Während Jahren haben Unternehmen Teile ihrer Produktion in Niedriglohnländer, etwa nach Asien, ausgelagert. Das hat funktioniert - bis während der Coronakrise deutlich wurde, wie empfindlich sich Störungen internationaler Lieferketten auf einzelne Betriebe auswirken können.
Das Umdenken ist nun im Gang. Unternehmen verringern Abhängigkeiten, indem sie ihre Fertigung wieder näher an den Heimmarkt rücken - sprich: sogenanntes Reshoring betreiben. Sie versprechen sich höhere Zuverlässigkeit und Sicherheit in der Wertschöpfung, verbunden mit besserer Qualität. Auf der Kehrseite dieser Medaille stehen höhere Lohn- und Mietkosten, allenfalls auch strengere Anforderungen an Umweltschutz und Arbeitssicherheit. Doch wer im Markt stark positioniert ist, kann bei Kunden höhere Preise durchsetzen und so die Margen erhalten.
Aus dieser Neuausrichtung erwachsen auch Chancen für Unternehmen, die zu Aufbau, Betrieb und Automatisierung neuer Produktionsanlagen beitragen oder Zulieferer von Komponenten und Vorleistungen sind. Solche Unternehmen wurden von den Anlagenspezialisten der Privatbank Baumann & Cie ausgemacht. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über ausgewählte Firmen, die an der Schweizer Börse kotiert sind. Gezeigt wird, warum jedes der Unternehmen vom Reshoring profitiert.
Unternehmen | Begründung für das Profitieren vom Reshoring |
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Sika | Steigende Nachfrage nach robusten, effizienten und nachhaltigen Baustoffen |
Holcim | Steigende Nachfrage nach Baustoffen, Trend zu umweltfreundlichen und energieeffizienten Baustoffen |
Kardex | Zunehmende Automatisierung in der Logisik |
Inficon | Steigende Relevanz der Halbleiterindustrie, wachsendes Bewusstsein für eigene Innovationsfähigkeit in diversen westlichen Ländern |
VAT | Steigende Relevanz der Halbleiterindustrie, wachsendes Bewusstsein für eigene Innovationsfähigkeit in diversen westlichen Ländern |
Lonza | Westliche Länder hinterfragen zunehmend ihre Abhängigkeit von ausländischen Zulieferern für pharmazeutische Wirkstoffe, insbesondere aus China |
Siegfried | Westliche Länder hinterfragen zunehmend ihre Abhängigkeit von ausländischen Zulieferern für pharmazeutische Wirkstoffe, insbesondere aus China |
Quelle: Baumann & Cie Banquiers.
Das Beispiel von Kardex illustriert, wie eine Firma sich in der Neugestaltung der Lieferketten positionieren kann. Die Lösungen des Intralogistikers ermöglichen tiefere Kosten in der Produktion und Lagerhaltung. Das ist willkommen in neu errichteten Werken, doch auch bei bestehenden Anlagen ist das Potenzial gross. Schätzungen zufolge sind aktuell rund 15 bis 20 Prozent der Lagerflächen weltweit automatisiert, bis 2030 könnten es 30 Prozent sein - was eine «erhebliche» Zunahme bedeuten würde, wie die Spezialisten von Baumann & Cie schreiben. Sie favorisieren Kardex ebenso wie beispielsweise Georg Fischer, Schneider Electric und das Technologieunternehmen Inficon.
Die Aktien von Inficon sind seit letztem Juni insgesamt zwar gefallen. Auf Sicht von rund zweieinhalb Jahren bleibt aber ein 75-prozentiges Plus. Das in der Ostschweiz beheimatete Unternehmen spielt mit seinen Sensoren in der Halbleiterindustrie mit. Sie hat die jüngere Vergangenheit geprägt und dürfte auch in Zukunft relevant bleiben. Dies allerdings unter veränderten Bedingungen: Man habe erkannt, «dass die eigene Innovationsfähigkeit, aber auch Sicherheitsinteressen, stark von der Verfügbarkeit fortschrittlichster Halbleiter abhängen», heisst es im Baumann-Anlagekommentar. Und so hätten diverse Länder die Investitionen in die Halbleiterindustrie «massiv» erhöht.
Für Holcim machen die Spezialisten von Baumann einen Trend zu umweltfreundlicheren und energieeffizienteren Baustoffen aus. Das Wachstum kommt hier von verschiedenen Seiten: Da sind die Unternehmen, die im Zuge des Reshorings wieder verstärkt im Heimmarkt Werke aufbauen. Und da ist das Anliegen, möglichst klimafreundlich und nachhaltig zu sein. Holcim positioniert sich in diesem Bereich, unter anderem mit nachhaltigen Baustoffen, die laut Unternehmensinformationen 100 Prozent Leistung bei mindestens 30 Prozent weniger CO2-Ausstoss liefern.
Ob allein dies das Abschneiden am Aktienmarkt wesentlich beeinflusst? Jedenfalls hat der Zementhersteller noch andere Treiber: So dürfte Holcim zu den Unternehmen zählen, die etwa durch Preiseffekte von den erhöhten Zöllen im internationalen Handelsstreit profitieren dürften, wie die Bank Vontobel in einer Notiz von Anfang Februar schreibt.
Im Umfeld von Pharmazulieferern wie Lonza und Siegfried hat ein stärkeres Hinterfragen der Abhängigkeit bei Wirkstoffen von entlegenen Märkten eingesetzt. Zudem, so schreibt die Strategieberatung Roland Berger, werde die Bedeutung der Pharmazulieferer angesichts geopolitischer Unsicherheiten verstärkt, die robuste und rückverlagerte Lieferketten notwendiger als früher machen. Der Sektor werde bis 2027 um jährlich 7 Prozent wachsen, wobei sich vor allem in Europa durch Zusammenschlüsse Synergien, Effizienzgewinne und wachsende Verhandlungsmacht ergeben dürften.