Am kommenden Dienstag stehen in den USA Präsidentschafts- und Kongresswahlen an - doch bis das Ergebnis feststeht, könnten Tage, wenn nicht gar Wochen vergehen. Umfragen lassen ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der Demokratin Kamala Harris und dem Republikaner Donald Trump erwarten. Es kommt also auf jede Stimme an. Doch in einigen Gegenden kann es eine ganze Weile dauern, bis alle Wahlzettel auszählt sind oder sich zumindest ein klarer Trend abzeichnet.

Im Verlauf kann es deshalb vorkommen, dass zunächst ein Kandidat klar vorne liegt, dann aber plötzlich überholt wird. So geschehen 2020 in einigen Bundesstaaten: Erst führte Trump, doch je mehr Stimmzettel ausgezählt wurden, umso mehr wandte sich das Blatt zugunsten Joe Bidens, der damals für die Demokraten antrat.

Trump machte Wahlbetrug geltend - zu unrecht: Hochburgen der Demokraten sind in der Regel die bevölkerungsreicheren, urbanen Gegenden, in denen die Auszählung länger dauert. Ausserdem machen Anhänger der Harris-Partei häufiger von der Möglichkeit der Briefwahl Gebrauch. Auch hier dauert die Auswertung oft länger als die der direkt am Wahltag abgegebenen Stimmzettel. 2020 zogen viele Wähler allein schon wegen der Corona-Pandemie die Briefwahl der persönlichen Stimmabgabe direkt am Wahltag vor. Erst vier Tage nach der Wahl wurde Biden zum Sieger ausgerufen.

«Swing States» im Fokus

Hinzu kommt, dass es in den einzelnen Bundesstaaten beim Auszählungsprozedere zum Teil sehr unterschiedliche Regeln und Fristen gibt. Das kann dazu führen, dass gerade in den besonders umkämpften Bundesstaaten die Ergebnisse lange auf sich warten lassen. Wie schon bei früheren Wahlen dürfte aber gerade der Ausgang in diesen sieben sogenannten Swing States darüber entscheiden, wer als nächstes ins Weisse Haus einzieht. Das liegt daran, dass es bei der Präsidentschaftswahl nicht darauf ankommt, wer landesweit die Mehrheit der Stimmen erhält, sondern wer die meisten Wahlleute zugesprochen bekommt - und diese werden über die einzelnen Bundesstaaten vergeben.

Die Swing States stehen also besonders im Fokus. Aber schon 2020 stand zum Teil erst Tage nach der Wahl fest, wer dort besser abschnitt. In Pennsylvania etwa dauerte es vier Tage, bevor klar war, dass Biden die Nase vorne hatte. Der Grund: Die Wahlhelfer mussten sich durch bergeweise Briefwahlzettel arbeiten - und anders als in vielen anderen Bundesstaaten darf in Pennsylvania mit der Auswertung der per Post eingegangenen Stimmzettel erst am Wahltag um 07.00 Uhr morgens begonnen werden. Auch diesmal ist der bevölkerungsreiche Bundesstaat einer der wichtigsten, denn hier gibt es mit 19 Wahlleuten vergleichsweise viele auf einen Schlag zu holen.

In North Carolina stand das Ergebnis 2020 gar zehn Tage lang aus. Zwar darf hier schon vor dem Wahltag mit der Prüfung der bereits vorliegenden Briefwahlstimmen begonnen werden. Stimmzettel, die etwa von im Ausland stationierten Militärangehörigen erst am Wahltag eingehen, werden aber erst im Anschluss an den Wahltag ausgewertet. Sollte es in North Carolina tatsächlich so eng zwischen Harris und Trump zugehen, wie die Umfragen nahelegen, dann könnte es ohne weiteres eine Woche dauern, bis das Ergebnis feststeht.

In Georgia wiederum werden Stimmzettel aus dem Ausland sogar noch drei Tage nach der Wahl akzeptiert, wenn sie spätestens am 5. November, also dem Wahltag, abgestempelt wurden. Mehr als 21.000 solche Stimmzettel wurden beantragt, sie könnten also den Ausschlag geben.

In Wisconsin darf wie in Pennsylvania erst am Wahltag in der Früh damit begonnen werden, per Post eingegangene Stimmzettel auszuwerten. Es gibt in dem Bundesstaat aber zusätzlich die Besonderheit, dass viele der grossen Städte die Briefwahlstimmzettel zur Bearbeitung an einen zentralen Ort liefern. Das kann dazu führen, dass erst in den frühen Morgenstunden nach Schliessung der Wahllokale diese Teilergebnisse eintrudeln. 2020 meldete Wisconsins grösste Stadt Milwaukee gegen 03.30 Uhr das Ergebnis von fast 170'000 Wahlzetteln. Daraufhin schoss Biden plötzlich an Trump vorbei, der bis dahin in dem Staat in Führung gelegen hatte. Prompt reklamierte Trump Wahlbetrug - fälschlicherweise, wie sich herausstellte.

Dieses Jahr könnte es ähnlich zugehen, da in der Regel mehr Anhänger der Demokraten die Briefwahl nutzen als republikanische Wähler. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Trump auch dann wieder Betrug wittert. Sollte er die Gerichte einschalten, könnte auch das zu einer weiteren Verzögerung führen, bis das endgültige Wahlergebnis vorliegt.

(Reuters/cash)