Die überraschend schnelle Einigung der EU auf die 50-Milliarden-Euro-Hilfe für die Ukraine ist nicht nur Rückendeckung für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Zwei Profiteure könnten nach Einschätzung von EU-Diplomaten auch Kanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden sein. Denn Scholz kann nun kommende Woche mit stolz geschwellter Brust nach Washington reisen und als EU-Fähnleinführer verkünden, dass die Europäer ihren Teil der Unterstützung für das von Russland überfallene Land leisten. «Das hilft auch Biden, der damit Argumentationshilfe in seinem Ringen mit dem US-Kongress erhält», sagt ein EU-Diplomat in Brüssel.

Die Rolle des Westens im Krieg

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar 2022 waren die Rollen in der westlichen Welt lange klar verteilt. Die USA und die EU-Staaten stellten sich zwar gleich schnell an die Seite der Ukraine. Aber die militärische Hilfe kam vor allem aus den USA, die über eine riesige Rüstungsproduktion und ein gigantisches Waffenarsenal verfügt. Dies sorgte über die Monate für erheblichen Unmut in Washington und war Wasser auf den Mühlen derer, die seit langem eine falsche Balance zwischen den USA und den EU-Staaten bei Ausgaben für Sicherheit beklagen.

Höhepunkt war die Aussage von Ex-Präsident Donald Trump, dass die USA schon 200 Milliarden Dollar, die EU dagegen nur umgerechnet 20 Milliarden Dollar für die Ukraine bezahlt hätten. Die Zahlen stimmen nicht. Vor allem werden die substanziellen Finanzhilfen Deutschlands und der Europäer unterschlagen, die einen Zusammenbruch des Landes verhindert haben. Laut dem «Ukraine Support Tracker» des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) liegt die EU mit der 50- Milliarden-Euro-Zusage nun weit vor den USA.

Spiel mit Zahlen

Scholz könne nun überzeugender den US-Kongress drängen, endlich die von Biden versprochene Militärhilfe für die Ukraine durchzuwinken, meint ein anderer EU-Diplomat. Tatsächlich muss der Kanzler auf der anderen Seite des Atlantiks hart argumentieren, warum die Unterstützung der Ukraine so wichtig ist. Im US-Präsidentschaftswahlkampf richtet sich der Blick traditionell nach innen. Der Blick der Regierung in Washington geht stärker Richtung China und einen möglichen Konflikt um Taiwan. Zudem sind die USA stark in den Nahost-Konflikt involviert. Der Ukraine-Konflikt steht deshalb nicht unbedingt an Nummer eins der Debatten in den USA.

Auch deshalb hatte sich der als zögerlich kritisierte Scholz beim Ukraine-Thema seit Dezember notgedrungen an die Spitze der Bewegung gestellt. Grund ist seine wachsende Sorge, dass Biden nicht mehr liefern kann. Zwar kritisieren etwa die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter immer wieder, dass Scholz keine Marschflugkörper Taurus an die Ukraine liefern will. Aber tatsächlich ist Deutschland mittlerweile zweitgrösster und vor allem verlässlichster Waffenlieferant für die Ukraine.

Allerdings: Scholz könnte noch selbstbewusster nach Washington reisen, wenn er auf dem EU-Gipfel auch eine deutliche Aufstockung der Militärhilfe hätte durchsetzen können. «Das ist etwas, worüber heute nicht zu entscheiden ist, aber die Diskussion muss dringend begonnen werden», ruderte er in Brüssel nach seinen Mahnungen in den Vorwochen zurück.

Budgetprobleme und Europawahl

Nicht alle EU-Staaten sehen dieselbe Dringlichkeit wie Scholz. In seinen Gesprächen mit EU-Partnern vor dem Gipfel zeigten sich zudem zwei andere Probleme: Die einen Regierungschefs wiesen auf Budgetprobleme hin. Die anderen blicken sorgenvoll auf die Europawahl Anfang Juni. Schon in Brüssel entstand der Eindruck, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Bauernproteste mehr interessierten als die Ukraine-Hilfe, spottete ein EU-Diplomat. Tatsächlich stellen in etlichen Ländern rechtspopulistische und -extremistische Parteien mit Kontakten nach Moskau die Ukraine-Hilfe generell infrage. Auch CDU-Chef Friedrich Merz räumte ein, dass die Hilfe nicht unbedingt populär ist - aber wichtig.

«Es wäre nicht gut, wenn ausgerechnet in diesem Wahljahr der Eindruck entstünde, dass nur Deutschland der Ukraine helfen will», heisst es deshalb in Regierungskreisen. Die AfD und die neue Wagenknecht-Partei BSW machen im Osten bereits kräftig Stimmung gegen die Militärhilfe. Also will Scholz deutlich machen, dass Deutschland im Geleitzug seiner Partner agiert. Auch deswegen kann er den EU-Beschluss zu den Finanzhilfen als Erfolg verbuchen. 

(Reuters)