um ihrer Forderung nach einem späteren Rentenbeginn Nachdruck zu verleihen. Zuvor war es ihr nicht gelungen, mit der Unternehmensleitung eine Einigung über die Löhne zu erzielen. Die Anhebung des Renteneintrittsalters von aktuell 60 um ein Jahr war eine der Forderungen der 11'000 Mitglieder zählenden Gewerkschaft in den ersten gescheiterten Lohnverhandlungen seit Gründung des Stahlunternehmens vor 55 Jahren. Die 44'000 Mitglieder zählende Gewerkschaft beim Autobauer Hyundai will am Mittwoch Pläne für mögliche Streiks vorstellen. Sie fordert ebenfalls eine Anhebung des Renteneintrittsalters, und zwar von 60 auf 64 Jahre.
Pensionsfonds geht das Geld aus
Das südkoreanische Gesetz schreibt ein Renteneintrittsalter von 60 Jahren oder höher vor. Die meisten Unternehmen wenden jedoch die unterste Grenze von 60 Jahren an. Der Nationale Rentendienst (NPS) beginnt aber je nach Geburtsdatum erst im Alter von 63 bis 65 Jahren mit der Auszahlung. Zudem ersetzt die Rente nur einen Bruchteil des Lohns. Der Gewerkschaftsbund FKTU hat deshalb eine Petition an das Parlament gerichtet, um das gesetzliche Rentenalter schrittweise auf 65 Jahre anzuheben.
Der Anteil der Südkoreaner, die 65 Jahre oder älter sind, ist von 11,9 Prozent im Jahr 2013 auf aktuell 18,4 Prozent der Bevölkerung gestiegen. Prognosen des Statistikamtes zufolge dürfte er im Jahr 2050 die Marke von 40 Prozent überschreiten. Der NPS hat Schwierigkeiten, die schnell alternde Bevölkerung zu versorgen. Lag die Lohnersatzquote 1998 noch bei 70 Prozent, soll sie bis 2028 auf 40 Prozent fallen. Zum Vergleich: In den europäischen Industriestaaten liegt dieser Wert bei 60 bis 70 Prozent. Obwohl der NPS der drittgrösste Pensionsfonds der Welt ist und im Mai ein Vermögen von 974 Billionen Won (681 Milliarden Euro) verwaltete, wird er angesichts der erwarteten Alterung voraussichtlich bis 2055 kein Geld mehr haben.
(Reuters)