Die Wolfsburger lassen sich das Projekt nach Angaben vom Dienstagabend fünf Milliarden Dollar kosten. Künftig soll die Software für die neuen Elektroautos, die ab 2028 auf den Markt kommen sollen, von einem Gemeinschaftsunternehmen der beiden Autobauer kommen. Die VW-eigene Softwarefirma Cariad soll sich in Zukunft unter anderem um das Thema Autonomes Fahren kümmern.
VW-Chef Oliver Blume sagte, durch die Zusammenarbeit würden die «besten Lösungen schneller und zu geringeren Kosten in unsere Fahrzeuge» gebracht. Die Software solle künftig für Fahrzeuge von Rivian und des gesamten VW-Konzerns genutzt werden, auch für die neue Elektroautomarke Scout in den USA. Es bedeute nicht das Ende von Cariad, betonte Blume.
«Cariad sollte und wird verschwinden»
Analysten sehen es jedoch anders. «Der Zusammenschluss mit Rivian ist ein weiterer Nagel in den Sarg von VWs Ambitionen, selbst die Software mit ihrer problembeladenen und defizitären Tochter Cariad zu entwickeln», sagte Stephen Reitman, Analyst bei Bernstein. Jefferies-Fachmann Philippe Houchois sprach von einem Eingeständnis der Schwäche. VW sei unter Blume pragmatischer und bescheidener und suche Hilfe ausserhalb. «Cariad sollte und wird verschwinden. Die Realität ist, dass Cariad irrelevant und eines natürlichen Todes sterben wird.»
Entsprechend skeptisch wurde die Transaktion an der Börse aufgenommen. Die VW-Aktien fielen in einem insgesamt schwächeren Autosektor am Mittwoch um bis zu 1,7 Prozent auf 104,70 Euro. Seit Jahresbeginn haben sie rund fünf Prozent verloren, der Dax hat im selben Zeitraum 8,5 Prozent gewonnen. Die Transaktion könne zwar strategisch Sinn ergeben, Investoren wäre es aber lieber gewesen, VW trenne sich von Geschäftsteilen und kaufe keine neuen dazu, schrieb Stifel-Analyst Daniel Schwarz. «Für VW und für Rivian ist es kein Deal aus der Stärke heraus.» Zudem gebe es keine Garantie, dass es diesmal klappe. «Allerdings kenne ich keine bessere Alternative.»
Cariad-Chef spricht von Paradigmenwechsel in Entwicklung
VW reagiert mit dem Rivian-Gemeinschaftsunternehmen auf die anhaltenden Schwierigkeiten bei der Software-Tochter Cariad. Der ehemalige VW-Chef Herbert Diess hatte grosse Softwarepläne mit Cariad, doch das Projekt machte eher mit Problemen und Verzögerungen auf sich aufmerksam. Weil die Software für die Luxusplattform PPE nicht rechtzeitig fertig geworden war, mussten die Töchter Audi und Porsche die Einführung neuer Modelle um mehrere Jahre verschieben. Um die Software für Autos der neuen Elektro-Plattform SSP soll sich nun das Gemeinschaftsunternehmen mit Rivian kümmern. Cariad-Chef Peter Bosch schrieb auf dem Karrierenetzwerk LinkedIn, die Zusammenarbeit sei ein Paradigmenwechsel: «Wir entwickeln das Auto ausgehend von der Software-Architektur - und bauen die damit verbundene Hardware auf dieser Basis auf.»
VW und Rivian haben seit Monaten auf die nun geschlossene Kooperation hingearbeitet. Er habe sich mit VW-Chef Blume in Atlanta getroffen, sagte Rivian-Chef RJ Scaringe, und sie hätten sich sofort gut verstanden. «Ein grosser Teil der Arbeit, der zu dieser Ankündigung heute führte war, genau zu prüfen, ob die Zusammenarbeit auch passt», sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Insidern zufolge wurden Audi-Fahrzeuge zu Rivian nach Palo Alto an der US-Westküste gebracht, damit die Rivian-Ingenieure sie dort genau unter die Lupe nehmen und auf ihre Software hin untersuchen konnten. Als ein Grund für den verschobenen Marktstart von Porsche- und Audi-Neuheiten gilt, dass die Software-Architektur zu kompliziert ist und zu viele einzelne Steuergeräte verbaut werden, deren Software aufwändig aufeinander abgestimmt werden muss. Bei einem «Software Defined Vehicle» dagegen ist es das Ziel, mit möglichst wenigen Rechnern auszukommen, von denen die einzelnen Teile des Fahrzeugs deutlich reibungsloser gesteuert werden können.
Rivian braucht Geld für neue Autoprojekte
Das Geld für das Gemeinschaftsprojekt kommt allein von Volkswagen, Rivian steuert seine Technologie bei. Für den Elektroautobauer ist das eine dringend nötige Geldspritze: Wie andere Startups leidet das Unternehmen an der derzeitigen Schwäche auf dem Elektroautomarkt, Rivian verliert mit jedem verkauften Auto fast 40.000 Dollar. Zuletzt hatte das Unternehmen die Produktion gedrosselt, um zu sparen. Mit dem Geld von VW will Rivian die Entwicklung des billigeren und kleineren R2-Geländewagens finanzieren, der 2026 auf den Markt kommen soll, wie Vorstandschef Scaringe zu Reuters sagte. Entsprechend positiv wurde die Nachricht am Aktienmarkt aufgenommen. Die Rivian-Aktien schnellten im nachbörslichen Handel um etwa 50 Prozent nach oben, der Börsenwert stieg damit um fast sechs Milliarden Dollar.
(Reuters)