Die Aktien-Hausse der letzten Monate verwunderte Privatanleger und professionelle Investoren gleichermassen. Dass die Märkte aktuell einen Schwächeanfall erleben, erscheint dabei als überfällige Korrektur und logische Konsequenz der Aufholrally. Ob aus der Korrektur mehr wird, bleibt abzuwarten. Ein Index war lange erstaunlich resistent gegen grössere Rücksetzer: der Nasdaq-Composite.
Der US-Technologie-Index hat das Coronavirus lange in die Tasche gesteckt und erreichte diese Woche ein neues Allzeithoch. Am Mittwoch durchbrach der Nasdaq erstmals in seiner Geschichte die 10'000-Punkte-Marke. Von der allgemeinen Korrektur der letzten Tage im breiten Markt war bei den US-Tech-Aktien lange weniger zu spüren.
Kursentwicklung des Nasdaq-100 (rot) und des SMI (grün) in den letzten zwölf Monaten, Quelle: cash.ch.
Coronavirus als Treiber der Digitalisierung
Gerade in Bezug auf die Big Techs wird derzeit zunehmend von Irrationalität, von Phantasiekäufen oder gar von Wahnsinn gesprochen. Und in der Tat kann einem bei derartigen Kursexplosionen ein wenig angst und bange werden. Doch dass in der Corona-Krise ausgerechnet Amazon und Co. mal wieder zu neuen Höhenflügen ansetzten, ist durchaus erklärbar.
Erstens war bereits früh klar, dass Technologie-Konzerne weitaus weniger bis gar nicht von der Corona-Krise betroffen sind. Vielmehr haben einige sogar offensichtlich von ihr profitiert. Die Krise erwies sich vor allem bei Firmen, aber auch im privaten Bereich als grösster Treiber der Digitalisierung. Corona löste einen massiven Nachfrageanstieg nach IT- und Softwareausrüstung aus. Folgerichtig setzten Anleger noch mehr als ohnehin schon auf den Digitalisierungs-Trend.
Big Techs als Qualitätsaktien
Zweitens wird immer mehr klar, dass Titel wie Amazon, Alphabet oder Apple – obwohl noch immer Wachstumsunternehmen – zunehmend als Qualitätstitel angesehen werden. Heisst, bei Unsicherheit am Markt leiden diese Titel weniger oder profitieren gar davon, weil man ihnen weiter steigende Erträge zutraut.
Freilich ist nicht von der Hand zu weisen, dass der inmitten der Corona-Krise einsetzende Kaufrausch an den Börsen auch an der Nasdaq für gefährlich hohe Bewertungen gesorgt haben dürfte. Hier ist insbesondere Tesla zu nennen. Die Aktie des Elektroautopioniers durchbrach diese Woche erstmals die 1000-Dollar-Marke.
Kursentwicklung der Tesla-Aktie in den letzten zwölf Monaten, Quelle: cash.ch.
Das Missverhältnis zwischen Börsenwert und wirtschaftlichem Ertrag bei Tesla ist hinlänglich bekannt. Im Aktienkurs steckt eine geballte Ladung an Erwartungen, was naturgemäss ein grosses Enttäuschungspotenzial birgt. Allerdings ist Tesla nun einmal Platzhirsch im zukunftsträchtigen E-Auto-Markt und seit einigen Quartalen sogar profitabel.
Die Erwartungen kommen also nicht von ungefähr. Wenn Tesla das liefern wird, was Elon Musk verspricht, ist die Aktie langfristig gesehen wahrscheinlich sogar noch günstig. Sollte die Wachstumsstory allerdings einen Knick bekommen, kann die Wette auf Tesla für Anleger eine ganz teure werden.
Mehr zur Tesla-Aktie hier: «Tesla 1000»: Was Anleger jetzt vor dem Kauf der Aktie wissen müssen |
Amazon weiter im Höhenflug
In ähnlich schwindelerregenden Höhen, aber dabei weitaus gefestigter, bewegt sich die Aktie von Amazon. Während andere Firmen wegen Corona mit Kurzarbeit kämpfen oder mangels Aufträge zwischenzeitlich schliessen mussten, suchte der Online-Gigant händeringend nach neuen Mitarbeitern. Der Onlineversand-Riese profitierte von den weltweiten Lockdowns, die dem Home Shopping weiter Auftrieb verliehen.
Trotzdem fällt auf, dass der Aktienkurs seit Anfang Mai etwas an Schwung verloren hat. Der Grund für die Verschnaufpause ist jedoch gleichzeitig ein langfristiges Kaufargument: Amazon verkündete Anfang Mai, erneut massiv zu investieren, was kurzfristig das Ergebnis drückt. Einen Vorgang, den Amazon-Aktionäre bereits gewöhnt sind und der sich bald wieder in Form von steigenden Erträgen und einer noch gefestigteren Marktstellung auszahlen dürfte.
Apple wider Erwarten auf Rekordhoch
Apple ist derzeit unter den Big-Techs die vielleicht grösste Überraschung. Zur Erinnerung: Noch im Februar, also am Anfang der Corona-Krise, sprach der iPhone-Hersteller eine Virus-bedingte Umsatzwarnung aus – und gab dem Markt damit einen ersten Vorgeschmack auf den allgemeinen Nachfrage-Einbruch, den noch viele Firmen zu spüren bekommen sollten.
Doch diese Woche – vier Monate und einen Corona-Schock später – erreichte auch die Apple-Aktie ein neues Rekordhoch. Bereits Anfang Mai überraschte Apple mit unerwartet starken Zahlen. Vor allem das Geschäft mit Servicediensten wie Apps und Streaming-Abos sowie mit Wearables lief deutlich besser als was erwartet. Auch die hohe Nettoliquidität des Unternehmens spricht weiter für die Aktie. Apples sprudelnder Cash-Bestand macht weitere Aktienrückkäufe in Zukunft nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich.
Microsoft
Microsoft ist das dritte Big Tech aus den USA, das diese Woche ein Allzeithoch feiern konnte. Dass auch der Software-Gigant von währned der Corona-Krise ausgeweiteten Heimarbeit profitiert, ist selbstredend. Der Home-Office-Trend lässt nicht nur die Nachfrage nach Software-Lösungen ansteigen, sondern auch jene für Cloud-Services.
In diesem Bereich ist Microsoft zwar noch klar in der Rolle des Jägers, vor allem gegenüber Amazon. Doch der Software-Pionier konnte zuletzt eine kräftig ansteigende Nachfrage nach seine Cloud-Computing Plattform Azure verzeichnen. Angesichts starker Wachstumsaussichten im Cloud-Geschäft sowie in anderen Segmenten wie etwa der Kommunikations-Software Teams, ist nicht davon auszugehen, dass der Lauf in naher Zukunft ein Ende findet.