Das Unternehmen kündigte unter anderem die seit 1994 geltende Beschäftigungssicherung formell. Auch andere Verträge, in denen die Übernahme von Auszubildenden oder die Konditionen für Leiharbeiter geregelt sind, wurden gekündigt.

IG Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger sprach von einem «beispiellosen Angriff auf das gemeinsame, historische Tarifwerk», mit dem Volkswagen die Mitbestimmung «vor eine der grössten Zerreissproben in der Unternehmensgeschichte» stelle.

Betriebsratschefin Daniela Cavallo sagte, das Unternehmen habe wahr gemacht, wovon die Arbeitnehmer seit Tagen ausgegangen seien. «Wir werden uns gegen diesen historischen Angriff auf unsere Arbeitsplätze erbittert zur Wehr setzen», sagte sie. «Es wird mit uns keine betriebsbedingten Kündigungen geben.»

Volkswagen hatte den Schritt vergangene Woche angekündigt, zudem steht die Schliessung von Auto- und Komponentenwerken in Deutschland im Raum. Das Unternehmen begründete das damit, dass die Nachfrage auf dem europäischen Markt dauerhaft gesunken sei. Finanzchef Arno Antlitz sprach von 500.000 Autos, die VW jährlich weniger in Europa verkaufe als vor der Pandemie - das entspreche der Produktion von zwei Werken.

Entlassungen sind nach der Kündigung der Vereinbarung frühestens ab Juli 2025 möglich: Bis Ende Juni läuft der Vertrag noch weiter. «Dieser Zeitraum eröffnet uns jetzt die Möglichkeit, gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern Lösungen zu finden, wie wir Volkswagen nachhaltig wettbewerbs- und zukunftsfähig aufstellen», sagte VW-Personalchef Gunnar Kilian.

Für beide Seiten besteht dabei Handlungsbedarf: Für den Betriebsrat, um Entlassungen zu verhindern - für das Unternehmen, um drohende Mehrkosten zu vermeiden. Diese drohen, sollte es bis Juni 2025 nicht gelingen, eine Einigung zu erzielen. In diesem Fall tritt der Tarifvertrag wieder in Kraft, der vor 1994 gegolten hatte. Er sieht unter anderem zusätzliche Pausen und höhere Zuschläge für Mehr- oder Samstagsarbeit vor. VW erklärte dazu, sollte es dazu kommen, würde Volkswagen gegenüber dem Wettbewerb massiv zurückfallen.

Gröger sagte, die neu entstehenden Kosten könnten an der Milliardengrenze kratzen. «Es käme also zu einer Entgelterhöhung als verrückt klingende Folge des Tarifangriffs der Arbeitgeberseite - andererseits wären dann aber eben auch Entlassungen aller Beschäftigten möglich», sagte Cavallo. Es sei eine Balance durch das Tarifhandwerk entstanden, erklärte der Betriebsrat in einer internen Mitteilung: Eigentlich müsse ein Verhandlungskompromiss her.

Neben dem Tarifvertrag, in dem die seit 1994 geltende Beschäftigungssicherung geregelt ist, wurden auch der Rahmenvertrag für Führungskräfte, die Regelung zur Übernahme von Auszubildenden und die Verträge zur Zeitarbeit gekündigt. So sollen künftig nur noch so viele junge Menschen ausgebildet werden, wie das Unternehmen benötige. Derzeit ist tariflich festgelegt, dass jährlich 1400 Auszubildende eingestellt und nach Ende ihrer Ausbildung unbefristet übernommen werden. In der Vergangenheit sei es zuletzt immer wieder schwierig gewesen, eine Übernahme zu gewährleisten, erklärte VW dazu.

Bei der Zeitarbeit sollen günstigere Konditionen erreicht werden. Bislang sind Leiharbeiter für Volkswagen nach eigenen Angaben teurer als für andere Autobauer. Der Gehalts-Tarifvertrag wurde von der IG Metall bereits zum Ende November gekündigt.

(Reuters)