Die Aktien des Logistikkonzerns Kühne+Nagel haben seit Jahresbeginn einen Verlust von elf Prozent verzeichnet, während der Gesamtmarkt, gemessen am Swiss Market Index (SMI), um acht Prozent gestiegen ist. Vom Allzeithoch im September 2021 ist der Kurs um 27 Prozent gefallen.

Besonders die Frage nach den zukünftigen Frachtraten bereitet Investoren bei Kühne+Nagel Sorgen. Diese Sorgen belasten jedoch die gesamte Branche sowohl in Europa als auch in Asien. Ein Waffenstillstand zwischen Israel und Gaza könnte auch die Situation im Roten Meer beeinflussen. Dort hat die Huthi-Miliz aus dem Jemen die Terrororganisation Hamas mit wiederholten Angriffen auf Schiffe in internationalen Gewässern im Roten Meer unterstützt. Diese Angriffe hatten zu einem deutlichen Anstieg der Frachtraten geführt.

Die Diskussion über erhöhte Zölle auf chinesische Exporte sorgt ebenfalls für Unsicherheit. Vor diesem Hintergrund hat die Rating-Agentur Fitch darauf hingewiesen, dass chinesische Häfen aufgrund der wachsenden Handelsspannungen zwischen China und dem Westen möglicherweise einen Rückgang der Exporte in die USA erleben könnten.

Darüber hinaus kämpft der Logistikkonzern immer noch mit einer gedämpften Nachfrage. Im ersten Quartal 2024 ging der Nettoumsatz um 18 Prozent auf 5,51 Milliarden Franken zurück, und der Rohertrag sank um 13 Prozent auf 2,08 Milliarden Franken, wie das Unternehmen Ende April mitteilte. Infolgedessen verschlechterten sich auch die Gewinnzahlen. Der operative Gewinn (EBIT) ging um 39 Prozent auf 376 Millionen Franken zurück, und der Reingewinn sank um 40 Prozent auf 278 Millionen Franken.

Kühne+Nagel mit Potenzial für Überraschungen

Gian Marco Werro, Analyst der Zürcher Kantonalbank (ZKB), sieht Kühne+Nagel nicht mehr unbedingt in einer Talsohle, die noch durchschritten werden muss. «Das Umfeld für den globalen Handel war seit dem Ausbruch der Pandemie vorteilhaft für Logistikdienstleister wie Kühne+Nagel. Mit einer Normalisierung dieses Umfelds bis Ende 2023 hat sich auch die Profitabilität von sehr hohen Niveaus wieder etwas normalisiert», sagt er auf Anfrage von cash.ch. Seit Anfang 2024 ist das Umfeld im Seehandel wieder deutlich komplexer geworden, was sich in diesem Jahr positiv auf die Profitabilität auswirken sollte. Hinzu kommen die profitabilitätssteigernden Massnahmen im Zusammenhang mit der mittelfristigen Prognose.

Das Problem des seit etwa einem Jahr anhaltenden seitwärtstrends an der Börse liegt darin, dass der Kapitalmarkt der ambitionierten mittelfristigen Prognose von Kühne+Nagel derzeit wenig Glauben schenkt. Gleichzeitig herrscht Unsicherheit darüber, wie stark sich die derzeit grossen Volatilitäten im globalen Seehandel – Konflikte im Roten Meer, Hafenstaus, Nachfragesteigerungen – auf die Profitabilität auswirken werden. Die Sichtbarkeit bleibt eingeschränkt. Gleichzeitig rechnen Marktteilnehmer mit einem stärkeren Wettbewerbsdruck.

Werro von der ZKB sieht dennoch mehr Chancen als Risiken bei einer Investition: Aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit eines anhaltenden Konflikts im Roten Meer bis zum Ende des Jahres, eines leicht anziehenden globalen Handelsvolumens und einer unterschätzten Umsetzung der mittelfristigen Strategie von Kühne+Nagel durch den Kapitalmarkt. Es spricht zudem Bände, dass Israel jüngst der Hisbollah mit einem umfassenden Krieg drohte. Und die Konkurrenz in Form der dänischen DSV erzielt eine höhere Profitabilität als Kühne+Nagel, aber der Vorteil des Logistikunternehmens aus Schindellegi liegt darin, dass noch mehr Potenzial für Steigerungen vorhanden und somit die Chancen für positive Überraschungen grösser sind.

Positiv könnte sich auswirken, wenn die Analysten wieder eine bullishere Haltung einnehmen: Drei «Buys» stehen sechs «Holds» und zehn «Sells» gegenüber. Das durchschnittliche Kursziel liegt fünf Prozent unter dem aktuellen Kurs.

ManuelBoeck
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